Ich habe ein neues Berufsziel. Ich will jetzt Facebook- und Twitter-Journalist oder wie immer man das nennt werden. Das stelle ich mir ganz wunderbar vor. Ich muss dann nicht mehr raus. Ich hocke den ganzen Tag auf der Couch oder am Schreibtisch und schaue mir an, was sich so alles in den sozialen Netzwerken verfängt. Im Prinzip bin ich Fischer, ein Meldungsfischer, der nach allem greift, was irgendwie interessant zappelt. Nur ist meine Haut nicht vom Meeressturm gegerbt, sondern eher von lauter Wollmausflaum ganz blass gebleicht.

Habe ich so etwas Zappelndes im Netz gefunden, kombiniere ich es mit ein paar Reaktionen darauf, die als Beifang immer in der Nähe herumdümpeln. Das Ganze haue ich dann als eigenen Artikel raus. Das ist sehr, sehr leichte Arbeit, das könnte notfalls auch meine Schreibtischlampe. Aber mir doch egal. Hauptsache, mein Name steht obendrüber.

Man muss natürlich wissen, wem man bevorzugt folgt. Jan Böhmermann ist immer ein guter Fang. Böhmermann postet ja in seinen Hyperaktivitätsphasen so viel wie andere Leute schwitzen. Also packe ich seine Posts zusammen, und zwischen den einzelnen Posts erzähle ich dann, was in den einzelnen Posts steht. Printed Internet for the very stupid. Da drüber schreibe ich dann „So wird Böhmermanns neue Sendung“, und fertig ist die Laube. Funktioniert fast jede Woche, bringt massenweise Klicks und bestätigt mich und die Welt in dem Glauben, dass ich ein großer Journalist bin, auch wenn ich nur Facebook und Twitter nacherzähle.

Dass ich wirklich nicht viel mehr tue als mich im Netz zu bewegen und nach Fang Ausschau zu halten, kriegt sowieso kaum einer mit. Meine Chefs schon gar nicht. Und die Leser ohnehin nicht. Die fallen halt viel zu gerne rein auf knallige Überschriften der Marke „Jetzt spricht“ oder „Jetzt bricht sie ihr Schweigen“. So was zieht immer, weil es ja impliziert, dass irgendwer bis dahin nicht gesprochen oder gebrochen hat. Was auch immer.

Zugegeben, bei Böhmermann funktioniert das zweitweise nicht ganz so optimal, weil der ja netztechnisch unter Twitterrhö leidet. Wobei leiden vielleicht das falsche Wort ist, wenn man sieht, wie er das Suhlen im eigenen Erguss genießt. Würde man da „Jetzt spricht Böhmermann“ titeln, wäre der Reiz der „Jetzt“-Behauptung rasch als das entlarvt, was das Versprechen natürlich ist, ein einziger Fake.

Für „Jetzt spricht“ muss es schon jemand sein, der auch mal zwei, drei Tage auf Facebook-Diät war. Gerne genommen werden da prominente Menschen, die gerade von einem Shitstorm überrollt wurden oder denen man irgendwas Abstruses unterstellt hat, und die sich nun im Netz dazu äußern. Da kommt „Jetzt spricht“ immer gut. Ist ja auch nichts Falsches dran, außer vielleicht der Tatsache, dass „Jetzt schreibt“ oder „Jetzt tippt“ die etwas ehrlichere Schlagzeile wäre.

Wer mich für solches Tun kritisieren will, wer sagt, dass ich doch insgeheim suggeriere, ich hätte mit den Zitierten selbst gesprochen. Damit sei ich strenggenommen ein Betrüger. Solche Mäkler verkennen indes, dass ich in Wahrheit den Menschen doch etwas Gutes tue. Ich erspare Ihnen, sich 20-minütige Böhmermann-Periscope-Übertragungen anschauen oder Facebook-Account irgendwelcher DSDS-Relikte überwachen zu müssen, was ehrlich gesagt schon mal sehr nervig sein kann und sehr langweilig.

Ich erspare den Menschen diese Langeweile. Sie können Böhmermann theoretisch entfolgen und entfreunden und sich damit viel Zeit ersparen. Das, was wichtig ist, liefere ich ja. Ich bin der Zwischenhändler der Nichtigkeiten, der Verwalter der Leere, der focusierteste Passagier im Bildexpress.

Damit werde ich so berühmt, dass eines Tages einer kommt und schreibt „Jetzt spricht Hans Hoff“. Dann habe ich es geschafft.