Herr Silverman, zunächst einmal Glückwunsch zur Ehrenrose der Rose d‘Or. Wobei sich mir da die Frage aufdrängt: Wie wichtig ist ein internationaler oder in erster Linie sogar europäischer Fernsehpreis für jemanden der aus dem weitgehend autarken amerikanischen Fernsehmarkt kommt...

Herzlichen Dank erst einmal. Ich denke, der internationale Fernsehmarkt wandelt sich mehr und mehr zu einem tatsächlich globalen Geschäft, in dem die Amerikaner nicht mehr nur als Verkäufer sondern auch als Käufer auftreten, wie es auch der Rest der Welt tut. Ich sehe diese Ehrenrose deswegen auch als Symbol für diesen Wandel. Aber ich liebe die Rose d‘Or auch einfach, weil hier die Kreativität im Fernsehen und nicht nur Fernsehen als Geschäftsmodell gefeiert wird, weil ich ohnehin das Gefühl habe, dass uns - anders als dem Filmgeschäft - das Feiern unserer Kreativen fehlt.

Zur Person

  • Ben Silverman (37) ist Co-Chairman NBC Entertainment und NBC Universal Television Studios. Faktisch ist er, wenn es zum Programm kommt, Senderchef bei NBC. Zuvor hatte Silverman mit Reveille seine eigene Produktionsfirma gegründet, die u.a. "The Office" (US), "Ugly Betty" oder "The Tudors" produziert. Angefangen hat Silverman mit dem Verkauf europäischer Formate wie "Who wants to be a millionare" an US-Sender.

Aber wenn man sich die eingereichten Beiträge in den vergangenen Jahren anschaut, dann waren kaum Produktionen aus den USA dabei...

Stimmt, aber ich denke, dass sich das ändern wird. Und vergessen Sie nicht, dass unser „The Office“ im vergangenen Jahr nominiert war. Dieses Jahr hier einer der wenigen Amerikaner zu sein, ist für mich eine gute Gelegenheit sich unzählige Ideen und Formate anzuschauen und Kontakte zu knüpfen, die in den USA sonst keiner hat.

Mit der Auszeichnung schließt sich in gewisser Weise ein Kreis: Ihre Fernsehkarriere startete mit europäischen TV-Shows wie „Who wants to be a milionaire“, die Sie in die USA geholt haben...

Da stimme ich Ihnen zu. Aber ehrlich gesagt: Ich finde es auch einfach großartig in einer Reihe mit Benny Hill, Monty Python und Ricky Gervais zu stehen. Mit diesen Männern verbunden zu werden, ist wirklich cool.

Da Sie beides gut kennen: Was unterscheidet aus Ihrer Sicht eigentlich europäisches und amerikanisches Fernsehen?


Im amerikanischen Fernsehen darf jeder eine Waffe haben, aber niemand Sex. Im europäischen Fernsehen darf jeder Sex haben, aber niemand eine Waffe. Ich liebe Europa. (lacht).
 
Foto: Ingo Höhn / DWDL.de


An was wird man sich erinnern, wenn man in ein paar Jahren an das TV-Jahr 2008 zurückdenkt?


2008 wird ein Jahr grundlegender Veränderung des klassischen Broadcasting-Geschäfts. Einmal wegen dem Autorenstreik, der die Arbeit unserer ganzen Branche unterbrochen hat. Aber auch, weil neue Technologien das herkömmliche Fernsehen unter Druck setzen. Die technische Entwicklung wird immer schneller. Bis das lineare Fernsehen seine Geschäftsmodelle neu erfinden muss, vergehen sicher noch fünf bis sieben Jahre. Aber wir sehen ja schon jetzt, wie die Verbreitung von TiVo und andere PVRs wächst. Und das wird sich auf die Art und Weise wie Menschen fernsehen auswirken. Die Quoten aller Sender gingen dieses Jahr um zehn bis 15 Prozent nach unten - und sie werden weiter nach unten gehen so wie die Verbreitung von Angeboten wie TiVo zunimmt. Deswegen sehen wir uns als Content Company, die auch andere Verbreitungswege finden muss.

Welche Bedeutung hat Primetime Television dann künftig Ihrer Meinung nach?

Unsere Programme werden weiterhin in der Primetime gestartet, aber wir müssen mit dem Content überall dahin gehen, wo die Zuschauer ihn konsumieren wollen. Egal ob sie es auf NBC.com, auf ihrem Handy oder ihrem iPod sehen wollen. Wir müssen nur einen Weg finden, um dies auch messen zu können, damit wir und letztlich unsere Werbekunden von den neuen zusätzlichen Zuschauerschaften profitieren können. Eins ist klar: Die Zukunft von Video im Internet - das wird nicht die Katze sein, die ins Klo pinkelt. Das wird etwas wie „Heroes“ sein.

Aber auch abgesehen von den technologischen Herausforderungen haben Sie bzw. NBC einige gewagte Änderungen vorgenommen. Keine traditionelle Präsentation mehr für die Werbekunden, kein Wettlauf mehr um die teuersten Piloten, nicht mehr alle Neustarts in einer Woche, nicht mehr notwendigerweise 22 Folgen pro Staffel, kein Denken mehr in klassischen TV-Saisons....

Ich glaube einfach, wir müssen uns dem Zuschauer anpassen und der Zuschauer interessiert sich nicht für eine TV-Saison wie wir sie kennen. Das Publikum will das ganze Jahr über unterhalten und bewegt werden. All diese Regeln die einmal aufgestellt wurden, damit die Autoindustrie ihre Wagen verkauft bekommt, müssen nach 50 Jahren endlich einmal überprüft werden, so dass wir uns auf den Zuschauer fokussieren. Sicher, die früheren Upfronts dienen dem Geschäft und interessieren den Zuschauer nicht. Aber bei allen anderen Veränderungen die Sie ansprachen, geht es ums Publikum.

Einige Änderungen erinnern an die im Vergleich zu den USA deutlich weniger standardisierten Fernsehmärkte in Europa...

Es hat ganz sicher etwas damit zu tun, zu sehen wie es andere Sender in anderen Ländern machen. Besonders wenn es darum geht, weniger Episoden einer Serie zu bestellen oder mit neuen Programmen das ganze Jahr über zu starten. Aber auch bei uns in den USA hat sich eine Menge getan. In den vergangenen Jahren haben die kleineren Cable-Sender im Sommer wirklich hochqualitative Serien programmiert und damit hohe Einschaltquoten erzielt. Da denke ich mir: Das sollten wir auch tun.