Herr Kühn, Herr Rettler, in diesem Sommer wird Shine Germany fünf Jahre alt…

Kühn: Es ist wahnsinnig, wie schnell fünf Jahre vergangen sind. Wird Zeit, die Büros mal wieder neu zu streichen. (lacht)

Zufrieden mit dem bisher Erreichten?

Kühn: Wenn ich mir unsere Erfolge in diesem Jahr anschaue, dann stehen wir mindestens so gut da, wie wir es uns damals vorgestellt haben, auch wenn der Weg deutlich holpriger war als gedacht. Der Produktionsmarkt um uns herum ist noch einmal härter geworden, die Margen für Kreative immer geringer. Und trotzdem erleben Sie uns glücklich. Es ist ja auch so: Wir stehen heute besser da als viele im Markt erwartet haben. Wie kann man ausgerechnet in der Wirtschaftskrise eine Produktionsfirma gründen, haben wir damals oft gehört.

Was waren in den 5 Jahren die größten Stolpersteine für Shine Germany?

Kühn: Das waren sicherlich „Iss oder quiz?“ und „One born every minute“. Zwei Stolpersteine unterschiedlicher Art. Aus „Iss oder quiz?“ haben wir sehr viel gelernt. Das Kopfschütteln über die Ignoranz mancher Lokalpolitiker bei der Umsetzung von „One born every minute“ hält hingegen immer noch an. Da merkt man, dass Politik oft nichts mit Vernunft sondern nur mit Effekthascherei zu tun hat. Aber wenn man sich die Politik der Stadt Berlin anschaut, dann war das ja nur eine kleine 'Baustelle'.


Rettler: Wir haben ja wirklich Monate lang versucht, die Produktion so sauber wie es nur irgendwie geht aufzustellen. Wir haben sehr lange mit dem Krankenhaus gesprochen und mit den Protagonisten. Das war keine kostengünstige Produktion im Vorfeld - und dann stolpert man über eine Schlagzeile von Menschen, die nicht wissen oder wissen wollen, um was es in dem Format eigentlich geht. Es ist auch ärgerlich, wenn immer Neues gefordert wird und wir im Bereich der Dokumentation hiermit etwas Neues umgesetzt hätten.

Gab es rückblickend einen Moment, den Sie als Durchbruch für Shine Germany beschreiben würden?

Rettler: Eigentlich müsste man zwei Momente nennen. Der erste Moment war sicher „Die perfekte Minute“, eine Show mit der wir jetzt in die vierte Staffel gehen. Das war unsere erste große Studio-Produktion, die von Publikum und Kritiker sehr gemocht wurde - zumindest in den ersten beiden Staffeln. Und ein weiterer Meilenstein war im vergangenen Jahr der Erfolg von „Got to dance“.

Kühn: „Got to dance“ hatte für die Firma große Auswirkungen. Man merkt dann doch, welche Anschubwirkung so ein Erfolg für andere Projekte und Aufträge hat. Das war also nicht nur eine Show, die dich als Macher beim Anschauen einfach umhaut, sondern dazu auch geschäftlich sehr hilfreich. Ich würde aber bei den wichtigen Momenten gerne auch noch RTL II nennen, die uns von Tag 1 an vertraut haben und gleich drei Produktionen beauftragt hatten. Für eine neue Firma war das eine wichtige Starthilfe.

Bleiben wir doch bei „Got to dance“. Was ist bei der zweiten Staffel einer erfolgreichen Show gefährlicher: Zu viel zu ändern oder zu wenig zu ändern?

Rettler: Es ist hier eigentlich relativ einfach gewesen. Es war eine tolle erste Staffel, in der wir vieles richtig gemacht haben. Bei „Got to dance“ ging es also nur darum zu gucken, wo man Gutes noch besser machen kann. Und das passierte hier automatisch, weil die Tanz-Szene uns mit der ersten Staffel entdeckt und ins Herz geschlossen hat. Das führte zu weit mehr Bewerbungen als im letzten Jahr und noch besseren Tanz-Acts. Deswegen brauchen wir uns bei „Got to dance“ gar nicht in gewagte Experimente zu verstricken.

