Wie verhält es sich mit Kollegen?

Gerade von den Comedian-Kollegen habe ich in der Zeit von "Studio Amani" viel Chauvinismus erfahren. Ich vermisse da häufig das Gentlemantum. Nehmen Sie die erste Folge der ersten Staffel. Anstelle von konstruktiver Kritik habe ich von einigen Kollegen zunächst so etwas wie "Möpse und Migrationshintergrund" gehört – obwohl ich mit einem hochgeschlossenen Kleid genau das vermeiden wollte. Wäre ich jetzt in einem J.Lo-Versace-Kleid aufgetreten, dann hätte ich das verstanden. So aber war ich sehr verunsichert.

Wie haben Sie darauf reagiert?

Zunächst mal habe ich gelernt, dass viele Leute, die lange in den Medien sind, beruflich einen anderen Umgang pflegen als privat. Da werden dann öffentlich Sachen gepostet, die ich nicht nachvollziehen kann. Nach meiner letzten Sendung kam ich gerade mit mehreren Tüten aus dem Rewe, als mir Freunde den Screenshot eines Postings von Mario Barth schickten, in dem er behauptete, ich hätte ein Spiel von ihm geklaut. Dabei hatte er den Shit auch nicht selbst erfunden. In diesem Moment habe ich einen gewissen Stolz empfunden, weil er es - gemessen an seinem Fernseherfolg und seinen Ticket-Verkäufen - eigentlich null nötig hat, über mich zu sprechen. Das ist in etwa so, als würde sich Lionel Messi über einen unbedeutenden Spieler aus Wolfsburg aufregen, nur weil dem ein Fallrückzieher gelungen ist, den er auch schon mal gemacht hat.

Haben Sie sich durch diese Erfahrungen verändert?

Ich versuche immer die zu sein, die ich bin. Dadurch habe ich sehr wenig Schutz. Das war ein Lernprozess, aber ich weiß, dass man sich immer zwei Mal im Leben sieht. Heute bitten mich Kollegen, die gegen mich ausgeteilt haben, in ihren Sendungen vorbeizuschauen. Darauf verzichte ich aber gerne, auch wenn es Sendungen sind, von denen ich immer ein großer Fan war.

Hinzu kamen die Vergleiche mit "TV total".

Ich habe mir niemals angemaßt, in die Fußstapfen von Stefan Raab zu treten. Das kann ich nicht und das wollte ich auch nicht. "Studio Amani" wurde mir angeboten, lange bevor ich wusste, dass Stefan Raab aufhört. Ich sollte eigentlich parallel zu "TV total" laufen, auf einem anderen Tag, auf einem anderen Sendeplatz. Dass Raab dann entscheidet, nicht mehr weiterzumachen und die Zuschauer daher empfinden, ich sei seine Nachfolgerin, war mein großes Pech.

Vielleicht lag es aber auch an dem Format, in das man Sie reinsteckte, ohne auf Ihre Stärken zu achten.

Alle haben dermaßen an mich geglaubt, dass sie davon ausgingen, ich würde die Show schon rocken. Aber so einfach ist das halt nicht. Obwohl wir die Show so lange vorbereitet haben, war es für mich schwierig, meine Rolle in diesem Format zu finden. Deshalb haben wir die Kritik nach der ersten Sendung ja auch so ernst genommen, auch wenn viele Kommentare darunter waren, die mich ziemlich verletzt haben.

Die Quote war dafür umso besser.

Es gab sehr, sehr viele Kommentare auf Twitter. Davon die meisten leider negativ. Das konnte man rein für die Quote auch als gutes Omen sehen. So kam es dann am folgenden Morgen ja auch.

"Ich dachte häufiger: 'Fuck it, das muss ich nicht mehr haben.'"
Enissa Amani

Nach dem Start mit fast 17 Prozent haben Sie allerdings viele Zuschauer verloren.

Mag sein, dass wir nach der ersten Sendung nicht alle überzeugt haben, aber komplett mies war die Quote nicht. "Studio Amani" ist gegenüber dem Vorprogramm nie eingebrochen, was ja nicht selbstverständlich ist. Ich bin ja quasi direkt vom Weihnachtsmarkt auf Stefan Raabs Sendeplatz gekommen.

Das müssen Sie genauer erklären.

Im April 2013 habe ich auf Facebook einen Text darüber geschrieben, wie Iraner mit Schönheits-OPs umgehen. Wenig später beschloss ich, ihn in einem kleinen Kölner Café namens "Gedankengut" vor rund 20 Leuten vorzutragen, obwohl ich bis dahin noch nie aufgetreten bin. Den Auftritt habe ich auf dem Handy aufnehmen lassen und an "NightWash", "Quatsch Comedy Club" und "Stand-Up-Migranten" geschickt – die sich alle gemeldet haben. Auf diese Weise stand ich bis Ende des Jahres auf einigen Bühnen, hielt das Stand-Up zu diesem Zeitpunkt aber bloß für ein schönes Hobby, das mir neue Kraft gibt. Im Dezember habe ich auf dem Weihnachtsmarkt am Kölner Stadtgarten Pfeffer verkauft, als ich plötzlich einen Anruf von "TV total" bekam. Ein paar Wochen später hatte ich meinen ersten Auftritt bei Raab und zwei Jahre später dann seinen Sendeplatz.

Brauchen Sie das Fernsehen?

Die Frage ist aber eher, ob ich es will. Ich hatte durch all die Kritik so große Krisen, dass ich häufiger dachte: "Fuck it, das muss ich nicht mehr haben." Natürlich eignen sich Auftritte in Quizshows oder bei "Let's dance" hervorragend dazu, um in großen Mengen Tour-Tickets zu verkaufen. Ganz davon abgesehen, dass Promi-Quizshows total lukrativ sind. Sie glauben gar nicht, welch hohe Gagen man angeboten bekommt, wenn man absagt – nur weil die denken, ich würde pokern. (lacht) Ich habe inzwischen für mich die Entscheidung getroffen, den Fokus auf Stand-up und Schauspiel zu legen.

Trotzdem sind Sie aktuell wieder mit einer eigenen Show bei ProSieben zu sehen.

Ich war einer neuen Show gegenüber total skeptisch. Letztlich hat mich aber dieses neue, reduzierte Format, das meine Stärken eher in den Fokus rückt, doch überzeugt, es nochmal zu versuchen.