Nur mal angenommen, Sie wären Inhaber eines etwas größeren Betriebes. Nun ja, möglicherweise ist die Umschreibung „etwas größer“ in diesem Zusammenhang etwas untertrieben, weil sie ja immerhin über 4100 Mitarbeiter beschäftigen würden und jährlich rund 1,4 Milliarden Euro umsetzten. Sie hätten einen Geschäftsführer, dem Sie jährlich rund 370.000 Euro zahlten. Da Sie sich wegen aufwendiger Reparaturen an Ihren diversen Wohnsitzen und Yachten nicht ständig um alles kümmern könnten, müssten Sie Verantwortung delegieren. Wem würden Sie also die Aufsicht über Ihren Betrieb und dessen Geschäftsführer anvertrauen?



Kurz nachdenken! Na? Genau! Sie würden die Aufsicht einem Gremium aus 49 mehr oder minder qualifizierten Randgruppenvertretern überschreiben, die Sie aus den wichtigtuenden Organisationen vor Ort rekrutierten. Ein paar aus der Politik, ein paar aus der Kirche, ein paar Künstler, viele Verbandsheinis, die üblichen Bedenkenträger halt, in der Mehrzahl weit über 50 Jahre alt. Dass die meisten dieser 49 Aufseher nicht den Hauch einer Ahnung davon haben, was für Ihr Unternehmen wichtig ist, tut nichts weiter zur Sache. Ihrer Kompetenz entsprechend werden die einzelnen Vertreter entlohnt. Jedes normale Mitglied kriegt ein bisschen was über 1000 Euro, Ausschussvorsitzende etwas weniger als das Doppelte, und die Chefin der Aufseher ungefähr das Dreifache. So kommen mit den sonstigen Verfahrenskosten jährlich rund 1,6 Millionen Euro zusammen, was grob gerechnet weniger als 0,1 Prozent des Gesamtumsatzes ausmacht.

Klingt alles lächerlich? Man könne die Verantwortung über eine Firma mit 1,4 Milliarden Euro Umsatz nicht einer solchen Laienspielschar anvertrauen? Sagen Sie. Kann man aber doch. Man schaue nur mal auf den WDR-Rundfunkrat, auf den jedes der eingangs beschriebenen Merkmale zutrifft. Ein Riesenbetrieb, beaufsichtigt von 49 Gestalten, die sich für wichtig und kenntnisreich halten, die es in ihrer traurigen Mehrheit aber keineswegs sind.

Man muss nicht die jüngsten Fehlentscheidungen des WDR-Rundfunkrates zitieren, um die Inkompetenz jenes mit ein paar warmen Worten leicht um den Finger zu wickelnden Kollektivs zu beschreiben, das Günther Jauch einst völlig zu Recht zur Erfindung des Ausdrucks Gremien-Gremlins verleitete. Man kann weit in die Geschichte des WDR zurückblicken und wird kaum Punkte finden, an denen ein Rundfunkrat Rühmliches beigetragen hat.

Der WDR-Rundfunkrat steht indes mit seinem Wesen nicht allein. Er repräsentiert trotz seiner sehr eigenen Art auch all die anderen Räte in der ARD und damit quasi phänotypisch das Versagen der medialen Gesetzgebung in Deutschland. Man kann den einzelnen Mitgliedern der Gremien dieses Versagen dabei nicht einmal persönlich anlasten. Sie handeln schließlich durchaus nach Recht und Gesetz des jeweiligen Landes. In Nordrhein-Westfalen ist das beispielsweise das WDR-Gesetz, in dem kaum nennenswert nach Befähigung gefragt wird, sondern hauptsächlich wichtig erscheint, welcher Verband jemanden entsenden darf.

Kein Wunder also, dass nicht wenigen Rundfunkräten das Interesse ihres Verbandes mehr am Herzen liegt als das des WDR. Kommt ihr Verband gut im Programm weg, sind die meisten zufrieden. Lange vorbei sind die Zeiten, da etwa der WDR-Rundfunkrat rein politisch dominiert wurde. Von der Politik hat sich das Gremium inzwischen angemessen distanziert, was in vielen anderen Bundesländern als durchaus vorbildhaft gilt. Allerdings geht die größere Politikferne nicht zwingend einher mit einem Zuwachs von Kompetenz.

Wie wenig dem Gesetzgeber letztlich an einer ordentlichen Aufsicht liegt, zeigt ein Blick auf die nackten Zahlen. Gerade mal 0,1 Prozent des aus Gebührengeld gespeisten WDR-Gesamtetats stehen für die Rundfunkratsarbeit zur Verfügung. Zum Vergleich sei nur mal der BBC Trust genannt, ein Gremium, in dem ordentlich bezahlte Profis über die Senderarbeit wachen, Menschen, die das Medium kennen, für das sie von Nutzen sein sollen. So etwas kostet. So darf die Arbeit des BBC Trust immerhin bis zu 0,35 Prozent der Gebühren verschlingen.

Wer sagt, dass solch ein Aufwand hierzulande nicht zu stemmen sei, der betrachte bitte, bevor er das große Jaulen beginnt, nur einmal jenen Anteil des Rundfunkbeitrags, der an die Landesmedienanstalten durchgereicht wird. Laut Rundfunkstaatsvertrag fließen diesen 14 inzwischen dank Digitalisierung weitgehend überflüssigen Behördenapparaten zwei Prozent des Gebührenaufkommens zu. Nur mal zum Vergleich: Zwei Prozent für die Überwachung des privaten Rundfunks, 0,1 Prozent für die Überwachung des öffentlich-rechtlichen.

Nun dürfen die Landesmedienanstalten nicht die ganzen zwei Prozent für ihren Apparat und zweifelhafte, oft schon vor Erscheinen veraltete Studien verwenden. Einen Großteil müssen sie abführen an die Filmförderung und andere Institutionen. Längst haben die Staatskanzleien das Geld der Privataufseher als bequeme Manövriermasse entdeckt. Aber selbst wenn nur ein Prozent des Gebührenaufkommens an die Landesmedienanstalten geht, bleibt immer noch ein sehr krasses Missverhältnis zum Etat eines Rundfunkrats bestehen.

So lange das so bleibt, und es sieht nicht danach aus, als würde sich daran bald etwas ändern, sind auch die Missstände im öffentlich-rechtlichen System quasi zementiert. Schließlich stinkt der Fisch bekanntermaßen immer vom Kopf her.