Es liegt mir ja fern, das närrische Treiben entlang des Rheines und sonstwo im Lande zu verdammen. Sollen sich die Menschen ruhig Alkohol literweise verabreichen, sollen sie sich lustig anziehen und dann die Hände zum Himmel strecken, um auch dem Weltraum zu signalisieren, dass sie nun aber gerade so etwas von happy sind. Da würde selbst Pharrell Williams staunen. Sollen sich die Menschen nur ergötzen an doppelkinnigen Sitzungspräsidenten, sollen sie lachen über so genannte Künstler, die zeigen, dass Charisma, Timing und Kreativität ganz offensichtlich auf der Liste der aussterbenden Arten stehen. Sollen sie nur.

Ich frage mich allerdings, warum man mit diesen Phänomenen derart das Fernsehen verstopfen muss, dass es schon kaum noch eine Wegschaltmöglichkeit gibt. Warum müssen ARD und ZDF diese Verhinderten-Olympiade jedes Jahr wieder so großflächig in ihren Hauptprogrammen übertragen? Ja, ich weiß, die Altenheime müssen bespaßt werden. Sehr offensichtlich gibt es Erkenntnisse der nationalen Geheimdienste, die bewaffnete Aufstände in Seniorenresidenzen für den Fall befürchten lassen, dass an Karneval die Übertragungen des organisierten Frohsinns ausbleiben. Ich stelle mir schon Barrikaden aus übereinander gestapelten Rollatoren vor, und oben drauf brennen ausrangierte Thrombosestrümpfe.

Nicht auszudenken, was los wäre, könnten nicht die Düsseldorfer zusehen, wie sich ihre feisten Geldsäcke erst in aberwitzige Kostüme zwängen und dann auch noch krampfhaft so tun, als sei das, was auf der Bühne geschieht, in irgendeiner Weise lustig. Ist es nicht.

Knacki Deuser ist ein sehr netter Kerl und ein sehr umgänglicher Moderator. Als überaus brillanter Stand-up-Comedian gilt er nicht. Er verfügt über dieses Talent, jede Betriebsfeier auf Gutelaunetemperatur zu bringen und den Menschen das Gefühl zu vermitteln, der Moment gerade sei etwas sehr Besonderes. Das ist eine große Leistung. Für den Betrieb, in dem gerade die Stimmung überkocht. Mehr aber auch nicht. Es spricht also Bände, wenn Knacki Deusers Auftritte gleich an zwei Abenden hintereinander den Höhepunkt mehrstündiger Fernsehübertragungen markieren. Sowohl bei „Düsseldorf Helau“ am Mittwoch war Deuser der Lichtblick als auch bei „Mer losse d'r Dom in Kölle“ am Donnerstag.

Was muss in den Unterhaltungsabteilungen von ARD und ZDF vorgehen, dass sie solche Feiertage des schlechten Geschmacks zur Prime Time als Pflichtprogramm ansehen? Was funktioniert bei Menschen, die so etwas planen und ihr Tun auch noch als Volksverbundenheit deklarieren, nicht mehr? Was setzt da aus?

Nochmal die Altersfrage. „Düsseldorf Helau“ hatte bei den Menschen unter 50 Jahren einen Marktanteil von 2,5 Prozent, bei „Mer losse d'r Dom in Kölle“ waren es 3,9 Prozent. Das grenzt hart an Jugenddiskriminierung und spricht allen Funktionärsreden übers Jüngerwerdenwollen Hohn.

Ja, aber. Ich höre sie schon schreien. „Wir hatten doch am Donnerstag die Vorvorauswahl zum Eurovision Songcontest für die jungen Menschen.“ Ja, hattet ihr. Die hattet ihr sogar ganz dicke. So dicke, dass ihr sie gleich auf zwei Kanälen verbraten musstet. Beim NDR und in Eins Plus. Man scheint es ja noch ziemlich dicke im Portemonnaie zu haben. Der Unterschied zwischen beiden Kanälen, auf denen dieselbe öde Titelrunterleierei mit Kreischattacken von Barbara Schöneberger zwischendurch zu sehen war? Bei Eins Plus war der Bildschirm geteilt, und rechts liefen Twitter-Meldungen durchs Bild. Hammer! Das habe ich ja noch nie gesehen! Da äußern sich Menschen im laufenden Programm zum laufenden Programm. Mensch, wie innovativ die doch sind bei Eins Plus. Da wird mir doch gleich ganz warm ums Herz, wenn ich an das noch zu genehmigende Jugendkanal-Projekt denke. Wenn das der Maßstab ist, für das, was da kommen könnte, dann gute Nacht.

Gerade dachte ich, es hätte auch der hinterletzte Praktikant kapiert, dass es nicht wirklich innovativ daher kommt, wenn eine Blondine im Fernsehen Twitter-Sprüche vorliest, da kommen die aus der ARD-Youthcorner vorbei und stellen Twitter-Sprüche neben das miniaturisierte Bild. Die haben’s echt drauf. Wenn ich jung wäre, ich würde nur noch Eins Plus schauen, weil ich ja darauf hoffen könnte, dass wieder mal ein paar Twitter-Sprüche durchs Bild laufen. So was von hip sind die da.

Mal im Ernst. Auch das ist Jugenddiskriminierung. Wenn man junge Menschen für so blöd hält, dass man glaubt, ihnen so etwas vorsetzen zu können. Es sind Tage wie dieser Donnerstag, die mir nur die Wahl lassen zwischen Pest und Cholera. An solchen Tagen droht selbst ein so eifriger Gebührenzahler wie ich weich zu werden. Da finde ich einfach keine Argumente mehr, mit denen ich dieses System verteidigen kann. Traurige Tage sind das. Mitten im Karneval. Alaaf und Helau.