Herr Bartl, was hat Grünwald, was Unterföhring nicht hat?

Unterföhring ist, was Fernsehen betrifft, natürlich etwas größer als Grünwald. Ich finde die im Vergleich überschaubare, jedoch sehr schlagkräftige Welt von RTL II sehr reizvoll. Und es macht schon einen Unterschied, wenn man ein Unternehmen führt, das nicht in einem Konzern integriert ist, sondern das gewissermaßen allein im grünen Wald steht.

Sie sprachen in Ihrer Karriere immer gern von der TV-Werkstatt, in der Sie gerne arbeiten. Gibt's bei RTL II denn viel zu reparieren?

Das gute am Fernsehen ist ja, dass es immer etwas zu tun gibt. RTL II ist sehr gut aufgestellt, mit einem klaren Profil und einer klaren Ausrichtung. Aber wir dürfen niemals stehen bleiben. Und kein Sender ist frei von Baustellen, die gibt's hier auch. Ich war von Tag 1 an wieder in der Werkstatt, habe den Blaumann angezogen und die Ärmel hochgekrempelt. Aber in Werkstätten wird ja nicht nur repariert, sondern es werden vor allem neue Dinge hergestellt.  



Aber ist es nicht schwieriger, einem Sender der relativ gut funktioniert, seine Handschrift zu verpassen als einem, der am Boden liegt?

Ich habe beides schon erlebt. Ich bin schon zu einem Sender gekommen, der sich in einem dramatischen Sturzflug befand und den wir umdrehen konnten. Das ist hier natürlich nicht der Fall. Trotzdem haben wir die Aufgabe, in einem sich sehr schnell veränderten Markt den nächsten Schritt zu machen. Die vergangenen Jahre waren erfolgreich für RTL II, aber es gibt keine Garantie dafür, dass das mit der gleichen Strategie auch so weitergeht. Es ist meine Aufgabe, die Leute auf diesen nächsten Schritt einzuschwören.

Sie möchten RTL II öffnen für neue Programm-Genres. Das hat hier auch schon Holger Andersen einmal probiert. Was schwebt Ihnen vor?

Die Fokussierung der letzten Jahre hat RTL II ein Profil verliehen, das in einem sich fragmentierenden Markt sehr wichtig ist. Aber jeder Weg stößt irgendwann an Grenzen. Dann ist es schwer, seine Stärke zu halten, wenn man nicht auch mal etwas ausprobiert, womit man den Sender öffnen könnte. Das Gute an RTL II ist, dass es grundsätzlich eine offene Marke ist, von der die Zuschauer Innovationen erwarten. Daher werden wir auch in unterschiedlichen Genres wieder Dinge ausprobieren. Sehr naheliegend ist das Thema Musik, das wir früher unter anderem mit „The Dome“ erfolgreich im Programm hatten. Auch Comedy finde ich interessant, und mit der Verpflichtung von Tom Zwiessler wollen wir auch wieder stärker ans Thema Wissen ran, das früher mal eine größere Rolle bei RTL II gespielt hat. Auch Shows würde ich nicht außer Acht lassen.

DWDL Bartl© Kathrin Kraus

Thomas Lückerath und Uwe Mantel im Gespräch mit RTL II-Geschäftsführer Andreas Bartl

Wie siehts mit Programmversorgung aus den USA aus?

Wir haben tolle US-Serien am Start wie aktuell "The Walking Dead" mit fantastischen Einschaltquoten, über die wir uns natürlich sehr freuen, oder bald wieder "Game of Thrones". Aber wir brauchen noch mehr..

Da muss ich mal kurz einhaken: RTL II versendet manche Serie aber auch mitten in der Nacht, was beinahe eine Schande ist.

Ich bin selbst US-Serien-Fan und kann durchaus nachvollziehen, dass dem ein oder anderen das Herz blutet, wenn eine Serie nachts läuft. Aber "Californication" und "Dexter" wurden bei uns wirklich zu allen möglichen Sendezeiten angeboten und haben da in der Vergangenheit einfach nicht ihr Publikum gefunden. Wir lassen uns trotzdem nicht beirren. Wir wollen weiterhin die ungewöhnlichen Serien haben. Da werden wir in Zukunft entsprechend einkaufen. Da sehe ich große Chancen für uns.

Das ist also die klare Ansage, mehr in den Einkauf von fiktionalen Programmen zu investieren?

Ja, aber der Wettbewerb um Serien hat sich verschärft. Der Markteintritt von Netflix macht jedoch vor allem anderen VoD-Anbietern und dem Pay-TV Probleme. Für uns ist es nicht neu, dass es Verwertungsfenster vor der Free-TV-Ausstrahlung gibt. Wir müssen einfach zeitig dran sein und uns früh Projekte sichern - oder ein gutes Auge haben. Dass die Kollegen hier sich "Game of Thrones" gesichert haben, war ein Coup, über den ich mich sehr freue. Das zeigt auch, dass so etwas immer wieder möglich ist. Was wir neben den High-End-Serien brauchen, ist etwas mehr Bread-and-Butter. Ich glaube, dass RTL II ein regelmäßiger Serienabend gut zu Gesicht stehen würde.

"In einem breiteren Programmangebot geht es eben nicht immer nur um Spaß"

Klingt nach Veränderungen.

Wenn ich mir den Sender in zwei, drei Jahren vorstelle, dann haben wir ein reicheres Programmangebot. Ich habe Angst vor Monokulturen. Die Fernsehgeschichte hat bewiesen, dass diese endlich sind. Auch wenn wir davon weit entfernt sind, weil wir die ganze Bandbreite des Reality-TV abdecken, hat RTL II in den letzten Jahren andere Genres etwas vernachlässigt.

Braucht es eine neue Positionierung?

Im Schwerpunkt wird RTL II junges deutsches Fernsehen bleiben. Gemeint ist: In Deutschland eigenproduziertes Fernsehen, das sich an ein junges Publikum richtet. Hier steht RTL II an der Spitze. Der Anteil an Eigenproduktionen ist im Privatfernsehen nirgendwo höher. Wenn es funktioniert, ist natürlich auch ein zugekauftes Lizenzprogramm toll. Attraktive Lizenzprogramme werden aber immer begehrter,  und es drängen weitere Akteure in die Verwertungskette. Da geben Eigenproduktionen unternehmerische Freiheit. Das ist strategisch sehr wichtig.

Wenn man den Sender breiter aufstellt: Passt dann der auf leichte Unterhaltung ausgerichtete, omnipräsente Claim "it's fun" noch?

Wir diskutieren tatsächlich, ob "it's fun" heute noch zu dem passt, was RTL II ist. Es ist wichtig, dass man sich auch hier immer wieder hinterfragt. Aber wir lassen uns die Zeit, die es braucht, um eine gute Alternative zu finden. Grundsätzlich finde ich unseren Senderauftritt immer noch sehr frisch. Aber in einem breiteren Programmangebot geht es eben nicht immer nur um Spaß.