Im August vergangenen Jahres hatten eine handvoll Journalisten aus aller Welt die Gelegenheit in Südafrika zwei Tage am Set von „Homeland“ den Dreh der vierten Staffel zu verfolgen. Es gab an diesen beiden Tagen in der zum TV-Studio umfunktionierten Kühlhalle am Rande von Kapstadt auch die Gelegenheit für Gespräche, wie diesem mit Hauptdarstellerin Claire Danes. Dass sie ein knappes Jahr später in Deutschland drehen würde, war damals noch nicht bekannt. Ohnehin hatte „Homeland“ gerade eine umstrittene dritte Staffel hinter sich. Auch das ist eines der Themen des Gesprächs über die vierte Staffel, die sich nach der US-Ausstrahlung bei Showtime als gelungenen Neustart der gefeierten Serie entpuppte. Am Morgen dieses Gesprächs stand auch das logischerweise noch in den Sternen…

Claire, danke für Ihre kostbare Zeit mitten in den Dreharbeiten zur vierten Staffel. Wir sind heute im Studio am Rande von Kapstadt. Was drehen Sie gerade?

Wir drehen diese Woche im Set des CIA-Kontrollzentrum. Das bedeutet viel Greenscreen-Arbeit, weil wir beim Dreh nicht sehen, was wir uns da anschauen auf den Screens im Raum. Das sind nicht gerade meine Lieblingsszenen beim Dreh, weil ich lieber mit Menschen arbeite als mit dem Greenscreen.

Sie sind bereits mitten in der Staffel, richtig?

Ja, wir drehen gerade Folge 4.06. Die Folge ist sehr stark fokussiert auf die Entwicklungen und Entscheidungen im CIA-Kontrollzentrum. Wir verfolgen von dort einen Key Asset unserer Ermittlungen und hoffen, er führt uns zu unserer gesuchten Zielperson. Und wir drehen noch ein bisschen was für die Folge davor, weil wir da etwas überm Zeitplan waren. Produktionsalltag -  willkommen in meiner Arbeitswelt (lacht).

Was erwartet uns in Staffel 4, wenn wir über Ihre Rolle der Carrie Mathison sprechen?

Ich denke, wir haben jetzt mehrere Staffeln lang sehr viel Drama rund um Carrie persönlich erlebt. Ich würde mal sagen: All diese Erfahrungen und ihr beruflicher Weg haben sie an einen bestimmten Punkt gebracht. Wir erleben in Staffel 4 eine Carrie Mathison, die schon beinahe alarmierend gut auf Hochtouren arbeitet in ihrer neuen CIA-Rolle. Diese Stärke ist eine neue Seite an Carrie. Sie ist jetzt "in charge". Aber natürlich ist da der Schmerz unterhalb der Oberfläche mit dem sie sich einfach nicht beschäftigen will. Sie hat den Tod von Brody noch nicht verarbeitet und das kann nicht gesund sein, so wie sie nicht nur in ihn verliebt war sondern auch in die Entwicklungen, die zu seinem Tod führten, verwickelt war. Und dann hat sie noch das Kind, das sie bei ihrer Schwester zurückgelassen hat.

"Carrie ist noch penibler und ungeduldiger als zuvor"

Klingt weiterhin nach viel Drama rund um Carrie selbst.

Carrie hat ihrer Arbeit immer schon eine beinahe ungesunde Priorität im Leben eingeräumt. In Staffel 4 wird das noch extremer. Sie ist noch penibler und ungeduldiger als zuvor. Letztlich erleben wir sie in dieser Staffel bei dem Versuch, den Verlust von Brody nicht sinnlos erscheinen zu lassen und Frieden damit schließen zu können. Aber das braucht seine Zeit. Im Grunde geht es also auch in dieser Staffel sehr um ihre persönliche Entwicklung - aber aus neuem Blickwinkel. Carrie ist jetzt in hoher Verantwortung bei der CIA.

Und das trotz ihrer bipolaren Störung. Wie realistisch ist das?

Ich glaube wir nehmen uns hier sicher gewisse kreative Freiheiten heraus. Niemals würde Carrie im realen Leben die CIA-Karriere hinlegen können, die sie in der Serie hat. Wir machen hier am Ende Fernseh-Unterhaltung. Dieser Umstand hat gewisse Folgen und die akzeptiere ich. Wir bedienen uns bei der Realität und arbeiten sie für uns - in diesem Aspekt - neu aus.

Wenn man nach der Pause zwischen den Staffeln wieder ans Set geht - wie lange dauert es, bis Sie sich in diesen Aspekt ihrer Rolle wieder reingefühlt haben?

