Was ist bei "'nissa" so anders als bei "Studio Amani"?

"Studio Amani" hat mir klar gezeigt, wo meine Schwächen, aber auch wo meine Stärken liegen. "'nissa" ist auf eben diese Stärken – Stand-up und Sketche – zugeschnitten. Wir haben zwischen den beiden Staffeln intensiv an der neuen Sendung gearbeitet, viel diskutiert, entwickelt und auch wieder verworfen bis "'nissa" dann stand. Im Gegensatz zu früher erlaube ich mir jetzt ein klares Selbstbewusstsein, auch wenn mir natürlich bewusst ist, dass man im Fernsehen immer Kompromisse eingehen muss – es sei denn, man ist Stefan Raab.

In welchem Punkt waren Sie bereit für einen Kompromiss?

Ich wollte die Sendung immer gerne "Hochachtungsvoll" nennen, aber das gefiel ProSieben nicht.

"Hochachtungsvoll"?

Das ist für mich das deutsche "Hurensohn". Ich hatte vor, jeden Stand-up mit einer Message zu beenden, wollte damit ein bisschen den Mittelfinger zeigen. "In diesem Sinne: Hochachtungsvoll, eure Enissa." Aber ProSieben wollte dann lieber als Show-Titel den Spitznamen nehmen, den mir die Jungs von RebellComedy gegeben haben. Darauf habe ich mich dann eingelassen.

"Ich bin Iranerin, aber ich bin total deutsch."
Enissa Amani

Welche Rolle spielt RebellComedy für Sie?

Das ist eine ganz wichtige Plattform für mich. Ich vergleiche das gerne mit der DEF JAM Comedy in Amerika vor circa 20 Jahren. Wir bringen bei RebellComedy etwas mit, wovor einige Kollegen eine gewisse Angst haben. Dazu gehört ein neuer Slang, eine neue urbane Kultur. Wenn ich sage "Ich war Werkstatt", dann heißt das ja nicht, dass ich nicht weiß, dass der Satz ohne Artikel nicht vollständig ist. Oder das Wort "Kanake". Wir verwenden es, aber das kann man - wenn überhaupt - nur verwenden, wenn man der Gruppe angehört - so wie das N-Wort in Amerika. Wie kreieren neue Comedy und werden dafür skeptisch beäugt und dann heißt es "Ausländer-Comedy", aber wir sind Deutsche.

Wie viel Deutschland steckt in Ihnen?

Ich bin Iranerin, aber ich bin total deutsch. Ich kann in keinem fremden Land in den Aufzug steigen, ohne zu fragen, ob die Scheiße TÜV-geprüft ist. Man muss eben mit der Zeit lernen, was alles in einem steckt. Ich bin in Frankfurt aufgewachsen und habe mein ganzes Leben lang keinen Rassismus erlebt. Dafür musste ich erst ins Fernsehen kommen. Es wird nämlich gerne so getan, als wäre ein Migrationshintergrund von Vorteil. Dabei ist er das in aller Regel nicht.

Ihrem Publikum ist das doch ziemlich egal, oder?

Mein Publikum ist extrem gemischt. Da sitzen Leute, die mich nur aus dem Kabarett kennen und mich noch nie bei ProSieben gesehen haben. Die haben alle ganz unterschiedliche Erwartungen. Für mich ist ein Soloabend immer dann gelungen, wenn ich merke, dass der 77-jährige Wolfgang verstanden hat, was ich meine, wenn ich sage: "Das ist so ghetto!" Und wenn der kleine Ali am Ende weiß, was "hochachtungsvoll" bedeutet, dann ist das doch toll. Karoline Herfurth nannte das kürzlich so schön "Pionierarbeit", weil ich zwei Gruppen zusammenführen kann, die bislang wenig miteinander zu tun hatten.

Und kürzlich haben Sie sogar im Ausland gespielt.

Ich bin in diesem Jahr erstmals auf Englisch in London und Amsterdam aufgetreten, weil ich einen iranischen Comedian kenne, der ein internationales Publikum anspricht und mich als Support dabei haben wollte. Im nächsten Jahr werde ich außerdem meine erste Amerika- und Kanada-Tour spielen. Darauf freue ich mich sehr, weil ich plötzlich merke, dass ich im Stand-up noch ganz viele Welten entdecken kann.

Wer bremst Sie eigentlich?

Es bremst mich höchstens mein eigener innerer Kritiker und der manchmal aufkommende Wunsch, ganz was anderes zu machen, das Verlangen einfach nach London, Paris oder Abu Dhabi zu ziehen und dort Babys groß zu ziehen (lacht) kommt ja vielleicht noch. Ansonsten bremst mich nichts - Familie und Freunde sind mein größter Support. Mein Papa hat eh eine völlig andere, für mich sehr beruhigende Sichtweise auf die Dinge. Für ihn ist Fernsehen überhaupt nicht relevant, aber als er erfuhr, dass BBC Persia – der größte iranische Radiosender der Welt mit Sitz in London – ein Interview mit mir führen wollte, ist er vor Stolz und Freude regelrecht ausgerastet. Wegen des 5-Minuten-Gesprächs hat er mich zwei Wochen lang auf alle Details vorbereitet – vom fundamentalen Flügel bis hin zur Splitterung der Partei. (lacht)

In drei Jahren ist wieder Weihnachtsmarkt. Wo sehen Sie sich dann?

Ich habe gelernt, dass das Leben viele Überraschungen für dich bereithält. Deswegen fällt es mir schwer, das zu beantworten. Ich bin ein totaler Familienmensch und muss irgendwann mal "nur" Mama sein. Oder ich mache einen Crêpes-Stand in Frankreich auf. Und wenn das nicht läuft, dann vielleicht zumindest einen Crack-Stand in Frankfurt.

Frau Amani, vielen Dank für das Gespräch.