Ein bitteres Fazit...

Nein, gar nicht bitter, realistisch. Ich fand es sehr schwierig, da noch echte Geschichten zu finden. Und wenn, dann ging es oft um den Verlust der Identität dieser Stadt. Und dann kam noch dazu, dass die große Politik vom Studio in Washington gemacht wird und man da thematisch eingegrenzt ist auf die United Nations, an die man kaum ran kommt, auf die Wall Street, die fürs Fernsehen schwer umsetzbar ist und irgendwelche Lifestyle-Themen. London ist schon als Stadt sehr viel interessanter, echter und kulturell vielfältiger. Und das Londoner Büro ist eben dann für das ganze Land zuständig und dabei sowohl für Politik wie auch das Alltagsleben und seine Themen. Die Bandbreite ist größer, weil es auch um die nationale Politik etc. geht.. Ganz generell ist das Berichtsgebiet viel größer. Und Großbritannien ist ein Land mit so vielen interessanten Typen. Das Klischee des eigenwilligen, kultivierten Briten - das stimmt eben zum Teil. Und das macht das Berichten oft ungeheuer amüsant und abwechslugnsreich.

Für dieses Jahr gab es genügend Aufregueng und Arbeit. Wünscht man sich manchmal eine Auszeit?

Das Jahr war, ja, heftig bis jetzt. Das waren aber auch interessante Entwicklungen. Die Modernisierung der Monarchie, die Auseinandersetzung mit der Tabloid-Presse und der Nähe zwischen Medien und Politik, die Unruhen und der Umgang damit - das ist spannend. Aus der journalistischen Perspektive ist das eine spannende Zeit, die gerne so intensiv bleiben kann, ohne dass ich mir da jetzt weitere Unruhen wünsche. Und im kommenden Jahr haben wir die Olympischen Sommerspiele und das 60. Thronjubiläum der Queen.

Machen so viele Themen es einfacher oder schwieriger?

Nun, früher hatte man mehr Zeit für ein „Tagesthemen“-Stück. Das wurde eben auch zwei Tage vorher bestellt. Heute ist das nicht mehr denkbar, da geht es viel kurzfristiger, weil sich das Nachrichtengeschäft einfach beschleunigt hat. Das hat gerade die etwas magazinigeren Nachrichtensendungen wie die „Tagesthemen“ natürlich negativer beeinflusst als die kurze „Tagesschau“. Für das „Tagesthemen“-Stück bleibt kaum noch die Zeit, die dafür nötig wäre, weil man immer öfter das aktuelle Geschehen kommentiert und begleitet als noch eigene Themen zu setzen. Und wenn sie jetzt kurzfristig was machen sollen, dann ist es oft eine Glückssache ob auch wirklich etwas dabei herum kommt, was dem Zuschauer einen Erkenntnisgewinn liefert.

Der Buhmann für manch altgedienten Journalisten ist das böse Internet. Und jetzt auch noch Twitter. Wie halten Sie es eigentlich damit? Unser Interview jetzt haben wir ja via Twitter vereinbart. Da scheinen Sie ja großes Interesse für zu haben...

Twitter hat noch einmal einen ganz neuen Aspekt in den Journalismus gebracht. Ich weiß nicht, ob es in Deutschland auch so viel genutzt wird wie hier in England, aber es wird zunehmend zu einem neuen, wichtigen Nachrichtensystem. Hier im Team beobachten wir das alle genau. Das ist mir wichtig. Es ist eine neue Nachrichtenquelle, die sehr vielfältig sein kann. Manche Kritik an Twitter kann ich übrigens nicht nachvollziehen: Es ist eine weitere Quelle, die wir dann natürlich vor der Weitergabe von Informationen erst einmal prüfen müssen. Da unterscheidet sich Twitter aber nicht von anderen Quellen.

Eine angenehme Sichtweise. In Deutschland wird ja immer noch diskutiert, ob man Twitter jetzt beobachten sollte oder nicht...

Das wundert mich. Ein Journalist sollte doch über jede zusätzliche Quelle froh sein.

Wahre Worte.

Die größte Gefahr von Twitter ist immer, dass man sich darin verlieren kann, weil man immer wieder auf neue Twitterer stößt und über deren Tweets wieder zu spannenden Sachen kommt. Also wenn es eine Herausforderung bei Twitter gibt, dann die, dass man lernen muss was wichtig sein könnte und was nicht. Aber sie merken: Das ist die wichtigste Tugend des Journalismus. Also auch nicht so neu.

Letzte Frage: Welche Informationsquelle nutzen Sie eigentlich, um sich über das Geschehen in Deutschland zu informieren. Und Tagesschau.de jetzt mal ausgenommen...

Och, das hätte ich jetzt aber gesagt. Und nicht nur, weil es mein Arbeitgeber ist. Ansonsten ist die FAZ meine primäre Informationsquelle, weil die unter allen Zeitungen immer noch am gründlichsten alle Themen abdeckt. Ich bin nicht immer einverstanden mit den Kommentierungen, aber das spielt ja keine Rolle. Die FAZ bietet mir einen guten Überblick, weil ich es einfach nicht schaffen kann, mehrere deutsche Zeitungen zu verfolgen - zusätzlich zu den ganzen britischen Blättern. Bei Spiegel Online schau ich immer mal wieder rein, obwohl die mir inzwischen viel zu boulevardesk geworden sind. Und ich lese da immer wieder dramatische Schlagzeilen, die schon fünf Minuten später verschwunden ist. Da fehlt mir die zuverlässige Einschätzung. Ich fand Spiegel Online mal sehr gut, aber die haben sehr nachgelassen. Auch da hat die FAZ mit FAZ.net deutlich aufgeholt...

Frau Dittert, herzlichen Dank für das Gespräch.