Herr Höhner, drücken Sie Borussia Dortmund momentan eigentlich besonders die Daumen?

Es ist ja verständlich, dass gerne auf die großen Traditionsklubs wie Schalke oder Dortmund geschaut wird, aber warten wir doch einfach mal ab, wie es kommt. Es geht meistens schief, wenn man sich einen bestimmten Verein besonders wünscht. Mir kommt es aber gar nicht so sehr darauf an, ob Borussia Dortmund in der Europa League spielt oder nicht – ich gehe ganz sportlich an die Sache heran.

Der BVB wäre jedenfalls ein echtes Zugpferd in der ersten Europa-League-Saison von Sport1.

Ich sehe das relativ. Ich finde die Europa League auch deshalb hoch interessant, weil sehr oft Mannschaften auftauchen, die lange nicht international gespielt haben, die nicht Dauergäste in der Champions League waren wie Bayern oder der BVB. Es sind Vereine wie Gladbach, Hannover oder Frankfurt, die regelrecht nach dieser internationalen Bühne gelechzt haben. Diese Leidenschaft für den Wettbewerb finde ich im Fanverhalten wieder. Denken Sie an zehntausend Hannoveraner und Gladbacher Fans, die nach Kopenhagen reisen beziehungsweise auf der Spanischen Treppe in Rom sitzen, oder die 12.000 Eintracht-Fans in Bordeaux. Solche Bilder drücken die wahre Qualität dieses Wettbewerbs aus.

Dennoch wird die Europa League nicht von allen geliebt - etwa mit Blick auf den ausgedehnten Spielmodus und die oft unbekannten Mannschaften.

Selbst die besten Mannschaften können schlechte Spiele abliefern. Das ist für mich kein wichtiges Kriterium. Für mich ist Fußball vor allem Emotion und Leidenschaft. Das transportiert sich durch nichts mehr als durch die Begeisterung der Fans. Das beste Spiel würde keinen Spaß machen, wenn die Stadien leer wären. Und die Fanbewegungen haben wir ja gerade erwähnt...

Haben Sie ein Werkzeug, um diese Emotionen zu transportieren?

Mir geht es nicht darum, mich selbst zu inszenieren. Bei aller guten Vorbereitung ist es mir wichtig, den Moment emotional zu erleben. Das geht nur, wenn man echter Fußballfan ist. Da hilft es nichts, sich schon Tage vor dem Anpfiff vermeintlich lustige Sprüche zurechtzulegen.

Wie ist Ihre Liebe zum Fußball entstanden?

Wahrscheinlich wie bei den meisten von uns. Mein Vater hat mich einmal mit ins Stadion genommen, der große Bruder dann ein zweites Mal. Von diesem Tag an war klar: Fußball ist mein Leben.

Das Ziel, Kommentator zu werden, hatten Sie damals auch schon vor Augen?

Ich habe als Kind jeden Samstag im Keller verbracht, um den kompletten Nachmittag über Fußballspiele aus einem Legostadion zu kommentieren. Viele haben später geschmunzelt, dass ich wirklich in diesem Beruf gelandet bin. Es war allerdings geprägt von vielen Zufällen. Während ich bei RTL als Student gejobbt habe, erkannte Ulli Potofski irgendwann Talent bei mir und schickte mich einfach mal ins Stadion.

Erinnern Sie sich an Ihren ersten Einsatz?

Definitiv. FC Homburg-Saar gegen Schalke 04. Ulli Potofski schickte mich damals los und sagte, ich soll einen kleinen Bericht dazu machen. Es kam alles anders, weil es das erste Spiel war, das wegen Regens abgebrochen wurde. Ein einfacher Spielbericht war da nicht mehr möglich. (lacht)

Derzeit sind Sie Nationalmannschaftsreporter bei Sport1, waren also beim WM-Gewinn im vorigen Jahr sehr nah dran. Wie präsent sind diese Eindrücke noch?

Wie viel Zeit haben Sie? (lacht) Im Ernst: Es ist schwer, das alles in Worte zu fassen. Ich habe über die Jahre hinweg viel erlebt, aber die WM überragt alles. Es waren unvergessliche fünfeinhalb Wochen, in denen ich bei allen Spielen dabei sein durfte. Mit der Zeit baut sich ein unglaublicher Spannungsbogen auf. Nach dem 7:1 gegen Brasilien musste man sich zwicken, ob man das alles träumt. Und nach dem Finale im Maracana oder dem Heimflug im Siegerflieger, der über der Fanmeile mit den Flügeln wackelte, ist man sehr dankbar, das alles erlebt zu haben. Und ich bin Sport1 dankbar, dass ich für diesen Job ausgesucht wurde.

Bei aller Euphorie: Wie schwer fällt es bei solchen Reisen, die nötige Distanz zu wahren?

Das fällt mir gar nicht schwer, weil ich mich immer als berichterstattender Journalist gesehen habe. Im Rahmen meines Volontariats wurde ich bei RTL einst von bei Zeitungen ausgebildeten Journalisten geprägt. So lernte ich, immer kritisch zu bleiben und die Distanz zu wahren. Diese Grundhaltung habe ich auch nie verloren. Und der WM-Triumph war halt eine märchenhafte Positiv-Geschichte.

Inzwischen wird in sozialen Netzwerken nahezu jedes Wort eines Kommentatoren auf die Goldwaage gelegt. Stört Sie diese Entwicklung?

Jeden ärgert es, wenn etwas Ungerechtes gesagt oder geschrieben wird, aber letztlich hat jeder seine Meinung. Wichtig ist, dass es fair bleibt. Alles andere ist Geschmacksache. Punkt.

Kürzlich gab es Angriffe auf Marcel Reif. Stellen Sie in Ihrem Alltag fest, dass die Stimmung gegen Kommentatoren und Journalisten in Stadien aggressiver geworden ist?

Solche Angriffe gehen gar nicht – dagegen muss man vehement vorgehen. Ich glaube allerdings, das ist eine Ausnahme. Momentan haben wir eine Phase in der Bundesliga, in der einige am Rad drehen. Da passt das gewissermaßen gut ins Bild. Überbewerten würde ich die beiden Vorfälle aber nicht.

Herr Höhner, vielen Dank für das Gespräch.