Als Schurke in Gotham City muss man bekanntlich fürchten, auch in abgelegenen Hafenverstecken und düsteren Seitenstraßen von einem fledermausmaskierten Umhangträger überrascht und zur Rechenschaft gezogen zu werden, wenn der zuvor durch ein an den Nachthimmel geworfenen Lichtkegel alarmiert wurde.

Aber im wahren Leben und in Krefeld, Rathenow und Spandau läuft das natürlich ein bisschen anders.

Da trägt der Rächer blaue Brille, legeres Sakko, weiße Turnschuhe und Strombergbärtchen, klingelt bei den Missetäter:innen an der Haustür und sagt: "Hallo, Peter Giesel mein Name." Woraufhin die Erwischten im vollen Bewusstsein dessen, was ihnen gleich blüht, erwidern: "Kenn' ich." Bevor sie eilig die Haustür zuschlagen und die Rollläden runterlassen. (Was oft aber nur vorübergehend hilft.)

Auf der Jagd nach dem Teppichbaron

Seit 2015 ist Peter Giesel im Auftrag von Kabel Eins mit seiner Sendung "Achtung Abzocke" im Namen derer unterwegs, die abgeneppt, betrogen und über den Tisch gezogen wurden – mit dem Ziel, die Verursacher:innen vor der Kamera zur Rede zu stellen. Oder zumindest so lange auf den Wecker zu fallen, bis sie entnervt aufgeben.

"Das riecht an allen Ecken und Enden nach Straftat", sagt Giesel, wenn er einen neuen Fall auf den Tisch kriegt. Sobald seine Redaktion in München erste Ergebnisse recherchiert hat, konkretisiert er: "Aus meiner Sicht ist das Abzocke!" Und erklärt: "Heute möchte ich Antworten!" Denn: "Ich bin Peter Giesel. Und den Betrügern auf der Spur."

Dafür beweist der Journalist, der in der Vergangenheit bereits als Chefreporter für Sat.1 und "Focus TV" im Einsatz war, nicht nur einen ganz erstaunlichen Spürsinn, sondern auch viel Ausdauer. "Dieser Fall wird schwer zu knacken sein", kündigt Giesel an, fühlt sich aber umso mehr davon herausgefordert. Er will wissen: "Wer ist der Mann, der meinen Zuschauern mehr als 150.000 Euro schuldet?" Und verspricht: "Dem Teppichbaron werde ich auf den Zahn fühlen." – "Finden mein Team und ich den untergetauchten Dachdecker?" Aber sicher, und zwar mit versteckter Kamera auf offener Straße: "Da kommt er, da kommt er, da kommt er – das isser!"

Fälle von kurios bis unfassbar

Giesel ist gewissermaßen der Robin Hood, der Columbo und der Indiana Jones des Verbraucher:innenschutzes in Personalunion: ein auf den ersten Blick harmlos wirkender Abenteurer mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn. Mit Funkeln in den Augen freut er sich auf den "Fall, der mich durch halb Europa führt"; er lauert denen auf, die eigentlich sicher waren, keine Spuren hinterlassen zu haben; und wenn sie zu flüchten versuchen, ruft er ihnen höflich nach: "Bleiben Sie bitte stehen, ich würd' gern noch ein, zwei Fragen stellen."

Die Kernzusage an sein Publikum ist ebenso simpel wie wirksam: "Ich verspreche, mit meiner Redaktion dranzubleiben!" Und genau das macht er dann auch, denn: "Wenn 'Achtung Abzocke' im Spiel ist, brechen die Leute irgendwann ein und es wird gezahlt."

Während seiner Nachforschungen lässt er Baugutacher:innen kommen, befragt Sachverständige und stellt des Nepps Verdächtigten Fallen – um sich nachher im Zweifel auch überschwänglich darüber zu freuen, wenn jemand Ehrliches auftaucht, der die Lockvogel-Redakteurin nicht übers Ohr zu hauen versucht hat: "Deshalb gibt's unsere Sendung – um die Spreu vom Weizen zu trennen!"

Das Repertoire der "Achtung Abzocke"-Fälle reicht von kurios bis unfassbar. Es geht um systematischen Mietkautionsbetrug und dubiose Autokredite, Abzocke mit Wärmepumpen, Einbauküchen und Camping-Bullis, um verschwundene Erbschaften, Love Scamming auf Dating-Portalen und überzogen wertvoll geschätzten Orientteppiche, die leichtgläubige Besitzer:innen zu teuren Reinigungen verleiten sollen.

