Vorsicht bitte, es herrscht Lebensgefahr. Es rumort unter der Oberfläche. Jeden Moment kann das Schlimmste geschehen. Es kann tödlich enden. Es ist unfassbar. Angst und Sorgen machen sich breit. Nicht auszudenken. Man muss auf alles gefasst sein, vor allem auf das Schlimmste. Es ist kein Einzelfall, und es ist gefährlich. Sagte ich schon, dass es gefährlich ist? Ach ja, ich sagte schon, dass es gefährlich ist, aber man kann das nicht oft genug sagen. Es ist gefährlich. Was? Alles. Das Leben sowieso. Vor allem aber das Fernsehen. Willkommen bei „Terra XPress“.

„Terra XPress“ ist so etwas wie die kleine schnelle Schwester von „Terra X“, so etwas für den schnellen dokumentarischen Hunger zwischendurch. Gelegentlich kann man bei „Terra XPress“ ganz nette Filmchen sehen. Nichts wirklich Weltbewegendes, aber auch nichts, was einen nachhaltig verstören könnte. Bis auf manchmal.

Am vergangenen Sonntag war wieder so ein manchmal-Moment. Da gingen bei den Mainzer Machern alle Gäule durch. Auf einmal war für eine halbe Stunde alles gefährlich. Alles? Wirklich alles.

Schon in der ersten Minute macht sich ein Schild auf dem Bildschirm breit. „Lebensgefahr“ steht da drauf. Und dann sagt auch jemand, was für den gerade tätigen Archäologen am Rügener Kreidefelsen herrscht: Lebensgefahr.
„Menschen können hier 90 Meter in die Tiefe stürzen“, heißt es raunend aus dem Off, und irgendjemand sagt „tödlich“. Es geht um Erdrutsche und um die Gefahr, die von ihnen ausgeht. Darüber kann man berichten. Man kann auch berichten, dass solche Erdrutsche Gefahren mit sich bringen. Man kann allerdings offensichtlich die ganze Angelegenheit prima boulevardesk zur Menschheitsbedrohung hochjazzen, kann am laufenden Band Not und Elend beschwören.

Beinahe hysterisch suhlt sich der Off-Sprecher in dem, was passiert ist und in dem, was passieren könnte. Wenn sich etwa ein paar Archäologen am Kreidefelsen abseilen, wird sofort Alarm geschlagen. „Gerade die letzten Meter an der Klippe sind die riskantesten“, heißt es, und man sieht besonnene Männer, die mit allen notwendigen Sicherheitsvorkehrungen vertraut scheinen. Aber der Gedanke, dass die Männer möglicherweise wissen, was sie tun, ist „Terra XPress“ fremd. Auch wenn die Chance, dass die Kletterer abstürzen in etwa so groß ist wie die, von einem aus der ISS-Raumstation abstürzenden Kaktus getroffen zu werden, hält „Terra XPress“ drauf.

Kurz danach geht es nach Sachsen, wo sich zwischen zwei Wohnhäusern ein großes Loch auftat. „Unfassbar. Das Erdreich sackt einfach weg“, sagt zwischendrin der Überleitungsansager Dirk Steffens, bevor die Off-Stimme wieder in die Vollen gehen darf. „Das Loch wird stündlich größer“, sagt sie und erzählt vom „Alptraum eines Lebens am Abgrund“.

Weil die Anwohner irgendwann mal eine Gartenparty gefeiert haben, wo jetzt das Loch klafft, suhlt sich „Terra XPress“ in der Spekulation. „Nicht auszudenken, wenn der Garten mit all den Menschen genau an der Stelle schlagartig eingebrochen wäre.“ Jau, so geht das mit der Panik. Nicht auszudenken, wenn diese Sendung mal das lustvolle Zelebrieren von Angstgefühlen einfach so getauscht hätte gegen sachliche Berichterstattung.

„Mittlerweile machen sich die Anwohner auf das Schlimmste gefasst“, heißt es, und dann kommt ein Bergbauingenieur. Spannung wird geschürt. Ein Rückschlag für die Hoffnung auf Rettung der Häuser wird eingebaut. „Kurz darauf heißt es: „Schlechte Nachrichten“, als ein Bergbauingenieur in der Grube herumkrabbelt. „Für die Familien geht es um alles oder nichts.“ Jo, schon klar. Alles oder nichts. Kann man da nicht mal eine Show draus machen?

Sekunden später dann Entwarnung. Riesige Erleichterung macht sich breit. In Sachsen. Nicht aber beim Frauchen von Foxy. Foxy ist ein blöder Köter, und der ist in einem Fuchsbau verschwunden. „Ich mach mir ganz große Sorgen“, sagt die Rentnerin, als das THW nach ihrem Liebling gräbt. „Dramatischer Wettlauf mit der Zeit“ heißt es. Was, wenn ein Dachs kommt und den Köter einmauert? Es geht um alles.

Dann die Erlösung. „Wie durch ein Wunder ist Foxy unversehrt.“ Aber wir wären ja nicht bei „Terra XPress“, wenn da nicht noch ein Nachklapp fällig wäre. Schon vorher hatte das Off die Kosten der Bergung beschworen. Rund 10 000 Euro waren in einem anderen Fall fällig. Nun steckt die Rechnung im Briefkasten der Rentnerin. Wird es sie ruinieren? Der Atem stockt. Droht der persönliche Absturz? Dann naht der Moment der Wahrheit. Sie muss über 800 Euro zahlen, was nach „Terra XPress“-Rechnung drei Monatsrenten sind. Bevor man sich noch fragt, wie das gehen kann, ist die Besitzerin des Köters im Bild, und das Off pilchert das Happyend zurecht. „Doch das ist er ihr wert“, heißt es, bevor dann noch andernorts ein Bagger umkippt und ein Haus beschädigt. Natürlich ist das sofort vom Einsturz bedroht. Also bei „Terry XPress“, nicht in echt.

Irgendwann erwischt man sich bei schlechten Gefühlen. Man stellt sich vor, was man den Machern für diese plumpe Quotenheischerei wünscht. Es ist nichts Schönes. Oder um es mal mit dem Worten von „Terra XPress“ zu sagen: Lebensgefahr, gefährlich, Katastrophe.