Herr Hoffmann, was braucht ein Senderchef? Eine erfolgreiche "Shopping-Queen" beim Programmeinkauf, Erfahrung aus "70.000 Jahren Menschheit" oder einfach den gewissen "X Factor"?

(lacht) Die Erfahrung aus 70.000 Jahren Menschheit kann nie schaden, aber es wäre vermessen zu behaupten, dass wir die komplett verinnerlicht haben. 

In wenigen Tagen übergeben Sie den Sender. In welchem Zustand übernimmt ihr Nachfolger VOX?

VOX hat sich breiter aufgestellt. Das Spektrum der Programme und die Genrevielfalt sind größer geworden. Das ist manchmal Teil eines Masterplans, manchmal ist Strategie aber auch eine Frage der Möglichkeiten. Wenn beispielsweise in einem Jahr gleich mehrere Serien verloren gehen, die bei VOX täglich programmiert waren, muss man umdenken. So wurden wir in der Daytime gewissermaßen dazu gezwungen, die Strategie zu ändern. Viele andere Änderungen wiederum nimmt man sehr gezielt vor. So wollten wir im Laufe der Jahre eine größere Unabhängigkeit vom Lizenzmarkt erreichen und sind im Bereich Eigenproduktionen gewachsen.

 

 

VOX ist erwachsen geworden?

Im Grunde genommen hat sich das Verhältnis von fiktionalem zu non-fiktionalem Programm umgekehrt. Der Vorteil von non-fiktionalen Programmen ist natürlich, dass man die Produktion besser beeinflussen kann. In diesem Bereich lassen sich leichter eigenständige Programmfarben entdecken und auch pflegen, die langfristig in den Markenkern einzahlen, wie beispielsweise "Das perfekte Dinner". Auch eine Serie wie "CSI" ist prägend für VOX, nur sind wir in dem Fall Jahr für Jahr davon abhängig, wie in den USA über das Schicksal der Serie entschieden wird.

Wie breit kann man sich denn noch aufstellen, ohne bei VOX den Markenkern zu verlassen?
 
Grundsätzlich ist jedes Senderimage das Ergebnis vieler Zutaten. Und zum Image von VOX werden immer auch Reportagen und Dokumentationen gehören. Die Herausforderung besteht weniger darin, dass diese Sendungen womöglich nicht immer auf Senderschnitt liegen, sondern vielmehr darin, dass man für eine vierstündige und erst recht eine zwölfstündige Programmierung Themen von entsprechender Relevanz braucht. Man kann kein einstündiges Programm auf vier Stunden strecken. Also ist die Themensuche die eigentliche Herausforderung, besonders bei den zwölfstündigen Dokumentationen. In diesem Rahmen widmen wir uns Wendepunkten in der Geschichte der Menschheit. 2011 haben wir sogar zwei solcher Mammut-Projekte realisiert: zum einen über den 30. April 1945 und zum anderen über den zehnten Jahrestag der Attentate von „9/11“. Das wird sich in der Frequenz schwer wiederholen lassen, auch weil wir hier in Stundenprotokollen parallel nacherzählen, was an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit geschah. Aber dann gibt es natürlich auch so tolle Programme wie die BBC-Dokumentationen: Am 1. und 2. Februar zeigen wir „Die Geschichte des Menschen“. Und auch das ist eine Programmierung, in die wir ohne Quotenerwartungen hineingehen, weil wir mit unserer Sendelizenz eine gewisse Verantwortung für solche Programme übernommen haben und sie in unseren Markenkern einzahlen.

Wieviel Lust am Programm kann man sich als Fernsehmacher eigentlich leisten ohne ans Geschäft denken zu müssen? Wie viel kann man machen, weil man es möchte, ohne an Quote oder Werbeerlöse denken zu müssen?

Kurze Antwort: Ja, bei unseren Programmierungen war auch mal Liebhaberei dabei. Zum Beispiel bei den VOX-Dokumentationen. Darüber freue ich mich als Journalist besonders und da steht die Quote nicht immer im Vordergrund. Aber die Frage ist vielschichtig, also möchte ich sie auch so beantworten. Wenn ich alles zeigen würde, was mir gefällt, liefen bei uns auch Filme wie „Melancholia“. Ein Film, den ich ganz hervorragend finde. Aber der würde sich auch bei VOX schwer tun. Und natürlich geht es bei einem Sender eben nicht nur um den Geschmack des Geschäftsführers. Aber ich kann aus tiefer Überzeugung sagen, dass ich das, was in der Mediengruppe gesendet wird, richtig gerne gucke. Ich kann das Urteil mancher Kritiker, dass das deutsche Fernsehen schlecht sei, nicht teilen. Ich kann auch Schönes bei ARD, ZDF oder den privaten Kollegen finden. Aber am häufigsten schaue ich natürlich RTL oder VOX.

Anders gefragt: Was ist für einen Senderchef gutes Fernsehen?

Für mich gibt es drei Kriterien für erfolgreiches Fernsehen: Wir wollen mit unseren Sendungen das Publikum erreichen, in unser Image einzahlen und wirtschaftlich erfolgreich sein. Bei manchen Sendungen ist es kein Problem, wenn einer dieser drei Punkte nicht zur vollständigen Zufriedenheit erfüllt wird. In dem Moment, wo aber zwei Kriterien nicht erfüllt sind, steht ein Programm unter einem schlechten Stern. Auf den Programm-Mix kommt es an. Ich habe überhaupt kein Problem damit, auf gewissen Sendeplätzen keine Wunschquoten zu erzielen, wenn wir uns durch besonders starke Formate auf anderen Sendeplätzen den Rücken freihalten. Der Blick auf die Monatsmarktanteile ist verständlich, wird aber oft zu einem Schönheitswettbewerb. Dabei darf man nicht vergessen, dass Quote nicht automatisch Wirtschaftlichkeit bedeutet. Dazu gehören auch die Aspekte Programmkosten oder die Wiederholbarkeit von Formaten. Um es zusammenzufassen: Mein Job ist ein Balance-Akt zwischen Quote, Image und Wirtschaftlichkeit.