Herr Geißendörfer, ARD-Programmdirektor Volker Herres verglich die „Lindenstraße“ kürzlich mit seiner 30-jährigen Ehe. Ist das eigentlich positiv oder negativ?

Hans W. Geißendörfer: Ich habe weder positiv noch negative Empfindungen, sondern hörte nur einen sachlichen Vergleich. Er sagte, er sei 30 Jahre verheiratet und hätte kein Verlangen danach, sich scheiden zu lassen. Das heißt doch eigentlich, er hat kein Verlangen, die „Lindenstraße“ zu beenden. Jetzt müssen den Aussagen nur die Taten folgen.

Wann läuft der aktuelle Vertrag aus?

Hans W. Geißendörfer: Die „Lindenstraße“ produziert noch bis Ende kommenden Jahres. Das bedeutet, dass die bis dahin gedrehten Folgen bis April 2017 ausgestrahlt werden können. Die Beteiligten sind allerdings nicht nervös. Unser Selbstvertrauen ist groß, auch weil wir wegen unserer Inhalte einen Einmaligkeitsstandpunkt besitzen.

Sind Sie inzwischen von den ständigen Verhandlungen um die Zukunft genervt?

Hans W. Geißendörfer: Ja und Nein. Man gewöhnt sich ja an alles. Allerdings ist der WDR gerade dabei, sich zu erneuern und muss gleichzeitig viele Millionen einsparen. Das muss ich hinnehmen.

Der WDR könnte auch Sie bitten, auf die Kostenbremse zu treten.

Hans W. Geißendörfer: Natürlich kann uns gesagt werden, dass wir die „Lindenstraße“ billiger herstellen sollen. Da gibt es allerdings eine Grenze. Und die haben wir schon erreicht. Deswegen sind die Alternativen klar definiert: Entweder gibt es die „Lindenstraße“ so wie sie ist – oder es gibt sie gar nicht. Gleichzeitig müssen wir uns aber auch selbst kritisch hinterfragen: Wollen wir denn noch? Haben wir nach 30 Jahren noch etwas zu erzählen?

Und wie lautet die Antwort?

Hans W. Geißendörfer: Ich bin zusammen mit meinen Autoren überzeugt, dass wir noch viel zu erzählen haben, da dieses Deutschland ja ausgesprochen lebendig daherkommt. Es gibt viele aktuelle Themen, zurzeit, nicht nur die Flüchtlingsdebatte. Deshalb bin ich da ganz entspannt.

Lindenstraße© WDR/Lindenstrasse

Früher konnte kommen, was wollte – die „Lindenstraße“ war immer gesetzt. Das hat sich geändert.

Hans W. Geißendörfer: Herr Herres hat in der Tat schon mal zwei Folgen gekippt. Einmal waren wir vorbereitet, vor einigen Jahren wegen der Olympischen Spiele. Und dann in diesem Sommer ganz kurzfristig wegen der Tour de France. Völlig unangekündigt.

Hana Geißendörfer: Das ist für unsere Fans natürlich sehr frustrierend. Sie schalten ein und kriegen erst mal keinerlei Information darüber, wo sie die „Lindenstraße“ sehen können.

Wäre es Ihnen lieber gewesen, die Folge einfach eine Woche später auszustrahlen?

Hans W. Geißendörfer: Das geht nicht wegen unserer Inhalte. Wir spielen an dem Donnerstag vor dem Sonntag, an dem gesendet wird. Richtig wäre gewesen, die Serie nicht nur auf Einsfestival zu spielen, sondern zumindest nachts im Ersten.

Das klingt nach fehlender Wertschätzung.

Hans W. Geißendörfer: Herr Herres hat die Lindenstraße kürzlich als absoluten Felsen in der ARD bezeichnet und als wichtige Marke dargestellt. Deshalb ist unverständlich, warum er eine Folge „Lindenstraße“ ohne jegliche Information aus dem Programm nimmt. Das macht traurig, auch wenn wir für Einsfestival trotzdem noch eine ordentliche Quote holten.

... aber da fehlen natürlich eine ganze Menge an Zuschauern, die nächste Woche wieder einschalten und gar nicht wissen, was in der Zwischenzeit passiert ist.

Hans W. Geißendörfer: Natürlich. Das ist ärgerlich, schließlich ist die „Lindenstraße“ - leicht erkennbar - „eine Fortsetzungsgeschichte“.

"'Lindenstraße' mit den amerikanischen Serien zu vergleichen, ist schlicht falsch."
Hans W. Geißendörfer, Produzent

Ist die „Lindenstraße“ denn noch zeitgemäß – oder kämpft sie nicht in Wirklichkeit einen aussichtslosen Kampf gegen all die großartigen Serien wie „Breaking Bad“ oder „House of Cards“?

Hana Geißendörfer: Ich frage mich das auch manchmal. Es sind so viele qualitativ hochwertige Serien im Angebot, dass es schwer fällt, einen Überblick zu behalten. Allerdings ist die „Lindenstraße“ in Deutschland stark verankert – und das ist auch im Jahr 2015 noch ihre Stärke. Es ist ein Phänomen, das sich von Generation zu Generation überträgt.

Hans W. Geißendörfer: Lindenstraße mit den amerikanischen Serien zu vergleichen, ist schlicht falsch, weil „Lindenstraße“ in erster Linie deutsche Wirklichkeit spiegelt und nicht von fiktiven Geschichten der Fantasie, - dargeboten in einem bestimmten Genre-, lebt. Aber gerade weil „Lindenstraße“ so ist, sind wir sehr stark bei den jungen Leuten. Das ist auch der Grund, weshalb wir sehr optimistisch sind, dass wir noch ein paar Jahre weitermachen können.