Jüngere Zuschauer sehen die „heute“-Sendung inzwischen kaum noch, beim Gesamtpublikum liegt „RTL aktuell“ inzwischen sehr deutlich vorn. Schmerzt es Sie eigentlich, dass die Nachrichten oft sogar weniger Zuschauer erreichen als die ohne Frage sehr starken „SOKO“-Serien im Vorprogramm?

Man muss ganz klar sagen, dass die „heute“-Sendung nicht unmittelbar auf die „SOKO“-Serien folgt, weil es dazwischen einen großen Werbeblock gibt. Insofern ist die „SOKO“ nur bedingt ein starker Vorlauf für uns. 

Das heißt, es braucht in diesem Punkt Veränderungen?

Das ist nicht meines Amtes. Die „SOKO“ ist ein starkes Programm und wir würden uns wünschen, mehr davon profitieren zu können. Momentan liegen zwischen den Formaten fünf bis zwölf Minuten Werbung. Das ist einfach viel Zeit, weil dazwischen zu viel verloren geht. Ich kann das natürlich immer wieder ansprechen, aber es gibt in unserem Haus auch Zielkonflikte, die ich nicht entscheiden kann. Klar, dass wir uns das anders wünschen würden.

Klingt nach einem doppelten Vorteil für RTL: Wenn die Werbung im ZDF zu Ende ist, haben sich die Zuschauer dort bereits informiert.

So einfach ist es nicht. Diese Lagerfeuer-Mentalität, eine bestimmte Sendung zu einer bestimmten Zeit sehen zu wollen, gibt es nicht mehr flächendeckend wie in den 70er und 80er Jahren. Wenn die Zuschauer wissen, dass viele Minuten lang programmlich nichts passiert, ist das für viele eine Aufforderung, die Fernsehbedienung in die Hand zu nehmen und zur Konkurrenz zu schalten. Davon profitiert aber nicht nur „RTL aktuell“.

Welche Wünsche gibt’s nun für das kommende Jahr? Ab Januar werden Sie ja die Redaktionsleitung bei „heute“ übernehmen.

Die „heute“-Sendung um 19 Uhr soll in ihrer Erwartbarkeit auch überraschende Momente haben. Natürlich wünsche ich mir ein wenig Rückenwind in Sachen Vor- und Nachlauf. Ziel muss es sein, in der Akzeptanz der Zuschauer wieder zuzulegen oder zumindest nicht weiter zu verlieren. Das können die Redaktion und ich als Leiter aber nicht aus eigener Kraft schaffen. Wenn man möchte, dass die „heute“-Sendung gestärkt am Markt steht, muss von Seiten des Senders entsprechend gehandelt werden.

Sie waren lange für das ZDF in Washington und haben sicherlich auch die dortigen Nachrichten beobachtet. Lässt sich von dort womöglich auch etwas für „heute“ mitnehmen?

Die Amerikaner machen Nachrichten ganz anders als wir in Deutschland und auf keinen Fall bessere. Sie produzieren im Übrigen wesentlich schlechtere Filmbeiträge, legen aber im Gegenzug größeren Wert auf die Präsenz ihrer Reporter – dort haben die Amerikaner sicherlich Stärken. Wenn ich an den Arabischen Frühling denke, weiß ich jedoch nicht, ob das immer zielführend ist. Unser Korrespondent Dietmar Ossenberg musste eine Schalte abbrechen, weil es zu gefährlich wurde und die RTL-Kollegin Antonia Rados hat sich in Situationen begeben, die ich als Zuschauer zumindest als grenzwertig erachtet habe.

Stichwort Veränderungen: Seit einigen Monaten gibt es bei ZDFinfo die Sendung „heute plus“. Da lässt sich der Eindruck gewinnen, die Zuschauer lassen sich viel lieber die Nachrichten erklären als die Technik, die hinter der „heute“-Sendung steckt.

Es ist in der Tat interessant, dass sich das Format inzwischen etwas verändert hat. Zu Beginn wurde häufig gefragt, wie das Studio funktioniert und wie ein Thema in die Sendung kommt. Mittlerweile sind es aber verstärkt inhaltliche Diskussionen – angefangen von der nachvollziehbaren Frage, warum wir so wenig aus Afrika machen, bis hin zur Frage, warum wir überhaupt so viele Auslandsthemen haben, wo es doch auch das „Auslandsjournal“ gibt. Alle Erwartungshaltungen der Zuschauer lassen sich nie erfüllen, das muss man realistisch sehen. Viele der angeführten Punkte machen aber nachdenklich.

Zum Beispiel?

Eine Mutter hat uns erzählt, dass sie die „heute“-Sendung häufig mit ihrer Tochter sieht und es als schwierig empfindet, wenn wir bei Kriegsereignissen oder Anschlägen Blut und schlimme Bilder zeigen. Man härtet sicherlich nicht ab, aber hat als Nachrichtenmacher vielleicht doch ein anderes Empfinden, wenn man jeden Tag mit solchen Bildern arbeitet und oft auch noch deutlich Schlimmeres sieht.