Herr Hörner, braucht man eine 100 Tage-Schonfrist, wenn man einen Sender übernimmt den man als Programmplaner schon sehr gut kennt?

Schonfrist hatte ich hier im Konzern noch nie (lacht). Aber wenn Sie mir 100 Tage einräumen wollen, wäre ich sehr froh darum. Natürlich braucht es mindestens diese 100 Tage bis man seine eigene Handschrift in einem Sender erkennen kann, weil man mit den ja noch längeren Produktionsvorläufen im TV-Geschäft immer erst einmal die Arbeit des Vorgängers erbt.

Und wie sieht das Erbe aus?

Zum Glück habe ich von Thilo Proff einen Sender übernommen, der im Fernsehmarkt gut da steht. Es gibt nicht viele Baustellen - und die sind schon klar adressiert und erkannt.

Welche Baustellen sind das?

Wir arbeiten, das ist in der Branche ja kein Geheimnis, an Pilotierungen für eine neue Daytime. Weil ProSieben nach meinem Verständnis hier eine Programmierung braucht, die der Flughöhe des Senders gerecht wird. Wir wählen dabei einen anderen Weg als RTL. Die Kollegen haben, wie sie ja wissen, knapp drei Jahre experimentiert bis sie den Erfolg gefunden haben, der uns im Umkehrschluss Probleme bereitet hat.

Wobei ProSieben am Nachmittag ja auch unter dem Label „We are family“ alles Mögliche getestet hat...

Ja, das stimmt.

Also war RTL einfach erfolgreicher?

Sehe ich nicht so. Das war drei Jahre lang eine schmerzliche Phase mit vielen verschiedenen Ausflügen, die man heute, wo der Erfolg gefunden wurde, gerne mal vergisst. Wir haben erst einmal zur Überbrückung am Nachmittag auf Lizenzformate gesetzt, was uns mit Blick auf die Marktanteile erst einmal etwas absichert. Das ist unser Weg um uns die Zeit zu verschaffen, die wir brauchen, um in Ruhe an einer neuen Daytime zu arbeiten, bei der wir das Publikum dann aber nicht als Versuchskaninchen benutzen wollen.

Man könnte ja auch den Weg des geringeren Risikos gehen und in der Daytime bei Lizenzware, also US-Serien, bleiben. Die Strategie haben Sie bei kabel eins ja schon einmal umgesetzt...

ProSieben braucht eine eigene, eigenproduzierte Daytime, die dem Sender Profil gibt. Dafür werden wir uns aber Zeit und Muße nehmen, mehr intern pilotieren als on air zu experimentieren.

Wie soll die neue Daytime denn aussehen? Gibt es Vorstellungen was das Genre angeht?

Wir haben sehr klare Vorstellungen davon, wie die ProSieben-Daytime aussehen soll, aber  ich möchte solange wir noch pilotieren, nicht ins Detail gehen, weil wir diverse Ansätze haben und ich da ergebnisoffen rangehen will. Die ersten Piloten kommen im späten Frühjahr auf meinen Schreibtisch und dann werden wir sehen, wo wir stehen.

Wann soll die neue Daytime stehen? Zum Beginn der neuen TV-Saison oder erst 2012?

Das Timing ist für mich offen. An der Stelle ist es mir wichtiger eine gute Entwicklung zu haben statt einen Schnellschuss. Sagen wir mal so: Bei optimalem Timing und überzeugenden Piloten könnte es noch im Herbst klappen, so dass wir dann im Sommer darüber informieren können.

„Voll auf die 12“ war das Motto von Thilo Proff. Behalten Sie den Schlachtruf Ihres Vorgängers bei?

Ich hab hier lauter Tassen stehen auf die der Claim gedruckt ist (lacht) Also behalten wir das mal bei. So wie es bei Kabel Eins die 6 Prozent-Benchmark gab, gibt es bei ProSieben das unveränderte Ziel von 12 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen. Das wird ein harter Ritt, der in diesem Jahr vielleicht schwer erreichbar sein wird  Aber die generelle Zielsetzung bleibt. Unser Programm hat diese Flughöhe verdient. Die Prime Time und Access Prime laufen stark wie lange nicht, deshalb gilt unsere ganze Konzentration jetzt der Daytime.