Kühn: Aber das ist in der Tat eine gute Frage. Geht mir als Zuschauer ja manchmal auch so. Da merkt man dann, dass irgendetwas nur geändert wurde, weil jemandem langweilig war. Und umgekehrt denkt man sich manchmal: So habe ich es jetzt auch schon hundertmal gesehen, könnten die sich nicht mal etwas einfallen lassen? Aber dieses Auffrischen von lang laufenden Formaten ist in letzter Zeit einiger unserer Konkurrenten sehr gut gelungen. Das kann man ja auch mal sagen. Das Refresh von „Topmodel“ fand ich sehr gelungen, weil es das Programm vorangebracht hat. Und die letzte Staffel „Supertalent“ war toll. Da dachte ich mir zwar, dass die sich sehr genau „Got to dance“ angeschaut haben, aber immerhin haben sie sich die guten Sachen abgeschaut.

In diesem Jahr sind es neun statt sechs Folgen „Got to dance“ - ein Wunsch des Senders oder ein Wunsch des Produzenten?

Rettler: Ein Wunsch von beiden. Natürlich möchte ein Sender ein erfolgreiches Programm gerne noch öfter auf Sendung bringen und wir wehren uns ja auch nicht gegen Aufträge (lacht).

Mit „Got to dance“ und „Jetzt wird‘s schräg“ bestückt Shine Germany gerade den kompletten Freitagabend bei Sat.1...

Kühn: Und ab 1. August machen wir uns auch noch selbst Konkurrenz, wenn zeitgleich am Freitagabend beim ZDF unsere Comedyshow „Kühe haben beste Freunde“ läuft. Aber wie Holger schon sagt: Wir wehren uns ja nicht gegen Aufträge (lacht).

Mit „Jetzt wird‘s schräg“ kommt Impro-Comedy wieder zurück. Ein Genre, das Sat.1 ja mal groß besetzt hatte - und dann hat fallen lassen. Was macht dieses Format jetzt für ein Comeback so geeignet?

Kühn: Wir haben uns die französische Sendung angesehen und von der ersten Minute an Tränen gelacht. Und es ist so herrlich herzhaftes, sinnloses Lachen. Nein, diese Sendung ist nicht politisch relevant, sondern einfach nur Spaß. Das fehlte uns im deutschen Fernsehen. Und für uns war sofort klar: Das gehört zu Sat.1.

Rettler: Man muss auch sagen, dass Sat.1 sich da etwas getraut hat. Nämlich einige bekannte Comedians mit neuen Talenten zu mischen und eine Sendung zu beauftragen, die sehr viel Vertrauen in den Produzenten und die Formatidee verlangt, weil ja nichts vorher geschrieben wird und man erst bei der Aufzeichnung merkt, was funktioniert und was nicht. „Jetzt wird‘s schräg“ ist schöne Impro-Anarchie. In einem immer berechenbareren Fernsehen ist das regelrecht eine Erleichterung auch für den Zuschauer, wie die sehr gute Quote für die Premiere gezeigt hat.

Kühn: Fernsehen in Deutschland ist in den letzten Jahren sehr berechenbar, sehr erwartbar geworden. Der Erfolg von „Jetzt wird‘s schräg“ ist ein ermutigendes Signal, Ideen einfach auch mal von der Leine zu lassen.

Mit „Fünf Zimmer, ein Gewinner“ für RTL und „Deutschlands bester Bäcker“ für das ZDF hat Shine Germany in der kommenden Saison erstmals zwei Daytime-Produktionen im Rennen. Ist die Daytime das Wachstumsfeld für Shine?

Kühn: Für jeden Produzenten ist eine erfolgreiche Daily wahnsinnig wichtig, weil sie Kontinuität und Planbarkeit bedeutet. Das Produktionsvolumen ist eben ein ungleich höheres als bei einer kurzen Primetime-Staffel. Wenn die beide Formate sich gut etablieren, dann hilft uns das bei der Weiterentwicklung von Shine Germany natürlich. Wir freuen uns, dass die Sender sich in der Daytime von der Scripted Reality ein Stück weit zurückziehen. Das Genre haben wir bei Shine nie bedient, weil es da genügend erfolgreiche Wettbewerber gibt und ich persönliche manche dieser Sendungen gar nicht produzieren wollen würde. Dass sich derzeit in der Daytime diverse Türen öffnen, freut uns.