Vor der allerersten Staffel von „Homeland“ habe ich mich natürlich sehr intensiv damit befasst: Viele Bücher gelesen, habe mich mit vielen Menschen getroffen, die darunter leiden und mit einigen Psychologen in meinem Freundeskreis darüber gesprochen. Aber die beste Quelle war für mich das Internet, weil es eine Menge Video-Blogs gibt, in der Menschen sehr persönlich über ihren Umgang und ihre Erfahrungen sprechen. Aber wenn ich jetzt für die vierte Staffel schon zum dritten Mal zu meiner Rolle zurückkehre, dann spiele ich nicht mehr eine bipolare Person. Ich spiele Carrie. Man bekommt im Laufe eines solchen Serien-Lebens schließlich einen großen Bezug zur Rolle.

Homeland© Showtime/Kabel Eins

Hat Claire Danes viel mit Carrie Mathison gemein?

Nein, nicht wirklich. Wir haben nicht die gleiche Frisur (lacht) Im Ernst: Es macht so großen Spaß Carrie zu spielen, weil sie oft ohne Rücksicht auf das, was andere über sie sagen, ihre Ziele verfolgt. Sie erklärt sich nicht, sie macht es einfach. Sie kümmert sich auch nicht darum, was man jetzt von einer Frau erwarten würde und was nicht. Dieses Geschlechter-Denken hat sie nicht. Und sie ist ganz sicher nicht langweilig. In der vierten Staffel ist sie in einer neuen Rolle, aber ich weiß nicht, ob sie da in guter Gesellschaft ist und bin gespannt, wie die Fans mit Carrie und ihrer neuen Aufgabe klarkommen. Und dann hat sie dieses Baby, das sie bei Ihrer Schwester parkt. Ich glaube das ist eines der letzten Tabus in unserer heutigen Gesellschaft: Eine Mutter, die keine mütterlichen Gefühle für ihr Kind entwickelt. Auch das ist mitunter verstörend für manche Zuschauer. Die Rolle der Carrie Mathison ist ein permanenter Test der Toleranz der Zuschauer. Bemerkenswert, wie die Autoren es trotzdem noch schaffen, sie wie eine Heldin aussehen zu lassen (lacht). Sie hat halt gute Absichten. Ich würde mir für sie wünschen, dass sie glücklich wird.

Sie ist jetzt in hoher Verantwortung bei der CIA - und Saul, ihr ewiger Mentor und früherer Boss, ist nicht mehr bei der CIA. Die Beziehung zwischen den Beiden ist eine sehr zentrale in „Homeland“ - und wird jetzt komplett auf den Kopf gestellt?

Gut beobachtet. Ja, Saul arbeitet jetzt in der Privatwirtschaft. Er ist raus aus dem CIA-Spiel und vermisst es. Wir erleben ihn ziemlich mürrisch über diesen Umstand und die Dinge, die jetzt ohne ihn entschieden werden. Die im Zweifel bei ihm um Rat fragende Carrie wiederum, für die er lange eine Vaterfigur war, ist jetzt am Drücker bei der CIA in Pakistan. Ein spannender Rollentausch in der Beziehung zwischen den beiden.

"Es ist nun mal die Realität, wenn man in Verantwortung ist: Man verändert sich"

In Staffel 3 war Saul in höchster CIA-Verantwortung. Das machte ihn eher unsympathisch…

Eine sehr interessante Entwicklung, wie ich finde, weil er plötzlich als Boss zwangsläufig auch schwierige Entscheidungen treffen musste, die Carrie nicht nachvollziehen konnte. War er vorher noch dieser liberale, unkonventionelle und liebenswerte Kauz, musste er plötzlich in seiner Rolle als CIA-Chef funktionieren. Die „Homeland“-Fans hatten mit diesem Wandel in der Tat zu kämpfen, weil viele ihn aus den ersten beiden Staffeln als sehr sympathische Vaterfigur in Erinnerung hatten. Aber das ist nun mal die Realität, wenn man in Verantwortung ist: Man verändert sich. Weil Saul aber im Herzen der geblieben ist, den das Publikum so liebt, hat er es nicht lange an der Spitze der CIA ausgehalten. Dazu ist er zu überlegt, zu abwägend. Und das ist gefährlich, wenn Entscheidungen getroffen werden müssen.

Diese Entscheidungen aus Verantwortung heraus muss in Staffel 4 Carrie treffen.

Ja, ich bin gespannt wie das Publikum auf Carries neue Rolle reagieren wird. Die Geschichte ist so nervenaufreibend und überraschend wie noch nie. Unsere Autoren sind so begnadet in ihrem Handwerk, wenn es um das Aufbauen von Spannung geht. Ich bin auch im vierten Jahr voller Ehrfurcht vor der dieser Gabe, so hochgradig spannende Plots ineinander zu verweben. Solch gute Drehbücher sind für uns Schauspieler ein Geschenk.