Frau van Almsick, ich bin ein Journalist und Sie sprechen trotzdem mit mir. Was sagt das über Sie als Person des öffentlichen Lebens aus?
(lacht) Na, dass ich kein Problem damit habe, mit Journalisten zu sprechen. Das hatte ich auch noch nie. Ich finde es schön, wenn sich Menschen für das, was ich tue, interessieren, mit oder ohne Presseausweis. Oder was meinen Sie denn?
Dass Ihre Erfahrungen mit der Presse in den Neunzigerjahren so negativ waren, dass Sie sie seither meiden…
Ach, das ist jetzt 30 Jahre her und mir geht’s wirklich gut, glauben Sie mir. Daher freue mich doch eher darüber, dass Sie sich für mich und diese Dokumentation interessieren. Ich bin mit der Zeit von damals wirklich versöhnt.
Also nicht nur mit damit, kein olympisches Gold gewonnen zu haben, wie Sie Ende der dritten Folge einräumen?
Nein, auch mit der Presse. Und wir hatten ja nicht nur schlechte Zeiten miteinander, sondern auch gute. Dort, wo ich heute stehe, mit diesem Bekanntheitsgrad, würde ich ohne sie ja nicht stehen, und könnte entsprechend keine Charity-Projekte mit meinem Namen unterstützen, die mir wichtig sind. In der Medienbranche herrscht immer ein Geben und Nehmen. Da habe ich anfangs vielleicht ein bisschen viel eingesteckt.
Insbesondere von der Boulevardpresse wie „Bild“ oder „B.Z.“, die Ihnen regelmäßig bis tief unter die Gürtellinie eingeschenkt haben. Stichwort „Franzi van Speck“. Sogar mit denen sind Sie im Reinen?
Das, was passiert ist, lässt sich nicht ungeschehen machen. Ich habe aus all dem aber gelernt. Heute findet mein mir wichtiges Privatleben außerhalb der Öffentlichkeit statt.
Hat diese Gelassenheit auch mit Ihrer Persönlichkeitsstruktur zu tun?
Ich bin jedenfalls kein nachtragender Mensch. Eher ein realistischer. Und ich kann gut reflektieren und schaue auch bei negativen Berichten: was könnte daran wohl stimmen? Vielleicht sind deshalb ja eher die positiven Aspekte der Berichterstattung bei mir hängengeblieben. Damals war eben einfach eine andere Zeit. Und wir hatten auch viel Spaß miteinander. Ich war ja schon damals ein etwas anderer Typ als viele andere im Rampenlicht.
Inwiefern?
Ich bin in der DDR aufgewachsen, da zählte nur der sportliche Erfolg, nicht Geld oder Ruhm Alles, was darüber hinaus passiert ist, ist einfach passiert. Natürlich gab es dafür irgendwann ein Management, Werbeverträge und alles. Aber ich habe lieber meine Ruhe und bin bis heute keine Rampensau.
So gesehen hatten Sie ja geradezu Glück, in der analogen Medienwelt großgeworden zu sein. Für Facebook und TikTok wären Sie förmlich ein Schlachtopfer gewesen!
Absolut. Ich bin auch deshalb heute nur dann in den sozialen Medien unterwegs, wenn es um meine Projekte geht. Der Umgang dort ist oft schnelllebig, laut und wenig nachhaltig, das war nie meine Welt. Umso schöner ist es, wenn man mich heute in einem Atemzug mit Sportgrößen wie Boris Becker, Steffi Graf, Jan Ulrich oder Michael Schumacher nennt.
Wobei die Öffentlichkeit eher über diese Stars redet als mit ihnen. Holen Sie sich mit dieser Dokumentation auch ein Stück weit Kontrolle übers eigene Narrativ zurück?
Das war jedenfalls nicht meine Motivation, denn wer mit meinem Namen noch was anfangen kann, hat ohnehin meist eine feste Einstellung zu mir. Die ARD ist mit der Doku übrigens auf mich zugekommen, nicht umgekehrt. Das Ergebnis gefällt mir aber ausgesprochen gut. Und es ist nicht nur ein Porträt von mir, sondern eines der damaligen Zeit. Die war zwar in vielerlei Hinsicht völlig anders als heute, bringt aber dieselben Lehren hervor.
Welche wären das?
Das Leben ist für die Wenigsten ein Zuckerschlecken. Und hinfallen ist völlig okay, solange man wieder aufsteht. Niederlagen gehören gerade im Sport unwiderruflich dazu. Wer wirklich Erfolg haben will, muss deshalb weitermachen. Immer weitermachen.
Lernen wir darüber hinaus etwas in der Serie über Sie, was die Öffentlichkeit bis dato nicht wusste?
Das müssten sie mir sagen. Ich glaube aber, wer mich über all die Jahre begleitet hat, wird keine großen Überraschungen erleben.
Haben Sie denn selber etwas Neues über sich erfahren?
Am ehesten vielleicht, wie reflektiert und am Ende auch entspannt ich schon als Teenager oft war und wie viel ich damals verkraften konnte. Vielleicht bin ich auch deshalb so versöhnt mit mir und meiner Karriere.
Was würden Sie Neulingen beim Umgang mit Medien heutzutage denn mit auf den Weg ins Rampenlicht geben?
Authentisch zu bleiben, auch wenn das Mut erfordert. Wie sagte meine Mutter so schön: Wer mit den Medien rauffährt, fährt auch wieder runter. Sich und anderen dabei nichts vorzuspielen, ist natürlich ein Risiko, weil es angreifbarer macht. Trotzdem ist Authentizität mit einer gesunden Portion Vorsicht besser, als in der Öffentlichkeit Masken zu tragen. Das merkt man nämlich ganz genau.
Frau van Almsick, vielen Dank für das Gespräch.
Die dreiteilige Dokuserie "Being Franziska van Almsick" steht ab sofort in der ARD-Mediathek. Das Erste zeigt die erste Folge am Dienstag, 9. September um 22:50 Uhr auch linear.