Bastian PastewkaUnd das wäre?

Der Deutsche Fernsehpreis ist meiner Ansicht nach zu sehr im Würgegriff der Boulevard-Medien. Meist überfallen dort blonde Vanessas von "Radio Pille-Palle", weil ihre Chefs es Ihnen befehlen, die Gäste mit Fragen wie: "Mal im Ernst, sie freuen sich doch auch nur auf die Aftershow-Party, da kann man doch crazy tanzen!" Ganz ernsthaft: Nichts ist uninteressanter als Aftershowpartys! Ein Grund den Deutschen Fernsehpreis zu moderieren war auch, dem sogenannten Roten Teppich fernbleiben zu können. Als Anke Engelke und ich mit der Show fertig waren, sind wir in die Garderoben gegangen, haben uns da von unseren Maskenbildnerinnen abschminken lassen und sind sofort nach Hause gefahren. Ich war um 23 Uhr daheim und habe ich mir den Schluss der Verleihung noch gemütlich zuhause vorm Sofa live im Fernsehen angeschaut. Einfach mal nichts zu etwas sagen. Herrlich! So wie in diesem Interview gerade (lacht).

Och, wir haben Zeit...

Letztes Jahr kam noch bevor ich in den Saal des Fernsehpreises gelangen konnte, eine Mitarbeiterin einer Boulevard-TV-Sendung zu mir und fragte mich zuerst, wie mein erstes Mal war und dicht darauf: "Was halten Sie vom Krebs von Patrick Swayze?". Das war wortwörtlich die Frage, abgelesen von der Rückseite eines Bierdeckels. Ja hallo, was hält man wohl davon, wenn ein Mensch Krebs hat? Das ist das Fernsehen, das mich ankotzt, das mich über Gebühr wütend macht.
 
 
 
In der Tat merkwürdig, wer da manchmal rumläuft. Manchmal wird offenbar nur der Promi-Auflauf genutzt um alle möglichen Umfragen zu starten...

Ich habe ja grundsätzlich nichts gegen Themen wie: Die schönsten Kleider, der heißeste Klatsch und Tratsch - soll es ja meinetwegen geben. Aber man merkt doch Jahr für Jahr: Die meisten beschäftigen sich mehr damit als mit den nominierten Personen, Filmen oder Formaten. Wichtiger scheint es zu vermelden, was es zu essen gab und wie hoch die Flirtchancen waren. Das ist mir, dem Zuschauer Bastian Pastewka, einfach zu wenig. Ich war 1998 am Tag bzw. der Nacht der Oscar-Verleihung zufällig gerade in Dublin und habe die Show nachts im Hotel in der BBC gesehen. Da saßen fünf ältere Herren - es sah fast aus wie der frühere "Internationale Frühschoppen" - im Halbkreis und unterhielten sich vor der Verleihung und in den Werbepausen ausschließlich über den Verlauf der Show und die vergebenen Preise - und mit was für einer Leidenschaft da gestritten wurde ob dieser oder jener Preis berichtigt war. Da saß ein Filmjournalist, der sich so sicher war, dass Helen Hunt keinen Oscar für "Besser geht's nicht" bekommt, weil sie als Sitcom-Girl verschrien sei, dass er beinahe das Studio verlassen hätte als sie dann tatsächlich einen Oscar gewann. So wünsch ich mir das!

Und warum machen Sie das nicht für ProSieben?

Ich habe ProSieben indirekt angeboten, im Schlepptau mit Oliver Kalkofe und Oliver Welke, so eine Live-Diskussionsrunde zu den Oscars zu machen. Es ist uns nicht gelungen.

Schade. Mehr Leidenschaft wäre wünschenswert.

Wer soll dem Publikum übel neben, wenn es nicht viel vom Fernsehen hält, wenn manche Macher selbst nicht wissen, was sie noch von ihrem Medium halten sollen? 

Woran krankt das deutsche Fernsehen denn momentan Ihrer Meinung nach?

Für mich verliert das Fernsehen, wenn wir von sogenannter Fiction reden, gerade ein sehr wichtiges Element. Nämlich: "Die kleine Geschichte von nebenan“. Es scheint, als würden nur noch Krimis gedreht werden, oder jene TV-Filme, in denen wahlweise der 2. Weltkrieg eine Rolle spielt, die Politik der Nachkriegszeit oder in denen die Mauer entweder gebaut wird oder wieder fällt. Es sind zwischenmenschliche Dramen vor der Folie einer meist nationalen Katastrophe. Und es hat mich gefreut, dass der Jury des Deutschen Fernsehpreises vor zwei Jahren mal eine Überraschung geglückt ist: 2007 hat mit "Rose" mit Corinna Harfouch ein Außenseiter den Fernsehpreis als besten TV-Film erhalten und sich u.a. gegen den auf Erfolg getrimmten Event-Zweiteiler "Die Flucht", durchgesetzt. "Rose" war eben ein großer kleiner Film; eine wahrhaftige warmherzige Familien-Geschichte, wunderbar geschrieben und beobachtet, 90 Minuten vergingen wie 30.  Aber wo sind die Geschichten, die ohne das Drama, einen Mord oder den Soap-Anstrich auskommen? Da muss es doch welche geben.