Warum sind Sie denn so schreckhaft?

Giesel durchforstet das Internet, wühlt sich durch Anwaltsschreiben und Überweisungsträger und fährt immer wieder an die vermeintlichen Geschäftsadressen windiger Unternehmer:innen, die sich immerzu als leerstehendes Gewerbe, Briefkastenfirma oder Baugrundstück auf der grünen Wiese entpuppen.

Aber das macht nix, ganz im Gegenteil: "Einfach mal'n Pläuschen mit den Nachbarn, da weißte hinterher 'ne ganze Menge mehr."

Tatsächlich ergibt sich auf diese Weise durch irre Zufälle der entscheidende Tipp, um den oder die Gesuchten ausfindig zu machen – bloß weil dem zufällig angetroffenen Solarparkmitarbeiter kurz vor Feierabend noch eingefallen ist, wo er den von Giesel im Internet ausfindig gemachten Baucontainer schon mal gesehen hat: im Industriegebiet des Nachbartorts! Anschließend dauert es nur noch einen Kneipenbesuch, bis Giesel sich aus der Einfahrt des hofkehrenden Kautionsbetrügers von dessen Hund anbellen lassen darf.

Bei der Konfrontation mit den von ihm Gesuchten macht Giesel sein Anliegen unmissverständlich klar: "Lassen Sie uns in Ruhe reden. Wir sind auf der Seite derer, denen Sie Geld schulden." Er sagt: "Wir können auch durch die Tür sprechen. Sie können sich doch nicht für immer verstecken!" Oder: "Warum sind Sie denn so schreckhaft?"

Vermittlungsversuch vor Playmobilschloss

Daraus entstehen regelmäßig die kuriosesten Situationen. Manche Betrüger:innen entpuppen sich selbst als Geschädigte, weil sie sich von Dritten naiv für deren Machenschaften haben einspannen lassen: "Ich bin veräppelt worden von jemandem, der auch schon mal bei Ihnen in der Sendung war. Der hat mich ruiniert." Regelmäßig kommt Giesel, wenn er Schadensverursacher:innen vor sich stehen hat, auch zu dem Schluss, dass sich da einfach jemand geschäftlich verhoben haben muss: "Ich hab mit einem abgebrühten Abzocker gerechnet, aber dieser Mann wirkt auf mich sehr handzahm."

Giesel verbittet sich Ausreden und fordert Aufklärung; er bietet denen, die er als überfordert identifiziert, aber auch Unterstützung: "Dann machen wir das zusammen, ich verspreche Ihnen das!"

Dem Karatelehrer, der mit seiner immer wieder abgesagten Superhelden-Kostümshow für Kinder den Unmut zahlreicher Familien auf sich gezogen hat, hilft Giesel beim Verfassen einer Entschuldigung-Mail, in der er versichert, die Eintrittsgelder zurückzuzahlen. Und beim Dachdecker setzt sich Giesel an den Wohnzimmertisch, um vor dem Playmobilschloss der Tochter zu überlegen, wie sich die Situation zur Zufriedenheit aller beteiligten Parteien auflösen ließe: "Da ist jemand ganz offen und lösungsorientiert, das muss ich ihm anrechnen."

Am Ende zählt für Giesel in solchen Situationen immer ein Handschlag und "das, was wir hier unter Männern vereinbaren". Denn: "Eines ist sicher: Wir bleiben dran."

Leichtsinnige Direktkonfrontation

Es gibt aber auch Fälle, die sich in ihrer ganzen Unglaublichkeit niemand auszudenken wagen würde – etwa wenn Giesel einem vermeintlichen Bulli-Restaurateur bis nach Brasilien nachreist und ihn dort kurz vor dem gebuchten Rückflug in einem Vorort tatsächlich zur Rede stellt.

Oder wenn er einem Erbenermittler bis nach Slowenien folgt, wo dieser vor dem Kabel-Eins-Team durch die Altstadt eines hübschen Adriaküstenörtchens flüchtet, um sich erst auf der nächstgelegenen Damentoilette zu verbarrikadieren und später mit dem Taxi abzuhauen, dessen Tür er Giesel noch in die Seite schlägt, woraufhin der jault: "Sind Sie irre? Ich hol' jetzt die Polizei!" Kurz darauf kriegen die geprellten Erb:innen wie durch ein Wunder doch noch das ausstehende Geld aufs Konto überwiesen. Und nach der Ausstrahlung der Sendung melden sich in der Redaktion weitere Geschädigte des Herrn: "Da müssen wir jetzt nochmal ran", seufzt Giesel in der nächsten Staffel – um von Neuem loszuzlegen.

