Haben Sie sich im Vorfeld der Umstellung bei Kollegen umgehört?

Wir haben geschaut, wie es die Schweizer und die Engländer machen. Die Kollegen der BBC nennen die Zeit zwischen 2000 und 2010 "the lost decade", weil damals viele Fehler gemacht wurden. Damit es uns nicht ähnlich geht, haben wir schon vor einigen Jahren einen Innovationsprozess für das gesamte Haus in Gang gesetzt, der hr.2020 heißt. Unser Projekt ist darin definiert als Leuchtturmprojekt für die Wandlung einer Fachredaktion in Richtung Mehrmedialität. Wir können jedoch nicht einfach alle Teile zusammenwerfen und hoffen, dass sich jeder zusammenrauft. Ich will schließlich auch weiterhin einen Florian Naß haben, der ein glänzender Fernsehkommentator ist. Der soll doch jetzt bitte nicht anfangen, Online-Artikel zu schreiben. Man muss allerdings ein Verständnis dafür haben, wie ein komplementärer Ansatz aussieht. Es geht darum mitzudenken, den Kollegen von Hörfunk oder Online Hinweise zu geben. Dafür haben wir einen Content-Manager engagiert, der letztlich eine Kommunikation herstellt.

Seit einiger Zeit setzen Sie im Fernsehen und Radio sogar auf denselben Sendungsnamen...

Es geht darum, dem Zuschauer, Hörer oder Nutzer das Gefühl zu geben, überall das gleiche Produkt zu bekommen. Mich hat es ein Stück weit überrascht, dass es bei uns im Haus derart unkompliziert lief, die Bundesliga-Sendung "Arena" beim Radiosender hr1 analog zu unserer TV-Sendung in "Heimspiel" umzubenennen. Man gibt eine Marke ja nicht leichtfertig auf. Das fand ich schon bemerkenswert.

Ist das "Heimspiel" denn wirklich eine derart starke Marke?

Es gibt im Fernsehen nur noch sehr wenige Marken, die "Tagesschau", die "Sportschau" und den "Tatort" – und dann wird’s schon eng. In einem solchen Umfeld überhaupt als Marke wahrgenommen zu werden, ist schon extrem schwierig. Umso größter war die Überraschung, als uns nach der Marktforschung bewusst wurde, wie bekannt die Marke "Heimspiel" in Hessen ist.

Welche Rolle soll der Name im Netz spielen?

Derzeit sind wir auf hessenschau.de vertreten. Wir haben aber so etwas gemacht wie "Heimspiel-Live-Web". Da verbinden wir die Elemente, also Hörfunk, Fernsehen und Online, im Ticker-Format. Setzen auf User-Content und Kommentare. Das ist ein Programmelement, das wir mehrmedial aufgestellt haben. Die stärksten Ausschläge hatten wir, als publikumsstarke Mannschaften in der 3. Liga gespielt haben, weil wir gleich die Tore zeigen konnten. Wünschenswert wäre natürlich, so etwas auch bundesweit zu etablieren – dafür braucht es aber natürlich auch die nötigen Rechte.

"Man muss das weiterdeklinieren. Discovery hat die Olympia-Rechte für 50 Länder erworben – aber muss man dann auch Programm machen."
Ralf Scholt über neue Konkurrenz auf dem Sportrechte-Markt

Haben Sie das Gefühl, dass der Kampf um Rechte härter geworden ist?

Das ist schon lange kein Selbstläufer mehr. Wenn es wirklich mal zu einem globalen Mitbieten um nationale Rechte kommt, dann werden die Größenordnungen, über die wir uns momentan aufregen, keine Rolle mehr spielen. Für Yahoo oder Google wären solche Investitionen ein Bruchteil ihres Werbeetats. Klar, das alles sind noch Chimären, aber Discovery ist schon mal da. Und wer sagt denn, dass es denen reicht, alle zwei Jahre die Olympischen Spiele zu zeigen? Vielleicht fänden die jeden Samstag viel toller. Nehmen Sie die Handball-Rechte in Skandinavien oder die Ski-Rechte in der Schweiz – da wurde nicht verhandelt, sondern mal eben verdoppelt. Jeder andere muss bei solchen Zahlen aufgeben. Wenn derart finanzstarke Player auf diese Weise an attraktive Rechte herangehen wie sie es bei Olympia getan haben, dann wird das sicher in Zukunft noch ein spannendes Thema werden. Allerdings ist der Kauf von Rechten bloß eine Seite...

Und die andere?

Man muss das weiterdeklinieren. Discovery hat die Olympia-Rechte für 50 Länder erworben – aber muss man dann auch Programm machen oder sich um die Distribution kümmern und eine Logistik herstellen. Das ist dann nicht ganz so einfach, und zwei Jahre sind gar nichts. Außerdem wird man sehen müssen, was das für die einzelnen Sportarten bedeutet. Die Wahrnehmung für die Olympischen Spiele in Korea wird eine andere sein als bei den letzten Spielen, weil die Vorbereitungszeit viel kürzer ist.

Sie sind nicht nur Sportchef des hr, sondern auch vielen Zuschauern als Moderator und Reporter bekannt. Wie wichtig sind die Gesichter einer Sendung für den Erfolg?

Als Moderator sage ich natürlich, der Moderator ist das mit Abstand wichtigste bei einer Sendung. Als Redaktionsleiter sage ich, dass das totaler Quatsch ist. Unsere Sendungen sind zunächst mal so gestrickt, dass sie mehrere Menschen präsentieren können. Ich schaue Böhmermann wegen des Moderators, und ich habe die "Schmidt-Show" früher wegen Harald Schmidt gesehen. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass man die "Sportschau" am Samstag vollkommen gleichgültig von dem schaut, der das Ding moderiert. Ich war ja lange beim WDR und habe mitbekommen, wie sich die Menschen über Heribert Fassbender aufgeregt haben. Aber sie haben geguckt, was er gemacht hat, weil es nicht primär um ihn ging, sondern um den Fußball.

Herr Scholt, vielen Dank für das Gespräch.