Lieber Herr Wickert, man hört, dass sie viel unterwegs sind. Wo sind Sie jetzt gerade, und in welchem Auftrag?

Sie werden es kaum glauben, aber ich sitze an meinem Schreibtisch in Hamburg und bin mein eigener Auftraggeber.

Als Offizier der franzöischen Ehrenlegion - wie oft sind Sie eigentlich in Ihrer zweiten Heimat Frankreich?

Zu wenig! Weil ich in Deutschland zuviel zu tun habe.

Ist es nicht schade, dass Sie nicht gerade jetzt nochmal in Paris Korrespondent sind, wo mit Nicolas Sarkozy eine schillernde Politikerfigur im Rampenlicht steht?

Gottseidank gibt es ja auch noch andere Wege, um sich mit dem Président bling-bling (so sein Spitzname) zu beschäftigen. Ich schreibe ja seit einiger Zeit auch Kriminalromane, die in Paris spielen. Gerade habe ich wieder ein Manuskript fertiggestellt, dass im Sommer erscheinen wird: und da die Hauptfigur immer der gleiche französische Untersuchungsrichter Jacques Ricou ist, der in Paris ermittelt, kommt natürlich auch die eine oder andere politische Bemerkung über Nicolas Sarkozy darin vor.

Um das Tagesgeschehen kümmern sich ihre Nachfolger. Wie intensiv verfolgen Sie die Arbeit Ihrer Nachfolger bei den „Tagesthemen“?

Das ist eben so bei Nachrichtensüchtigen: Ich erwische mich immer wieder dabei, zuerst „heute-journal“ zu schauen und im Anschluss die „Tagesthemen“, um beide Sendungen zu vergleichen.

Sie haben große Fußstapfen hinterlassen. Ärgert es Sie, wenn Tom Buhrow als farblos bezeichnet wird?


Man kann eine interessante Beobachtung machen: Medienjournalisten schreiben häufig von einander ab, haben keine ernsthaften Kriterien für das, was "gute" Fernseharbeit ist und beurteilen Männer - und besonders Frauen - häufig nur nach ihrem Aussehen und dem jeweiligen Belieben. Darüber ärgere ich mich dann.

Haben Sie einen Ratschlag für Ihre Nachfolger?

Den einzigen Ratschlag, den ich Tom Buhrow gegeben habe, war der Ratschlag, den ich von Hanns-Joachim Friedrichs erhielt: Sei so wie du bist.

Als „Meinungsmacher" bei zoomer unterstellte Ihnen Spiegel Online, Sie schwankten zwischen „Tagesthemen" und „Sendung mit der Maus". Droht bei der jungen Zielgruppe die Gefahr, dass Sie zum Erklär-Bär werden?

Was andere sagen, muss ja nicht stimmen. Siehe meine Bemerkung zu Medienjournalisten.

Sind Sie mit der bisherigen Nutzerbeteiligung bei „zoomer" zufrieden?


Ja, denn sie wächst täglich.
Foto: Holtzbrinck Verlag


Nehmen wir uns mal einen Beitrag von Ihnen heraus: „Die Bundesregierung muss dem Verbot von Streubomben endlich beitreten!" - Dazu wurden bisher 8 Antworten gepostet. Reicht Ihnen das?


Ja, weshalb müssen es mehr sein?

Immerhin haben Sie zum Start von „zoomer" das Angebot als „erstes echtes Nachrichtenportal im Internet" bezeichnet. Warum?

Die bisherigen Nachrichtenportale sind nach dem Prinzip der Zeitung aufgebaut und in Ressorts unterteilt. Zoomer.de geht von der Aktualität aus und von Bildern, die wenn es sich anbietet - sich auch bewegen. Und: der Nutzer kann mit seinen Bemerkungen sofort reagieren und erscheint im "Programm", nicht hinten auf einer versteckten "Leserbriefspalte".

Ganz ehrlich: Werden gelegentlich ein paar „weiche" Themen nach unten geschoben, um nicht zu weit in Richtung Gossip abzugleiten?

Da täuschen Sie sich aber, oder gehen von einem falschen Verständnis von zoomer.de aus! Unsere Richtlinie lautet: Harte Themen nach oben, weil wir kein buntes Nachrichtenportal sein wollen, und die Redaktion erhält dafür die Zustimmung von den Nutzern.

Als „Talking Head" in Videokolumnen melden Sie sich zu wichtigen Themen zu Wort. Löst die Videokolumne langsam den klassischen Kommentar ab?

In ein Nachrichtenportal wie zoomer.de passt die Videokolumne besser als der klassische Zeitungskommentar.

Vor einem Jahr lief die letzte Folge von „Wickerts Bücher" im Fernsehen - haben Sie über eine Rückkehr ins Kulturfernsehen nachgedacht, oder sehen Sie die Sendung heute als Fehlschlag?

Im Hörfunkprogramm NDR-Kultur läuft jeden ersten Sonntag im Monat die Sendung "Wickerts Bücher". Dort spreche ich eine Stunde mit jeweils einer Person, sei es ein Autor, ein Lektor, eine Verlegerin. Der Hörfunk eignet sich erstaunlicherweise besser für solche ernsthafte Gespräche als das Fernsehen.

Statt für eine Fernsehsendung wollten Sie mehr Zeit für die eigenen Bücher investieren. Zuletzt erschien „Gauner muss man Gauner nennen". Sie stoßen darin erneut eine Wertediskussion an - sind Sie mit dem Echo zufrieden?


Mit dem immer noch anhaltenden Echo war ich sehr zufrieden. Die Diskussion um Werte in der Gesellschaft dauert an und beschäftigt viele Bürger.

Genießen Sie die Möglichkeit, in Ihrer zweiten Laufbahn als Schriftsteller Probleme unverblümt auf den Punkt zu bringen?


Ja.

Aber droht man dabei nicht auch, selbstgefällig zu werden?


Warum? Ist jemand, der seine Meinung sagt oder ein Problem auf den Punkt bringt, gefährdet?

Herr Wickert, herzlichen Dank.