Schalten die Leute eigentlich wegen Ihnen oder wegen einer Sendung ein?

Ich glaube nicht, dass die Leute wegen eines Moderators schauen.

Ach, hören Sie auf...

Das ist meine feste Überzeugung. Es mag bestimmte Ausnahmen in ganz bestimmten Situationen geben. Bei Thomas Gottschalk wollte man immer sehen, welche Klamotten er heute wieder trägt. Aber was ich mache, ist doch nun wirklich keine große Kunst. Ich male keine Bilder und baue keine Kirchen. Ich bin Handwerker – und das Handwerk der Moderation beherrsche ich einigermaßen. Wenn Sie so wollen, dann bin ich ein Mechatroniker mit einer sehr soliden Grundausbildung. Ich habe das nämlich intensiv gelernt und war erst mal sehr lange nicht vor der Kamera. Als Reporter habe ich Spiele der zweiten Bundesliga im Tischtennis der Damen kommentiert und war der einzige Zuschauer in der Halle. Das stimmungsvoll rüberzubringen, ist die beste Schule.

Gab es denn einen speziellen Moment, in dem Sie gemerkt haben, dass Sie vor die Kamera gehören?

Ein Erweckungserlebnis gab es nicht, aber ich habe mit der Zeit gespürt, dass ich es kann und der Job mich nicht belastet. Mir hat mal jemand gesagt, dass ich nicht in die Kamera schaue, sondern durch sie hindurch. Vielleicht stimmt das ja.

Sie haben das Privatfernsehen in einer sehr frühen und einer späten Phase erlebt, kennen aber auch die Öffentlich-Rechtlichen besten. Zu welcher Zeit war's am schönsten?

Jetzt beim ZDF.

Warum?

Vielfalt, ein bisschen mehr Ruhe, weniger Sendungen. Ich war ja eine Zeit lang eine Arbeitsmaschine, weil die Talkshow erfolgreich war und immer besser lief. Da wirst du mit der Zeit süchtig. Jetzt große Shows zu machen, aber auch kleine, stimmungsvolle Sachen – das bereitet mir großen Spaß. Life-Work-Balance: Optimal. Da bleibt sogar Zeit für Binge-Watching. Wenn ich will, kann ich "Narcos" in einem Rutsch anschauen.

Im Dezember stehen jetzt aber wahre Kerner-Festspiele an...

Los Wochos.

Besser gesagt: Los Kernos.

(lacht) Dann schreiben Sie aber auch über die anderen Monate, in denen ich viel weniger mache. Das ballt sich jetzt etwas mit "Ein Herz für Kinder", "Das Spiel beginnt" und dem "Quiz-Champion", den wir erstmals als Jahresrückblick aufziehen werden. Und damit ich an Silvester nicht auf dumme Gedanken komme, darf ich erstmals zusammen mit Andrea Kiewel die große Show vorm Brandenburger Tor moderieren, die bereits um 20:15 Uhr beginnen wird.

Die Bühne am Brandenburger Tor ist Ihnen ja bestens vertraut.

Das stimmt. 2006 haben wir eine halbe Million Menschen bespaßt, um den dritten Platz der Nationalmannschaft bei der WM zu feiern.

Das ist dann keine Routine mehr, oder?

So etwas kann gar keine Routine sein. Das war im wahrsten Sinne des Wortes ein Sommermärchen und vermutlich das letzte Mal, dass die Deutschen über Wochen Grund hatten, sich zu freuen. Der damalige Bundespräsident sagte: "Wie toll, dass ich nicht mehr der einzige bin, der mit Deutschland-Fähnchen am Auto herumfährt." Eine wunderschöne Zeit. Ich hoffe sehr, dass wir so etwas in unserem Land mal wieder hinbekommen.

"Im Moment bin ich ganz nah bei mir selbst."
Johannes B. Kerner

Ich hatte vorhin übrigens fast darauf spekuliert, dass Sie sagen würden, das Hier und Jetzt sei die schönste Zeit.

Sie denken jetzt, ich lüge, oder?

Nein, gar nicht. Aber die WM-Party war ja beispielsweise auf dem Höhepunkt Ihres Erfolgs.

Die Anfangsphase meiner Karriere war schön, die Neuerfindung der Sport-Berichterstattung mit "ran" bei Sat.1 natürlich auch. In Reinhold Beckmanns Team dabei gewesen sein zu dürfen, war ein großer Glücksfall. Und klar, auch die Talkshow-Phase mit der Moderation von "Menschen" will ich nicht missen. Es gab schon eine Reihe schöner Zeiten. Im Moment bin ich aber ganz nah bei mir selbst. Im nächsten Jahr möchte ich natürlich wieder ein paar neue Dinge machen – und so wird’s auch kommen.

Mussten Sie denn erst lernen, aus Ihrer "Arbeitsmaschinen"-Zeit herauszukommen?

Ich bin ja selbst mit Karacho herausgesprungen. Insofern war das auch ein Lernprozess, klar.

Und dann dachten Sie: Jetzt wieder die gute, alte Talkshow zu moderieren – das wär's...?

Ich würde jetzt gerade nicht gerne Dailytalk machen, weil mir die Redundanz bei Fragen und Gästen bewusst ist. Aber das habe ich ja auch alles selbst erlebt.

Hatten Sie in der Vergangenheit das Gefühl, zu präsent im Fernsehen zu sein?

Es gab einmal bei einer völlig absurden Reise einen solchen Moment. Ich war bei den Olympischen Spielen in Peking, bin für ein Länderspiel nach Hause geflogen, und am nächsten Tag wieder zurück nach Peking. Da denkst du schon: Normal ist das alles nicht. Das hing damit zusammen, dass sich wegen Olympia alle Fußball-Moderatoren in China befanden. Aber einer musste eben fliegen. Also habe ich abends noch die Zusammenfassung in Peking präsentiert, bin nachts um 2 Uhr in den Flieger nach München gestiegen und dann weiter nach Nürnberg gefahren. Ich weiß noch, wie ich mitten in der Nacht im Maritim-Hotel das Fenster öffnete, um einfach mal frische Luft zu atmen. Davon gab's in Peking ja auch nicht allzu viel.