Herr Wagner, ein Weltkonzern wie Disney überlässt selten etwas dem Zufall. Vor dem Start des frei empfangbaren Disney Channels sagten Sie jedoch, dass dieses Projekt ein ungewöhnliches Wagnis sei. Ein Jahr nach dem Start die Frage: Ist das Wagnis aufgegangen?

Lars Wagner: Die Bilanz nach einem Jahr ist bestimmt deutlich positiver als ich es damals gedacht hätte. Es war für uns ein wohlüberlegter Strategie-Wechsel. Den beleuchtet man natürlich im Vorfeld intensiv, aber Sie haben Recht: Es gab ein gutes Maß an unternehmerischem Risiko bei der Entscheidung, mit einem frei empfangbaren Disney Channel auf Sendung zu gehen. Und jetzt blicken wir auf ein erfolgreiches erstes Jahr zurück.



Wie definieren Sie hier Erfolg?

Lars Wagner: Wir sehen drei Säulen, in denen wir Erfolge erzielt haben: Verbreitung, Programm und Marketing. Wenige Sender haben in diesen drei Bereichen gleich im ersten Jahr so viel erreicht. Und dann gibt es für uns noch ein Kriterium, das sich schwer in Zahlen fassen lässt: Die Stärkung der Marke Disney. Das war unsere Priorität, weil wir mit der Präsenz im deutschen Fernsehen zuvor nicht zufrieden waren.

Und diese Stärkung ist bereits gelungen?

Lars Wagner: Ich sage mal nur „Violetta“. Die Telenovela ist inzwischen ein Teenie-Phänomen. Wir haben die Olympiahalle in München mit ihrer Tour zweimal ausverkauft und deshalb wurden bereits Folgekonzerte ab Herbst in ganz Deutschland angesetzt. Dieses Franchise haben wir sozusagen komplett aus eigener Kraft im ersten Sendejahr erfolgreich in der Zielgruppe etabliert. Das hat sogar unsere internen Planungen übertroffen.

Lassen Sie uns mal kurz die von Ihnen angesprochenen Säulen durchgehen. Mit Verbreitung meinen Sie technische Reichweite, nehme ich an. Die Quoten haben schließlich noch Luft nach oben.

Lars Wagner: Wir hatten vom Start weg eine hervorragende technische Verbreitung, auch in analogen Kabelnetzen. Das haben wir wenige Wochen nach dem Start sogar nochmal um 5 Prozent auf 98 Prozent hochschrauben können. Das ist der wichtigste Grundpfeiler für einen neuen Sender. Dann haben wir nicht nur zum Start sondern immer wieder mit umfangreichen Marketingmaßnahmen die Bekanntheit erhöht. Beim Programm haben wir im Tagesprogramm dank Disney mehr Inhalte als wir zeigen können und in der Primetime haben wir wie angekündigt in attraktive Programme investiert.

Das klingt so zufrieden. Ein bisschen zu zufrieden.

Lars Wagner: Wir haben den Sender zwar neu geplant, aber basierend auf den langen Erfahrungen aus dem Pay-TV. Wir sind ja nicht neu im Geschäft.

Ralf Gerhardt: Und wir hatten natürlich auch diverse Erfahrungen aus unserer Arbeit im Free-TV mit den Kölner Kollegen. Aber ja, wie Sie sagen: Man probiert aus, nicht alles funktioniert hundertprozentig. Aber das ist doch die Schönheit des 2. Jahres: Man hat gelernt und kann sich verbessern bzw. auf das aufbauen, was schon sehr stark ist. In der Daytime läuft schon wahnsinnig viel gut im ersten Jahr. Da sind wir weiter als man annehmen konnte.

Dann formuliere ich es mal deutlicher: Einige Formate sind gefloppt in der Daytime und die Primetime tut sich noch weitaus schwerer.

Ralf Gerhardt: Es gibt natürlich Sendungen, die auf Dauer nicht die Stärke gezeigt haben, wie erhofft. Wenn sie nur 6-7 Prozent, nicht aber 9 Prozent schaffen, haben wir sie aussortiert. Dafür ist unsere Library ja groß genug. 

"Die Strahlkraft der Marke Disney hilft auch im Netz"

Lars Wagner


Wie wichtig ist Ihr Livestream des Programms via kostenloser App?

Lars Wagner: Das Digital-Angebot wird ganz sicher eine wachsende Komponente sein, die uns wiederum besser hilft, gefunden zu werden. Die Strahlkraft der Marke Disney hilft auch im Netz. Der große Push kam, als wir mobile Versionen für Android und iOS gestartet haben, die inzwischen schon über 800.000 Mal downgeloadet wurden. Nehmen Sie "Violetta", ein Format, das sich aufgrund der Erzählstruktur einer Telenovela perfekt für eine On-Demand-Nutzung eignet. Mit den Mediathek-Abrufen verdoppeln wir im Laufe einer Woche mehr oder weniger die Reichweite, die wir klassisch über das lineare TV erreichen. Wir kommen dadurch alleine mit "Violetta" zuletzt auf 1,1 Mio Episoden-Abrufe pro Woche. Das sind dann schon Zahlen, die für uns unter dem Reichweiten-Aspekt eine Bedeutung haben.

In der Primetime setzte der Disney Channel auf mehrere, für einen neuen kleinen Sender erstaunlich ambitionierte Eigenproduktionen. Die floppten jedoch. Wollten Sie da mehr als das Publikum vom Disney Channel erwartet?

Ralf Gerhardt: Da bin ich mir nicht so sicher. Bei den Eigenproduktion gibt es Sendungen wie „Disney Magic Moments“, die richtig gut funktionieren. Aber auch Produktionen, die nicht den Erwartungen entsprechend funktioniert haben. Aus denen haben wir wiederum viel gelernt. So wissen wir, dass die Zuschauer von uns eine Nähe zur Marke Disney erwarten und wir dann erfolgreich sind, wenn wir uns auch in den Eigenproduktionen damit beschäftigen. Deshalb überlegen wir z.B. was man aus den „Magic Moments“ noch machen kann. Wir gucken aber auch aufs Thema Musik. Würde mich nicht wundern, wenn wir da in diesem Jahr etwas starten würden. Wenn wir über „Mission Freundlichkeit“ sprechen, dann ist die Quote das eine aber die öffentliche Besprechung das andere. Das Format wurde von der Presse sehr positiv aufgenommen  und über Social Media sehr weit getragen. Das hat uns geholfen, auch wenn die Zuschauerzahlen nicht überzeugten. Das war ein Investment in Wahrnehmung und Imagebildung.

Lars Wagner: Von den Einschaltquoten her sind wir besonders mit dem Erfolg im Kindermarkt sehr zufrieden, gleichzeitig aber haben wir aber auch noch eine große Aufgabe vor uns: Die Primetime. Wir werden von den Zuschauern, anfangs aber auch innerhalb der Branche, teilweise auf das Thema Kindersender reduziert, was definitiv so nicht stimmt. Wir machen ein starkes Programm für Kinder, aber wir arbeiten gleichermaßen hart daran, die wirklich attraktiv ausgestattete Primetime noch bekannter zu machen.

Ralf Gerhardt: Und beim Stichwort Eigenproduktion freue ich mich, sagen zu können: Wir haben gerade den nächsten Produktionszyklus unserer eigenen Serie "Binny und der Geist" freigegeben, weil wir mit der Entwicklung der ersten Staffel sehr zufrieden waren. Der Staffel-Bogen für die Fortsetzung ist bereits entwickelt, gerade befinden wir uns in der Buchphase, sodass wir in den Osterferien vier weitere Folgen drehen können.