Wie hat sich in dieser Zeit die Haltung der Unternehmen und Media-Agenturen gegenüber Branded Entertainment verändert?

Andreas Türck
: Am Anfang musste ich proaktiv auf sie zugehen, sehr viel an die Türen klopfen und immer wieder die strategischen Vorteile erklären. Gott sei Dank hatte ich dann sehr früh die Otto Group, die mit uns 2009 das Web-TV-Magazin "Bunte Life" gemacht hat. Schritt für Schritt stoßen immer mehr Unternehmen auf das Thema Content Marketing und Branded Entertainment, weil sie merken, dass sie mit der klassischen Kommunikation nicht mehr weiterkommen. Wir erleben jede Menge Werbevermeidung, die Leute zappen weg, wir haben Ad-Blocker und Bannerblindheit. Die Marken sind also förmlich gezwungen, sich neuen Kommunikationswegen zu stellen. Und sie erkennen, dass sie selbst zum Broadcaster werden können. Die Nachfrage der Unternehmen steigt täglich und sie fragen: Wie geht das? Was können wir tun?

Müssen Sie die Marketing-Chefs oft bremsen, damit es nicht zu werblich wird?

Andreas Türck
: Da gibt es natürlich eine Lernkurve. Die Unternehmen, die wie Otto, Procter & Gamble oder Sennheiser schon länger mit uns arbeiten, haben begriffen, dass der redaktionelle Teil im Vordergrund stehen muss. Es darf nicht nur egoistisch um Marke, Marke, Marke gehen. Andererseits: Wenn der Content relevant ist, stört die Marke auch nicht. Dann kann sie sogar ziemlich stark platziert sein.



Bei First Entertainment haben Sie den YouTube Original Channel "Onkel Bernis Welt" mit entwickelt und aufgebaut. Was haben Sie daraus gelernt?

Jürgen Irlbacher
: Der Hauptunterschied zum TV-Geschäft war, dass wir inhaltlich einen Freibrief hatten. Wir konnten einfach loslegen und kreativ sein. Wir haben per Trial & Error versucht herauszufinden, was die User klicken und was nicht. Bei dieser Arbeit habe ich gelernt, wie man Social Media intelligent einsetzt, wie man Zielgruppen steuert, wie man virale Hits generiert. Außerdem habe ich gemerkt, dass es eine große Aufgeschlossenheit von Künstlern und Kreativen gegenüber Online-Bewegtbild gibt. Das war für mich auch ein Grund, die Seiten zu wechseln.

Der US-Markt ist in Sachen Branded Entertainment schon viel weiter. Dort sind längst auch Longform-Inhalte und Formate im klassischen TV selbstverständlich. Wie realistisch ist eine solche Entwicklung für den deutschen Markt?

Andreas Türck
: Sehr realistisch, glaube ich, weil die Sender über kurz oder lang gar keine andere Möglichkeit haben. Noch ist TV das Medium, das am schnellsten hohe Reichweiten aufbauen kann. Aber immer mehr Kunden und Media-Agenturen stellen den klassischen 30-Sekünder in Frage. Das verändert das Geschäftsmodell, weil nicht mehr jeder Content durch Werbeinseln refinanzierbar sein wird. Eine Alternative ist dann natürlich, mit Marken und Medien gemeinsam Formate fürs klassische Programm zu entwickeln.

Das Negativbeispiel "Fashion Hero" bei ProSieben hat gerade gezeigt, dass es nicht so leicht ist, dabei attraktive TV-Inhalte hinzukriegen.

Andreas Türck
: Ja, die Quoten waren schlecht. Aber nach allem, was ich gehört und gelesen haben, hat es am Point of Sale hervorragend funktioniert. Wenn man es dann noch schaffen würde, dass die Quote stimmt und dass das Format in den Audience Flow passt, wäre auch der TV-Seite gedient. Bei "Fashion Hero" hat ja nicht die Tatsache gestört, dass die Marken dabei waren. Eher müsste man das Format an sich prüfen: Hat man wirklich die richtigen Protagonisten, die richtige Dramaturgie? Ist das Thema überhaupt fernsehtauglich? Unser Modeformat für Otto, "Two for Fashion TV", funktioniert im Netz bestens. Grundsätzlich muss man immer genau überprüfen: Wecher Inhalt passt zu welchem Kanal? Wenn man diese Fragen gemeinsam mit dem TV-Sender angeht, kommt man auch zu einer Erfolgskurve.

Jürgen Irlbacher
: Nehmen Sie beispielsweise das erfolgreiche sixx-Format "Enie backt". Das hätte man so auch für Dr. Oetker entwickeln können. Da gibt es keinen großen Unterschied mehr. Den Zielgruppen, die sich ernsthaft fürs Backen interessieren, ist es doch wurscht, ob das bei einem TV-Sender oder auf irgendeiner digitalen Plattform läuft. Sie finden es und sie schauen es, weil die technische Konvergenz der Plattformen das eben total erleichtert hat.

"Wir sprechen gerade mit einem Sender über ein konkretes Format. Dieser Sender hat angeboten, eine Fläche dafür freizuräumen"

Andreas Türck, pilot entertainment


Würden Sie denn eine Wette darauf abschließen, dass Sie 2014 mit einem Branded-Entertainment-Format im klassischen linearen TV sein werden?

Andreas Türck
: Jawohl, die Wette gilt! Wir sprechen gerade mit einem Sender über ein konkretes Format. Dieser Sender hat angeboten, eine Fläche dafür freizuräumen. Jetzt hängt es noch vom Kunden ab, ob er das machen möchte. Es wäre für uns auch nicht das erste Mal: Mit kurzen Episoden unseres Trendguides "Lust 4 Life by Martini" waren wir bereits 2011 auf ProSieben und damit im linearen TV vertreten.

Herr Türck, Herr Irlbacher, herzlichen Dank für das Gespräch.