Herr Stermann, womit hat Sie der NDR überzeugt, in den Norden zu kommen?

Bei "Soul Kitchen" bin ich kein Late-Night-Moderator wie in Österreich, sondern der Gastgeber eines Abendessens und ich bin einfach gerne Gastgeber. "Soul Kitchen" lebt von den Zwischentönen und ist sehr intensiv. Die Idee, mit mehreren Menschen einen im besten Fall schönen Abend zu verbringen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen, hat mir gefallen - auch weil wir ja keine klassische Talkshow machen. Das Format kommt dokumentarisch und mit einer cineastischen Anmutung daher. Das ist ein schönes Experiment, das wir den Zuschauern zumuten wollen.

Mich erinnert "Soul Kitchen" (Freitag, 00:00 Uhr, NDR) sehr an "Durch die Nacht mit...", das seit Jahren bei Arte läuft.

Beide Sendungen sind durch die Idee, einen Abend zu dokumentieren, tatsächlich seelenverwandt. In beiden Fällen geht es nicht zwangsläufig darum, unterhaltsam zu sein. Es ist ein Abend mit offenem Ausgang und vielen Unbekannten, ein echter Blindflug. Als wir um 18 Uhr mit der Aufzeichnung begannen, verschwanden alle verantwortlichen Menschen in den Keller. Um halb 2 kam dann die Ansage, dass die Kameraleute nicht mehr können. (lacht)

Wie haben Sie den Abend mit Dolly Buster oder Laura Karasek empfunden?

Anfangs waren alle sehr vorsichtig, doch es wurde schnell offener. Das liegt schon alleine daran, dass man isst und trinkt und es draußen dunkel wird. Dadurch entsteht eine intime Atmosphäre. Wir haben mit acht Kameras sieben Stunden lang aufgezeichnet - da ist es beinahe schade, dass die Sendung nur 45 Minuten lang ist, weil wir vieles gar nicht zeigen können. Das Sichten und Schneiden hat fast einen Monat in Anspruch genommen.

Können Sie sich eigentlich gut entschuldigen?

Ich kann mich sogar sehr gut entschuldigen.

Es gibt diese Szene mit dem ehemaligen Bodyguard von Udo Lindenberg, mit dem Sie auf der Treppe sitzen und sich bei ihm entschuldigen, nachdem zuvor Lindeburg-Musik gespielt wurde.

Das war ein guter Moment. Ich hatte einen harten Typen erwartet, der aber plötzlich sehr bewegt war, weil ihm diese Freundschaft mit Udo Lindenberg so wichtig ist. Gleichzeitig ist er jemand, der schneller austeilen als einstecken kann. Klassischer Fall von harter Schale und weichem Kern. Das war echt und nicht gespielt.

Ich frage auch deshalb, weil Sie sich in der Vergangenheit schon mehrfach entschuldigen mussten. Sie provozieren gerne.

Die meisten Gründe dafür, sich entschuldigen zu müssen, entstehen, weil ich in meinem Beruf so viel reden muss. Da läuft man Gefahr, auch mal übers Ziel hinauszuschießen. Bei "Soul Kitchen" können wir zur Not schneiden, aber in Live-Momenten lässt sich kein Wort mehr zurückholen. Damit kann ich allerdings sehr gut leben.

Wie hält es der ORF seit 25 Jahren so gut mit Ihnen aus - oder umgekehrt gefragt: Wie halten Sie es mit dem manchmal etwas biederen ORF aus?

Ich bin ein echter ORFler. Seit ich arbeite, arbeite ich für den ORF und bin dem Sender dankbar, dass ich in all den Jahren so viel ausprobieren konnte. Ich mag es, öffentlich-rechtlich zu sein.

Aber Sie loten die Grenzen aus.

Natürlich, aber das ist im öffentlich-rechtlichen Fernsehen viel leichter. Viele Kreativen schimpfen zwar auf das starre System, aber meine Erfahrung zeigt mir, dass es wesentlich mehr Freiräume gibt. Mein Bühnenpartner Christoph Grissemann und ich haben mal für Sky gearbeitet und da war von Anfang an klar, dass man sich nicht über den Sender lustig machen darf. Dabei ist es doch hochgradig albern, sich selbst oder die eigene Firma nicht mal aufs Korn zu nehmen! Nur so kann man eine Art von Verbundenheit herstellen.

Sie sind in Österreich ein großer Star, in Deutschland hört man selten von Ihnen. Ärgert es Sie manchmal, dass hierzulande kaum wahrgenommen wird, was Sie beim ORF machen - obwohl Sie ja gebürtiger Duisburger sind...

Das ärgert mich gar nicht. Wenn ich in Deutschland bin, habe ich meine Ruhe. Ich muss nur die Grenze übertreten und der Wahnsinn hört auf einen Schlag auf.