Dass Giesel in seiner Direktkonfrontation mit Kamera – insbesondere im Ausland – oft gefährlich leichtsinnig agiert, scheint er als Berufsrisiko zu verbuchen und in Kauf zu nehmen. Im Zweifel heißt es: "Kamera runter!", rein ins Auto, "let's go!"

Gleichwohl ist "Achtung Abzocke" der schönste Wirkungsbeweis für hartnäckigen Recherchejournalismus – auch, weil Giesel sehr genau weiß, wo die Grenzen seiner Arbeit liegen. "Die Beweislast ist erdrückend. Ab jetzt ist die Polizei zuständig", sagt er, wenn er einen Gauner gefunden hat, der sich nicht zur Rede stellen lassen will. Er kooperiert auch direkt mit dem Gesetz, das bei einer fingierten Geldübergabe in einem Münchner Café den Boten eines Love-Scamming-Rings festnehmen kann.

Cleverer als der Staatsanwalt

Wenn er den Eindruck hat, dass die zuständigen Strafverfolgungsbehörden in einem Fall nicht so engagiert arbeiten, wie sie es eigentlich tun sollten, gibt sich Giesel damit nicht zufrieden. "Wir haben unsere Recherchen gemacht – wenn da jemand von der Staatsanwaltschaft mal reinschauen möchte: sehr, sehr gerne!", bietet er an, wenn die Redaktion Täter:innen ausfindig machen konnte, die die Staatsgewalt bislang für "nicht ermittelbar" hielt. Er geht Zuständigen auf die Nerven, erkundigt sich auch Monate später noch nach dem aktuellen Ermittlungsstand und kritisiert, wenn "nicht sehr schnell gearbeitet" wurde: "Ist das das Ende von einem solchen Verfahren in Deutschland?"

Gleichwohl macht er transparent, wenn sich die Behörden "bei uns gemeldet und uns gebeten [haben], sich den Film nochmal ganz genau ansehen zu können" – um vom zuständigen Richter nachher den Ausgang des daraus resultierenden Verfahrens erläutert zu kriegen.

So "Mission Impossible"-haft und spannungsgetrieben "Achtung Abzocke" seine Fälle oft auch erzählt – mit Wackelkamerabildern, die Böden, Decken, Finger, Kameraobjektive und Füße zeigen oder das mit dem Handy durch die regentropfenmilchige Heckschreibe gefilmte verpixelte "Phantom": Im Kern ist Giesels "Betrügern auf der Spur" ein Journalismus, der den aufwändig inszenierten Undercover-Reportagen vieler Sender in nichts nachsteht – sondern sogar noch einen greifbaren Nutzwert hinzufügt.

Bis zum Abschluss vorm Amtsgericht

Giesel erklärt nicht nur gängige Betrugsmaschen, sensibilisiert seine Zuschauer:innen und sorgt dafür, dass andere vielleicht nicht in dieselbe Falle tappen. Er macht auch vermeintliche Ermittlungsversäumnisse öffentlich und fordert von Behörden, sich zu erklären.

Zusätzliche Glaubwürdigkeit erhält die Arbeit dadurch, dass "Achtung Abzocke" behandelte Befälle bis zu deren Abschluss begleitet. Und sich dafür im Zweifel auch in die Hauptverhandlung vorm Amtsgericht Hagen setzt, wo ein Beschuldigter wegen 27-fachen Betrugs beim Garagenbau auf zwei Jahre Haft ohne Bewährung verurteilt wird. Oder beim Amtsgericht Kronach, das über die Beihilfe zum gewerbsmäßigen Bandenbetrug urteilt. "Nach jahrelangen Recherchen haben auch wir einen kleinen Beitrag zur Aufklärung leisten können", freut sich der Kabel-Eins-Rechercheur dann.

Bevor er gleich danach wahrscheinlich wieder auf einer Bewertungsplattform im Internet nachguckt, was sein nächster Fall werden könnte. Denn eins ist ja wohl mal klar: Er ist Peter Giesel. Und den Betrügern auf der Spur.

Und damit: zurück nach Köln.

Kabel Eins zeigt "Achtung Abzocke" donnerstags ab 20.15 Uhr; die oben beschriebenen Fälle sind allesamt bei Joyn abrufbar.