Wer waren die wichtigsten Menschen, die Ihnen beim Fernsehen begegnet sind?

Da gibt es viele. Ich arbeite seit vielen Jahren wahnsinnig gerne mit Dennis Muhl zusammen. Das ist für mich eine der großen Begegnungen in meinem Berufsleben. Aber auch mit Markus Heidemanns hatte ich tolle Zeiten und mit dem Regisseur Volker Weicker habe ich Sendungen gemacht, bei denen der Ablauf auf einen einzigen Zettel passte. Vor allem aber hatte ich Chefs, die mich haben machen lassen. Ich kann Jochen Sprenzel, der als Sportchef beim SFB Leute wie Anne Will, Steffen Simon, Dieter Gruschwitz, Norbert König, Andreas Witte, Hajo Seppelt und eben mich ausgebildet hat, gar nicht dankbar genug sein. Und Michael Lion, der mich zu "ran" mitgenommen hat und leider viel zu früh verstorben ist. Toll auch der Moment, in dem ich mit dem damaligen ZDF-Programmdirektor Markus Schächter zusammensaß, um über eine ganz andere Sendung zu sprechen, als er nach dem Mittagessen plötzlich vorschlug, die Talkshow vier Mal pro Woche zu machen. Er fragte: "Kriegt ihr genug Gäste und Themen?" Und wir sagten: "Ja, klar." Da überlegt man nicht.

Welche Momente vor der Kamera blieben besonders hängen?

Einmal habe ich eine Sendung gemacht, in der der Terrorist Peter Jürgen Boock mit Hans-Jochen Vogel zusammengetroffen ist, der zur Zeit des Deutschen Herbstes Bundesjustizminister gewesen ist. So eine angespannte Atmosphäre habe ich vorher nicht und nachher nicht mehr gehabt. Das war für mich eine prägende Sendung.

Wie sind Sie als Moderator damit umgegangen?

Da habe ich gelernt, die Stille zu ertragen. Obwohl die Frage direkt an ihn ging, hat Vogel erst mal 30 Sekunden lang nichts gesagt. Die anderen haben nichts gesagt. Und ich habe auch nichts gesagt. Diese Stille zu spüren und zu spüren, wie zerrissen er ist und welche körperlichen Schmerzen es ihm bereitet, neben diesem Terroristen, der seine Strafe abgesessen hat, zu sitzen, war wahnsinnig bewegend. Ich habe damals am ganzen Körper gezittert und wollte mir diese Sendung immer noch einmal ansehen, habe es aber nicht fertiggebracht.

Bis heute nicht?

Bis heute nicht. Das schaffe ich nicht. Auch eine andere Geschichte bewegt mich bis heute. Für den Jahresrückblick von Sat.1 bin ich einmal zur Insel Utøya in Norwegen gefahren, um zwei junge Menschen zu treffen, die das Attentat von Anders Breivik überlebt haben. Ich kam gerade aus Japan, weil wir in Fukushima gedreht haben, und wollte die beiden schnell interviewen. Plötzlich sah ich die Fähre, auf der einer der Männer zusammen mit dem Attentäter damals zur Insel fuhr, und konnte nicht mehr. Dann bin ich weggegangen und brauchte einen Moment, um mich zu sammeln. Meine Seele musste wohl erst nachreisen.

Ihr schönster Moment?

Der kommt noch. (lacht) Von denen, die es bislang gab, ganz klar die WM 2006 und EM 2008 mit Jürgen Klopp und Urs Meier. Aber auch zusammen mit Steffen Seibert die Spendengala nach dem Tsunami zu moderieren, die 40 Millionen Euro einbrachte, werde ich nicht vergessen.

Der schlimmste Moment?

Ich hatte bei Sat.1 während einer "ran"-Livesendung mal eine Bombendrohung. Das war eine unangenehme Situation. Einen großen Blackout hatte ich glücklicherweise nicht. Und wenn Sie mich nach meinem größten beruflichen Fehler fragen, dann war das ganz klar 2009 meine Rückkehr zu Sat.1.

Haben sich damals nicht viele das Maul zerrissen, als es nicht lief?

Das habe ich nicht so erfahren, weil das ja hinter meinem Rücken geschah. Allerdings stand meine Rückkehr zum ZDF schon sehr früh fest – wir haben es nur nicht gesagt. Aber es war nicht alles schlecht in Sat.1, immerhin habe ich die Champions League moderiert.

"Das Lagerfeuer wird noch eine ganze Weile brennen."
Johannes B. Kerner

Ist die Fernsehbranche eine dankbare oder eine undankbare Branche?

Mir fehlen die Vergleiche, weil ich nie eine andere kennengelernt habe. Aber ich kann mich nicht beschweren.

Ist es eine ehrliche Branche?

In einer Art und Weise ja. Die Sendung in Sat.1 war ja schlecht und hatte deswegen keine Zuschauer.

Was ärgert Sie mehr: Eine schlechte Kritik oder eine schlechte Quote?

Eine schlechte Quote natürlich. Eine schlechte Kritik ist mir völlig egal. Das mag früher mal anders gewesen sein, als ich anfing. Im Übrigen habe ich gar nicht mehr so viele schlechte Kritiken. Möglicherweise liegt's daran, dass ich auch nicht mehr so viele Sendungen mache. (lacht) Nein, Kritiken sind mir wurscht. Ich will, dass sich möglichst viele Menschen an meinem kleinen Lagerfeuer wärmen?

Und das wärmt noch lange?

Wie gesagt: Ich schaue bei Netflix "Narcos" hintereinander weg, das für mich nochmal zwei Stufen über "House of Cards" liegt. Aber ja, das Lagerfeuer wird noch eine ganze Weile brennen.

Was wäre eigentlich aus Ihnen geworden, wenn Sie das Studium der Betriebswirtschaftlehre abgeschlossen hätten? 

Ein passabler Betriebswirt. Hoffentlich. Ich bin froh, dass es gekommen ist, wie es gekommen ist.

Herr Kerner, vielen Dank für das Gespräch.