Logo: Berliner ZeitungDie am Dienstag erschienene "Notausgabe" umfasst lediglich zwölf Seiten, die fast ausschließlich aus Agenturmaterial besteht. Ursprünglich sollte eine Ausgabe ohne jeden redaktionellen Inhalt erscheinen. Mit der Geschäftsführung hatte man dann noch diesen Kompromiss ausgehandelt, der heute am Kiosk zu haben ist.

In eigener Sache wendet sich die Redaktion darin an die Leser: "Die Berliner Zeitung erscheint heute in besonderer Form. Damit bringen wir, die Redaktion, unsere Sorge über die Zukunft Ihrer und unserer Zeitung zum Ausdruck. Mitten in die Verhandlungen um ein Redaktionsstatut, das die Zusammenarbeit zwischen Redaktion und Geschäftsführung verbessern sollte, hat der Geschäftsführer des Berliner Verlages, Peter Skulimma, an diesem Montag mit Herrn Josef Depenbrock einen neuen Chefredakteur berufen und die Redaktion so vor vollendete Tatsachen gestellt."

Weiter heißt es: "Einer der zentralen Punkte des Redaktionsstatutes ist ein Vetorecht der Redaktion bei der Berufung der Chefredaktion, um damit die Qualität und die publizistische Unabhängigkeit der Zeitung zu schützen. In der vergangenen Woche hat die Redaktion in einem Schreiben die Geschäftsführung aufgefordert, "vor dem Abschluss der Verhandlungen über das Statut davon abzusehen, einen neuen Chefredakteur zu berufen". Ein solcher Schritt würde von der Redaktion "als Vertrauensbruch" gewertet. Diese Situation ist mit der Berufung von Herrn Depenbrock eingetreten."

Der Protest der Redaktion richtet sich darüber hinaus nicht nur gegen die Berufung von Depenbrock als neuen Chefredakteur der Zeitung. Für Unmut sorgt auch, dass Depenbrock zusätzlich der Geschäftsführung der BV Deutsche Zeitungsholding angehören wird und dort für die redaktionellen Belange der Gruppe zuständig sein soll. Zudem hält er Anteile an der Holding.

In dem offenen Brief der Redaktion an die Leser heißt es weiter: "Die Redaktion wird mit ihrer ganzen Kraft dafür kämpfen, dass diese Verquickung zwischen redaktionellen und wirtschaftlichen Interessen auch unter der neuen Führung nicht zum Verlust journalistischer Qualität und Unabhängigkeit führt."

Wann die "Berliner Zeitung" endlich zur Ruhe kommt, bleibt abzuwarten. Im vergangenen Herbst gab es schon einmal großen Bahnhof um die Zeitung aus der Hauptstadt. Damals hatten zwei Investmentgesellschaften um den umstrittenen britischen Ex-Verlagschef David Montgomery die "Berliner Zeitung" vom Holtzbrinck-Verlag ("Zeit", "Tagesspiegel") gekauft. Die Beschäftigten des Verlags, zu dem unter anderem auch das Stadtmagazin "Tip" gehören, fürchtezen damals wie heute einen drastischen Stellenabbau. Bisher äußerte sich Montgomery allerdings nicht dazu.