Nach so langer Zeit mit Einzelinterviews bei n-tv und jetzt Gesprächsrunden im Ersten: Gibt es persönlich für Sie Themenkomplexe, bei denen Sie sagen, das ist schon mehr Pflicht als Kür, weil man's schon hundert Mal erlebt hat?

Erstaunlicherweise habe ich an den Feinheiten des Steuersystems noch immer großes Interesse, obwohl das fast schon ein Running Gag seit meiner Zeit bei "Talk im Turm" ist. Ich kann aber sagen, dass der Fall Kachelmann beispielsweise nicht gerade mein Lieblingsthema war. Es geht ja nicht darum, die Tiefe eines Dramas zwischen zwei Menschen auszuloten, sondern das herauszuschälen, was auch gesellschaftlich von Belang ist. Wir haben es die ganze Zeit nicht gemacht und es dann letztlich aufgegriffen, weil die Gerichtsentscheidung auf einen Dienstag fiel, Damit waren wir jedenfalls aus dem Bereich der Spekulation heraus. Aber Pflicht und Kür gibt es in dem Sinne nicht. Häufig ist es so, dass eine Sendung, bei der man vorher denkt, sie könnte langweilig werden, plötzlich überraschend gut wird - und umgekehrt gilt das gleiche. Auch eine hochkarätig besetzte Runde kann plötzlich zum Gähnen werden.

Wobei Ihre Sendung ja gerade auch für überraschende Situationen oder Eskalationen bekannt ist...

Wir gehen tatsächlich häufig insofern ein Risiko ein, dass wir Personen zusammen setzen, von denen man im Vorhinein nicht weiß, ob es funktioniert. Wir schreiben auch kein Drehbuch. Es kann passieren, dass es krachend schief geht. Aber dafür entstehen eben auch lhäufig  Momente, in denen wirklich unvorhergesehenes passiert. Ich glaube behaupten zu können, dass unsere Sendung den höchsten Überraschungsgrad hat, weil alles möglich ist. Das erinnert mich manchmal an meine ganz frühe Zeit bei "Live aus dem Schlachthof", wo auch schon mal ein Spruchband vor laufender Kamera entrollt wurde.  Wir wollen dass überraschendes passiert. Es ist ja auch spät am Abend. Ich kämpfe nicht so sehr gegen die Konkurrenz als gegen den Schlaf meiner Zuschauer. Da muss man schon etwas aufbieten, dass die, die noch wach sind, auch bis zum Schluss dabei bleiben. Eigentlich kann man ja niemandem, der am nächsten Tag um 6 Uhr aufstehen muss, empfehlen, eine solche Sendung zu sehen, weil es einfach zu spät ist. Hut ab vor denen, die es trotzdem tun.

Sie haben bei n-tv einst auch bei einem Privatsender getalkt. Große Privatsender tun sich mit Talkshows hingegen extrem schwer. Ist das Genre fürs Privatfernsehen nicht mehr geeignet?

Ich glaube, das Privatfernsehen hat seine Zuschauer auf eine gewisse Art und Weise „erzogen“. Sie haben mit immer größeren emotionalen Kicks dafür gesorgt, dass es jetzt schwer ist, noch mit normalen Geschichten zu punkten. Das gilt für den Nachmittag, wo in den täglichen Talkshows echte Menschen erst durch Schauspieler ersetzt wurden. Und was in den Talks angefangen hat, wurde dann auf den Doku-Bereich ausgedehnt, wo ich es für noch viel gefährlicher halte. Diese vorgespielte Realität ist nicht nur journalistisch fragwürdig, es wird einfach auch immer schwerer, mit echten Geschichten dagegen zu halten. Wenn in einer Sendung eine Frau vor laufender Kamera ihrem Mann sagt, dass die Kinder nicht von ihm sind, sondern von einem Freund, der aber gleichzeitig etwas ganz anderes behauptet, dann kommen mit der Realität nicht mehr hinter her. Das könnte dazu führen, dass man mit normalem journalistischem Handwerk die Zuschauer im Privatfernsehen kaum noch zufrieden stellen kann..

Letzte Frage. Aus Neugier werden Sie sich ja sicherlich mal „Eins gegen Eins“ angeschaut haben. Wie lautet Ihr Urteil?

Ich habe eine Ausgabe gesehen und fand es vom Format her ausgezeichnet. Claus Strunz versucht hier etwas auf die Beine zu stellen, was journalistisch 100-prozentig in Ordnung ist. Bei Sat.1 ist es aber mittlerweile sehr schwierig. Wenn man da im Informationsbereich etwas machen will, muss man mit großem Durchhaltevermögen sehr lange daran arbeiten. Es gab einfach zu viele Jahre, in denen dem Zuschauer signalisiert wurde: Wenn ihr Information haben wollt, sind wir nicht euer Ansprechpartner. Dagegen zu arbeiten kann nicht Aufgabe einer einzelnen Sendung sein. Da müsste schon mehr passieren.

Frau Maischberger, herzlichen Dank für das Gespräch.