Ist das monothematische Nachrichtenfernsehen in Deutschland eigentlich ein attraktives Geschäft?

Fakt ist, dass sich das Nachrichtenfernsehen als Ganzes oder besser: als Genre etabliert hat. CNN war der erste Nachrichtensender, der einen globalen Ansatz hatte, inzwischen gibt es BBC World, SkyNews, France24, Al Jazeera. Und wenn man nur mal Deutschland betrachtet: Wir konnten in den letzten Tagen Marktanteile erzielen, die in bestimmten Zeiten auch mit den Öffentlich-Rechtlichen mithalten konnten. Am ersten Wochenende nach dem Beben hatten N24 und n-tv zeitweise über zehn Prozent Marktanteil in der Zielgruppe. Am Sonntag haben rund elf Millionen Zuschauer N24 eingeschaltet. Das wäre vor vier oder fünf Jahren undenkbar gewesen. Wir bedienen offensichtlich ein relevantes Interesse in der Gesellschaft.

Mit anderen Worten: Das deutsche Nachrichtenfernsehen habe seine Existenzberechtigung demonstriert, die manchmal abgesprochen wurde?

Wir waren zeitweise durch die dramatische Nachrichtenlage beim Zuschauer ähnlich nachgefragt wie mancher Fernsehsender, der zur zweiten Sendergeneration gehört. Das heißt auch, dass das TV-Publikum die Differenzierung im Fernsehmarkt akzeptiert und nutzt. Gleichzeitig muss man sich die Frage stellen, ob man private Nachrichtensender und –sendungen vom Gesetzgeber her nicht mehr fördern und unterstützen sollte. Man darf nicht vergessen, wir konkurrieren auch gegen die öffentlich-rechtlichen Spartenangebote und deren große Nachrichtenapparate und die sind über Gebühren ganz anders alimentiert als wir.

Also etwa die kürzlich diskutierten Anreizsysteme für Informationsprogramme bei privaten Sendern bei gleichzeitiger Lockerung der Rahmenbedingungen?

Es ist für die privaten Sender tatsächlich ein Problem, dass man Nachrichten nicht durch Werbung unterbrechen darf. Das begrenzt die Zeit für Nachrichtenprogramme, weil sich ein privates Unternehmen natürlich die Frage stellen muss, wie man solche Inhalte refinanziert. Das war ja letztlich auch der Grund dafür, dass ProSiebenSat.1 die Kosten für die Nachrichten reduzieren und damit die Verluste der Gruppe in diesem Bereich entsprechend begrenzen wollte. Wenn es bessere Refinanzierungsmöglichkeiten gäbe, wäre es gut möglich, dass die Sender mehr in Nachrichten und Informationen investieren würden. Und nebenbei bemerkt hielte ich das sowohl als Produzent wie auch persönlich für richtig.

Zurück zur aktuellen Nachrichtenlage und der Katastrophe in Japan. War die umfangreiche Berichterstattung auch der öffentlich-rechtlichen Vollprogramme für Sie hilfreich oder hinderlich?

Wenn eine ganze Gesellschaft und eine ganze Medienlandschaft sich auf ein Ereignis konzentriert, profitieren natürlich gerade die Anbieter, die in der Lage sind, rund um die Uhr zu berichten. Das ist aber natürlich nur punktuell und pegelt sich dann wieder auf dem Normallevel ein. Gleiches gilt übrigens auch für N24.de – sogar überproportional. Hier hatte sich die Nutzung mehr als verzehnfacht.

Die Dauerberichterstattung wirkte über alle Medien hinweg leider teilweise so als wenn man sich die Kernschmelze beinahe herbeiwünschen. Das war schon manchmal befremdlich...

Da würde ich uns und auch die anderen berichtenden Kollegen in Schutz nehmen. Wir haben über Tage hinweg widersprüchliche Informationen erhalten, was eigentlich vor sich geht. Das fing beim sich widersprechenden Regierungssprecher an und reichte bis zu den Experten, die die Situation von außen auf Basis der Messwerte einschätzten. Wir haben vor Ort in Tokio Christoph Wanner, der das schon immer vergleichsweise abgeklärt kommentiert und eingeschätzt hat, was nichts am Ernst der Lage ändert, aber verdeutlicht, dass man mangels klarer Fakten vor allem auf Einschätzungen angewiesen ist. Und ich würde rückblickend sogar so weit gehen zu behaupten, dass diese widersprüchliche Kommunikation der japanischen Regierung Taktik war.

Wie meinen Sie das?

Es könnte eine Panik verhindert haben. Man muss ja sehen: Da sind im Grunde sechs Reaktoren völlig zerstört worden, da tritt seit Tagen Radioaktivität in einem gesundheitsschädlichen Maße aus, das vorher undenkbar gewesen ist. Und trotzdem ist immer noch der Eindruck da, dass der Super-GAU eigentlich noch nicht stattgefunden hat; dass dort immer noch Menschen arbeiten und das Schlimmste verhindern wollen und dass es eigentlich immer noch vergleichsweise glimpflich ausgehen könnte. Aber es handelt sich um die größte Atom-Katastrophe seit Tschernobyl.

Anfang des Jahres sah es nicht so aus als wäre 2011 ein nachrichten-reiches Jahr. Keine Großereignisse etc. Und jetzt die Revolutionen in Nordafrika, diese verheerende Naturkatastrophe. Schlagen da nicht zwei Herzen in Ihrer Brust? Eines wünscht sich ein bisschen mehr Ruhe, das andere sagt, für's Geschäft war's gut?

Ich bin von Haus aus Journalist, und wir haben eine Belegschaft, die zu vier Fünfteln aus Journalisten besteht. Es ist unser Job, jedes Ereignis mit großer Professionalität aufzuarbeiten. Mich erinnert das an 2005. Weihnachten 2004 gab es den Tsunami in Indonesien. Dann beschäftigte uns der Tod des Papstes. Es gab vorgezogene Bundestagswahlen, und am Ende verwüstete auch noch der Hurrikan Katrina New Orleans. Das war aus Nachrichtensicht ein spannendes Jahr. Solche ereignisstarken Jahre führen dazu, dass sich Nachrichtenfernsehen immer stärker etabliert. Verstehen Sie mich nicht falsch, aber für einen Nachrichtensender ist ein nachrichtenstarkes Jahr immer ein gutes Jahr.

Herr Rossmann, herzlichen Dank für das Gespräch