Kaum ein Moderator besitzt so viel Talk-Erfahrung wie Sie. Was machen Sie heute anders als vielleicht noch vor ein paar Jahren?

Fast alles. Aber nicht, weil ich besser, schlechter oder verrückter geworden wäre, sondern weil „Eins gegen Eins“ etwas ganz anderes von mir verlangt als beispielsweise  „Was erlauben Strunz?“. Da hatten wir oft nur einen Gast und meine Meinung war Teil des Konzepts. Ich war nicht Ringrichter, sondern Boxer, der um Prügel gebettelt, aber auch knallhart ausgeteilt hat, weil ich mir „was erlaubt“ habe. 

Dabei wollen das die Zuschauer ja offenbar gar nicht, haben Sie gerade gesagt.

Beim jetzigen Format scheint meine Meinung zwar immer wieder mal durch, aber meine Rolle ist eine andere. Wir lassen die Zuschauer im Studio ja am Ende sogar darüber abstimmen, welcher Gast die besseren Argumente hatte. Insofern wäre eine Beeinflussung durch den Moderator sogar unsportlich. 

Ich habe kürzlich mit Charlotte Roche gesprochen. Sie meinte, es rege sie fürchterlich auf, nicht zu wissen, was der Moderator denkt. Können Sie das nachvollziehen?

Absolut! Ein streitiges, intelligentes Gespräch zwischen einem meinungsstarken Moderator und einem Gast auf Augenhöhe ist wahrscheinlich unser aller Traum-Format. Aber wir leben in einem Zeitalter, in dem die Bilder die Wörter abgelöst haben. Deshalb werden sie kaum einen großen Sender finden, der das zeigen möchte. Charlotte Roche wird bei ZDFkultur ja leider auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit versendet. Eigentlich schade: Denn eine solche Sendung würde ich besonders im Wahljahr gerne sehen - und machen. Vielleicht ist das ja sogar das junge Format, das vor der Bundestagswahl alle suchen: Charlotte Roche und ich nehmen sich Woche für Woche einen Gast vor, jeder aus seinem Blickwinkel, manchmal miteinander, manchmal gegeneinander, immer neu, immer meinungsstark, immer spannend. Und schon allein durch unsere beiden sehr verschiedenen Lebensläufe sehr, sehr politisch...

 

Michel Friedman ist derzeit wahrscheinlich der einzige, der ein solches Format moderiert...

Ein Glücksfall für N24 und die Debattenkultur in Deutschland. Das Nicht-mehr-Stattfinden von Friedman in der ARD ist ein großer Verlust. Ein solcher Mann, ein solches Format fehlt. Die Frage für alle anderen lautet: Gelingt es uns, mit unseren Sendungen besondere Momente zu kreieren? Das ist leider ein rares Gut geworden.

Wann hat eine Talkshow denn zuletzt einen besonderen Moment hervorgebracht?

Als Sternstunde habe ich kürzlich den Auftritt von Philipp Rösler bei Markus Lanz empfunden. Das Interview war unterhaltsam, brisant und mit Folgewirkungen. Die perfekte Verbindung aus E und U. Rösler hat sich gezeigt, wie man ihn nie gesehen hat. Der eigentliche Geniestreich war, dass Lanz Rösler die ganze Zeit nicht verklemmt investigativ befragt sondern immer als großen Helden der Stunde behandelt hat – und in genau dieser Stimmung kam er aus sich raus. Man hätte Rösler natürlich auch hart vorhalten können, dass die FDP bei drei Prozent steht und er dafür verantwortlich ist. Dann hätte er sich schnell wieder aufs sichere Terrain des Politiker-Sprechautomaten-Deutsch zurückgezogen.