Wie allgemein bekannt sein dürfte, schrecke ich auch vor Drecksarbeiten nicht zurück. Ich schaue alles. Wenn es sein muss. Ja, es ist ein Scheißjob, aber irgendwer muss ihn machen. Sonst senden die ja ein Leben lang vor sich hin, und ich weiß nicht Bescheid oder habe nichts zu bemängeln. Mit uns Fernsehkritikerheinis ist es schließlich wie mit Rechtsanwälten. Die sind ähnlich schlecht drauf, wenn sie auf die „Wie geht’s“-Frage mit „Danke, ich kann nicht klagen“ antworten müssen.

Um es kurz zu sagen, ich habe „In aller Freundschaft“ geschaut. Yo, Mann. Deutschland erfolgreiche Serie um die Ärzte und das Personal der Sachsenklinik. Immer dienstags im Ersten. Höchst erfolgreich. Nach Quoten. Wer wäre ich also, würde ich da nicht hinschauen. Ich habe schließlich früher auch gerne „Dr. House“ geschaut, die erfolgreiche Serie um die Ärzte und das Personal einer anderen Klinik. Um es jetzt für ganz Tapfere mal ganz kurz zu formulieren: Es gibt da Unterschiede.

Der Vorteil bei „In aller Freundschaft“ allerdings ist. Man versteht die Serie auch, wenn man, sagen wir mal, 30 Jahre im Koma lag, auf Anhieb. Um es ganz positiv auszudrücken: Die Macher von „In aller Freundschaft“ haben ihre Serie quasi barrierefrei ausgestaltet. Damit auch niemand, dessen IQ aus welchen Gründen auch immer, nicht einmal die Raumtemperatur erreicht, ausgeschlossen wird. „In aller Freundschaft“ kapiert jeder. JEDER!!!

Das liegt natürlich vor allem an der Bildsprache. Die ist nicht deutlich. Die ist überdeutlich. Da ich das von früheren Zapp-Visiten schon wusste, habe ich mir die jüngste Folge einfach mal ohne Ton angeschaut. Das geht. Eine Dreiviertelstunde kann man auch mal Stille ertragen, dachte ich mir. Und siehe da: Das macht nichts, denn diese Bilder schreien.

Da wälzt sich gleich zu Beginn ein hübscher junger Mann in den Kissen. Er wirft den Kopf von der einen zur anderen Seite und dann wieder zur einen. Dazwischen erscheinen Bilder von einem verunfallten Auto und von einer Frau, die dieser junge Mann zu verarzten sucht. Dann wacht der junge Mann auf, weil eine andere Frau im Raum steht. Er ist schweißgebadet, und er schaut wie ein Kaninchen, das die Schlange direkt vor seinem Bau weiß. Jau, ein Alptraum wie er im Drehbuch steht. Da gibt es was zu bewältigen. Das sieht man auch ohne Ton sofort, denn auch weiterhin schaut der Mann verzweifelt in ein Nichts, obwohl Menschen auf ihn einreden. Als er dann aus dem Bild verschwindet, sind gerade mal zwei Minuten der Sendezeit rum, und davon hat der margarinenwerbungshafte Vorspann schon 40 Sekunden verschlungen.

Schnitt. Immer noch ohne Ton. Ein älterer Mann schaut sorgenvoll auf ein neues Logo, das gerade an einer Scheibe angebracht wird. „Klinikverbund“ steht da drauf. Ein anderer Mann tritt hinzu. Gemeinsam schauen sie auf das Logo, und ihre Gesichter verheißen nichts Gutes. Dann schauen sie sich noch einmal wissend an, und ein Lappen wischt das neue Logo glatt. Oho, wenn das mal nicht Probleme gibt.

Als Drittes ist dann ein Schild in der Bildmitte zu sehen. „Arzu Ritter, Pflegedienstleitung“ steht drauf, und eine junge Frau steckt es sich ganz stolz an ihr adrettes Blüschen. Vor dem Spiegel. Man weiß also gleich: Oha, da hat jemand eine neue Position ergattert. Prompt kommt der für Serien wie diese dringend erforderliche Dicke vom Dienst ins Bild und sagt ganz offensichtlich etwas Besorgtes. Aber sie entkräftet seine Bedenken, indem sie ihm die Brust mit dem Schildchen entgegenreckt. Soll heißen: Ich mach das schon. Dann lachen beide befreit, und der Zeitzähler steht bei zwei Minuten fünfzig.

Man kann zu diesem Zeitpunkt bereits abschalten, denn man weiß, dass es in dieser Folge um die Alpträume des jungen Mannes und um die Überforderung der Pflegedienstleiterin gehen wird. Außerdem verheißt das mit dem Klinikverbund nichts Gutes.

Ich habe mir die Folge dann noch einmal mit Ton angeschaut, und siehe da: Sie hatte in den Bildern der ersten drei Minuten nicht zu viel versprochen. Alles kam so wie ich es geahnt hatte. Der junge Mann war dann Arzt, der nach einem möglichen Fehler an seinen Fähigkeiten zweifelte, am Schluss aber ein Baby per genialer Operation rettete, und die Pflegedienstleiterin hielt der Aufgabe, 30 Prozent einzusparen, tapfer stand. Zwischendrin kamen dann noch die beiden Logo-Betrachter ins Spiel und sonderten mahnende Worte ab. Mehr war nicht. Echt nicht.

Um es mal zusammenzufassen: Gegen „In aller Freundschaft“ wirkt jede Sendung mit der Maus wie ein philosophisches Oberseminar. Das ist gut, dass es so etwas gibt, das ist auch im Interesse der Gesundheitspolitik. Ich denke, dass so manche Heimapotheke riesige Mengen an Beruhigungsmitteln einspart, wenn „In aller Freundschaft“ läuft. Wer braucht Valium, solange es die ARD gibt.

In der nächsten Woche werde ich meinen Selbstversuch übrigens ausweiten. In der Mediathek steht „In aller Freundschaft“ noch in zwei Versionen parat. Mit Untertiteln und dann auch noch als Hörfassung. Tue ich mir beide an, und dann schlafe ich sehr lange. Sehr lange.