Frau Helle, welche Bedeutung hat der deutsche Markt für BBC Worldwide?

Es ist ein sehr wichtiger Markt für uns. BBC Worldwide ist weltweit einer der größten Distributoren und Deutschland, je nach Betrachtung der zweit- oder drittwichtigste Fernsehmarkt der Welt.

Und in diesem Fernsehmarkt experimentieren Sie derzeit mit Verwertungsketten. So gab es die Superhelden-Serie „Misfits“ zuerst bei iTunes, später erst auf DVD und im TV noch gar nicht. Wie kam es dazu?

Das hat mehrere Gründe. Die Serie ist sehr jung und wir glauben, die Zielgruppe auf diesen Kanälen sehr gut erreichen zu können. Misfits lief in den USA auch auf Hulu und das hat uns inspiriert. Es ist wirklich etwas Neues. Normalerweise heißt es ja: Erst Fernsehen, dann Catch-Up, dann DVD und irgendwann VoD. Aber wir wollten testen, wie so etwas direct-to-digital launcht.

Erreicht man die jungen Zuschauer nur noch im Netz? Klingt da Resignation mit?

Ich betrachte es lieber anders herum. Wir folgen dem jungen Publikum. Das finden wir gezielter im Netz. Wir wollten das testen, um zu schauen, wie es laufen könnte. Wir haben das Glück, dass wir das Budget haben, die deutsche Fassung komplett in Eigenregie produzieren zu lassen.

Da sind Sie ja voll ins Risiko gegangen? Hat es sich denn gelohnt? Wie lautet die Bilanz nach zwei Monaten?

Man kann es nicht mit Highlights wie „Sherlock“ vergleichen, aber wenn wir den Launch von „Misfits“ mit Abrufzahlen von anderen BBC Worldwide-Produktionen auf iTunes vergleichen, dann ist es gleichwertig - und das ohne Promotion durch vorherige TV-Ausstrahlung! Aber wir werden erst am Ende eine abschließende Bilanz ziehen, wenn man auch die weiteren Verwertungswege analysieren kann. Die Serie ist ja inzwischen auch auf DVD erhältlich. Es gibt viele interessante Einnahmequellen. Besonders VoD, weil es durch die immer größere Verbreitung von Connected TVs in den Wohnzimmern immer einfacher nutzbar wird - bequem vom Sofa aus. Es ist also immer noch eine komplexe Vermarktungskette, nur eine Station fehlt.

Man könnte aber auch sagen: Wenn sich halt kein Sender findet, macht die Not erfinderisch. Anders als im Doku-Bereich tut sich britische Fiction ja schwerer im deutschen Markt...

Das sehe ich ganz anders. Das ist natürlich so ein bisschen ein Klischee. „BBC ist factual“, so wird es in Deutschland oft wahrgenommen, weil hier die BBC in erster Linie für Seriösität steht. Aber wenn man sich, ohne nähere Zahlen zu nennen, unseren Umsatz anschaut, dann kommt in Deutschland ein bisschen mehr als fünfzig Prozent aus dem fiktionalen Bereich. Gerade lief „Luther“ im ZDF. Bald läuft die nächste Staffel von „Sherlock“ im Ersten - und zwar auf einem Super-Sendeplatz. Britisches Fernsehen zur Primetime.

Eben, genau das gab es ja leider sehr lange nicht. Das hat sich erst in jüngster Zeit geändert....

Und wir freuen uns sehr darüber. Und denken Sie an „Robin Hood“ bei Super RTL und „Doctor Who“ bei FOX, hat mittwochs in der Primetime sein deutsches Zuhause gefunden. Und auf ZDFneo finden Sie auch viele Produktionen von uns wie etwa „Being Erica - Alles auf Anfang“. Der immer größere Fernsehmarkt in Deutschland, egal ob Pay-TV oder neue Free-TV-Angebote, macht ganz neue Verwertungen möglich. „Torchwood“ war übrigens auch sehr erfolgreich, bei RTL II...

Wobei da noch die neueste Staffel fehlt. Wann kommt die nach Deutschland?

Daran arbeiten wir mit dem US-Partner Starz. Da ist noch keine Entscheidung gefallen.

Also spielt Fiction momentan die größere Rolle für BBC Worldwide in Deutschland?

Wir sehen es eigentlich so, dass der Facutal-Bereich ziemlich konstant geblieben ist, aber unser fiktionaler Bereich sich enorm erweitert hat. Und wir gewinnen weitere prominente Sendeplätze für BBC-Produktionen, wie es sie bislang im deutschen Fernsehen nicht gab.