Herr Bracher, lässt sich die Fußball-Berichterstattung eigentlich neu erfinden? 

Nein, neu erfinden lässt sie sich nicht. Aber gehen wir mal neun Jahre zurück. Da sind wir mit DAZN angetreten und haben tatsächlich ein paar Sachen neu gedacht. Wir haben beispielsweise den Experten neben den Kommentator gesetzt. Das war damals in Deutschland echt ungewöhnlich – heute machen das fast alle so. Außerdem duzen wir unsere Zuschauerinnen und Zuschauer bis heute, was ebenfalls viele Sender übernommen haben. Im Mittelpunkt steht aber der Fußball. Den wollen und werden wir nicht verändern. 

Gilt das auch für die Samstagskonferenz, die nach 25 Jahren bei Sky ab der neuen Saison zu DAZN wechseln wird?

Sky hat über all die Jahre einen herausragenden Job gemacht. Den werden wir fortführen und versuchen, ihn idealerweise sogar noch besser zu machen. Natürlich gibt es Ideen, wie wir an kleinen Stellschrauben drehen können. Das Wichtigste aber wird bleiben: "Tor in...!" 

Sie spielen auf den obligatorischen Torschrei an.

Der Torschrei ist ikonisch – und selbstverständlich wollen auch wir unsere Kommentatorinnen und Kommentatoren schreien lassen. Darüber hinaus ist es unser Ziel, einen Tick schneller zwischen den Spielen zu schalten als bisher. Wir wollen den Fans einen noch größeren Mehrwert bieten, indem sie schneller bei Freistößen, Eckbällen oder gefährlichen Standardsituationen mit dabei sind. Die Dynamik und Spannung soll sich so erhöhen. Davon lebt die Konferenz schließlich am meisten. 

Die Dynamik der Konferenz wurde in den vergangenen Jahren allerdings häufig durch die sehr zähen Videobeweise gestört. Wie gehen Sie damit um?

In solchen Fällen, aber auch bei Elfmetern, wollen wir verstärkt mit Splitscreens arbeiten. Es ist für die Fans sicherlich nicht das allerspannendste, wenn der Schiri dem Torwart noch einmal die Regeln erklärt. Das lässt sich auch im kleinen Fenster zeigen. Wir werden uns in den ersten Wochen langsam rantasten und proben bis zum Saisonstart bereits fleißig. 

 

"Als Fan möchte ich mich doch zurücklehnen und nicht die ganze Zeit selbst Regie führen müssen."

 

Sky wird am Samstagnachmittag weiterhin die Einzelspiele übertragen und hat eine Art personalisierte Konferenz angekündigt. Haben Sie nicht die Sorge, dass viele Fans aus Gewohnheit einfach bei Sky bleiben werden? 

Da mache ich mir überhaupt keine Sorgen, denn das ist kein Konferenz-Ersatz. Die Konferenz lebt von Emotionen, die von den Kommentatoren in die Wohnzimmer transportiert wird. Als Fan möchte ich mich doch zurücklehnen und nicht die ganze Zeit selbst Regie führen müssen. Auch Spiele dauerhaft auf kleinen Kacheln im Splitscreen zu verfolgen, macht keinen Spaß. Das wird der überwiegende Teil der Fans sicherlich nicht machen. Ich spreche da aus Erfahrung, denn das Feature ist keinesfalls neu. Während meiner Zeit bei der Telekom für Liga total haben wir genau damit in der Bundesliga experimentiert. Die Wahrheit ist: Es hat damals fast keiner genutzt. 

Sie werden im Unterschied zu Sky mit ihren Moderatoren künftig aus dem Stadion senden. Was sprach gegen das Studio?

Als Alice Mascia, unsere CEO, mich im Dezember anrief und mir erzählte, dass wir die Konferenz-Rechte bekommen haben, war mir sofort klar, dass wir ins Stadion gehen werden. Das ist einfach unsere DNA und hilft uns dabei, näher am Geschehen zu sein. Aus welchem Stadion wir senden, entscheiden wir mit einem recht kurzen Vorlauf – je nach Attraktivität der Partien und der Tabellenkonstellation. Gleichzeitig haben wir allerdings trotzdem ein Studio, in dem die Konferenzkommentatoren sitzen werden und von dem wir jeden Samstag ab 14 Uhr senden werden. Das wird sich dadurch auszeichnen, dass sich unsere Kommentatorinnen und Kommentatoren sehen können. Davon erhoffen wir uns eine noch bessere Interaktion untereinander.

Die komplexeren TV-Verträge haben zuletzt ein Stück weit dafür gesorgt, dass die Top-Klubs häufig nicht mehr samstags um 15:30 Uhr spielen. Kann das auf Dauer zum Problem für die Attraktivität der Konferenz werden?

Ich sehe das entspannt, gerade im Hinblick auf die kommende Saison, in der mit dem HSV und dem 1. FC Köln zwei Vereine mit einer unfassbaren Popularität zurückkehren. Um den Samstagnachmittag mache ich mir deshalb keine Sorgen, weil wir definitiv immer große Klubs mit dabei haben werden, für die sich die Fans interessieren. 

Sie haben vor der Saison den Vertrag mit Laura Wontorra verlängert. Wo wird sie künftig zum Einsatz kommen? 

Laura wird die Konferenz, die Bundesliga am Sonntag und die Champions League machen. An den ersten beiden Spieltagen ist sie am Samstagnachmittag zusammen mit Sami Khedira im Einsatz, der auch richtig Bock auf die Konferenz hat. Michael Ballack fokussiert sich lieber auf Einzelspiele, ist daher also sonntags und unter der Woche an der Seite von Laura zu sehen. Auch dort wollen wir künftig noch häufiger als bisher aus dem Stadion senden. Und wir haben natürlich auch weiterhin Sebastian Kneißl und Tobi Schweinsteiger, die ebenfalls bei der Konferenz zum Einsatz kommen werden.

Allzu viel Verstärkung haben Sie nicht benötigt, oder?

Wir haben uns durchaus verstärkt – und das war auch wichtig, um alle Zielgruppen ansprechen zu können. Tatsächlich haben wir ganz viele positive Kommentare auf Social Media erhalten, als wir die Verpflichtung von Robby Hunke und Florian Malburg bekanntgegeben haben. Beide sind als Stimmen der Baller bzw. Icon League gerade in der jüngeren Zielgruppe sehr beliebt und sollen in unserer Konferenz für einen neuen Sound sorgen – mit einem moderneren Zungenschlag, aber ohne die älteren Fans zu verschrecken. Mit Nils Petersen kommt zudem noch ein erfahrener Bundesliga-Profi und Nationalspieler als Experte dazu.

Müssten Sie sich nicht ohnehin mehr um die älteren Fans bemühen, die mit Streaming im Allgemeinen und DAZN im Speziellen vielleicht noch nicht so vertraut sind?

Tatsächlich haben wir in unseren Reihen auch zahlreiche Kommentatoren, die eine große Erfahrung mitbringen, wie zum Beispiel Oliver Forster, der zu den bekanntesten Stimmen des Sportfernsehens zählt. Ihn wollen wir mit unseren Top-Kommentatoren wie Jan Platte und Marco Hagemann oder den bereits genannten Neuzugängen Hunke und Malburg zu einem Aushängeschild unserer Konferenz machen. Ich bin davon überzeugt, dass unsere Mischung stimmt. 

Herr Bracher, vielen Dank für das Gespräch.