Herr Busse, wieso hat man Sie so lange nicht im Fernsehen gesehen?

Ganz weg war ich ja nicht, ich habe nur schon lange keine Fiction mehr gemacht. In der Zwischenzeit saß ich alleine 16 Mal bei Herrn Lanz und habe auch sonst fast alle Talkshows durch. Daneben habe ich bei "Dr. Klein", "Bettys Diagnose" und auf dem "Traumschiff" mitgespielt – alles Sachen also, die man als älterer Mensch so macht. Wenn Sie beinahe zehn Jahre lang jeden Freitag für gut 90 Minuten auf dem Schirm zu sehen sind, dann ist das Gesicht eben – wie man in der Fachsprache sagt – ausgelutscht. Da bekommt man nur schwer wieder eine neue tragende Rolle. Als ich mit 65 ging, war ich mir schon bewusst, dass jetzt erst mal eine große Pause folgen würde.

Und jetzt folgt doch nochmal eine Hauptrolle in einer RTL-Sitcom – bei "Nicht tot zu kriegen" (Do, 21:15 Uhr).

Das kommt zu einem Zeitpunkt, in dem man meinen könnte, dass sie mich endgültig vergessen haben. Ich bin allerdings ganz einfach zu einem Casting gegangen, habe mein Filmchen gemacht und bekam die Rolle.

Wie ist das denn, mit Mitte 70 nochmal zum Casting zu kommen?

Wenn man diesem Beruf nachgeht, gehört das dazu. Sonst muss man sagen, dass man das Schauspiel als Hobby betreibt. Ich kenne ein paar bekannte Kollegen, die Nein gesagt haben, obwohl sie sich für die Rolle interessiert haben. Aber ohne Casting wird’s eben nichts.

Tatsächlich hat man aber das Gefühl, die Rolle des alten Hausherren sei Ihnen auf den Leib geschneidert worden.

Das ist der Beruf. Wenn Sie es hinkriegen, dass sich die Leute in dieser Rolle keinen anderen vorstellen können, dann ist die Arbeit gelungen. Das ist beim Hamlet nicht anders als bei meinem Helmut. Natürlich gehört da auch ein bisschen Dusel dazu, aber man hat als Schauspieler immer die Möglichkeit, das Ding zu sich rüberzuziehen – und das habe ich in diesem Fall auch gemacht.

Was hat Sie an dieser Rolle gereizt?

Ich wollte sehen, ob ich's noch drauf habe. Ich habe nicht gesagt, dass ich diese Rolle unbedingt spielen muss. Beim Lesen war mir allerdings schon klar, wie ich sie ausfüllen würde.

Was ist das für ein Typ, dieser Helmut, den Sie spielen?

Das ist ein einsamer Mann, der von dem bedroht ist, was die meisten fürchten: Im Alter alleine zu sein. Da er einen miesen Charakter hat, macht er es allen anderen schwer genug, die Zeit mit ihm zu verbringen. Er kann ja nicht raus aus seiner Haut.

Sie haben lange im "Amt" gespielt. Wie hat sich die Produktion seither verändert?

Das Material kostet nichts mehr. Früher war Film teuer, da mussten schwerste Lampen angeschafft werden. Heute können Sie sogar mit einem Handy einen Film drehen – damals natürlich unvorstellbar. Das macht's auch für Schauspieler leichter, weil es nicht so schlimm ist, wenn man sich mal verspricht. Auf der anderen Seite wissen das auch Hersteller und Kunden: Die, die das bezahlen, geben nicht mehr so viel aus. Bei Geißendörfer habe ich es noch erlebt, dass morgens geprobt wurde wie beim Theater, bevor wir dann nachmittags gedreht haben – für eine Einstellung. Daran ist heute nicht zu denken. Es muss viel mehr gedreht werden in viel kürzerer Zeit. Hinzu kommt, dass die Nachbearbeitung wichtiger geworden ist. Sie können mich in der Post in Venedig auf eine Gondel setzen.

Ihre neue Serie hat einen sehr schwarzen Humor, was fürs deutsche Fernsehen eher ungewöhnlich ist.

Es wird ja immer gefordert, mal etwas Neues oder Anderes zu machen – und keiner macht's. Mit "Nicht tot zu kriegen" haben wir es nun mal ganz konsequent anders gemacht, was auch daran liegt, dass wir mit einem sehr jungen Regisseur und frischen Autoren arbeiten, die – wie heißt es noch in der Sprache der jungen Menschen? – Bock darauf haben. Und wenn RTL nicht entschieden hätte, nach zehn Jahren wieder in die Sitcom-Produktion einzusteigen, dann wäre die Serie wohl auch nicht möglich gewesen. Da sind viele Dinge zusammengekommen.

"Die Auftritte bei RTL haben mich in die Lage versetzt, vor einer Altersarmut keine Angst zu haben."
Jochen Busse

Worauf führen Sie es zurück, dass wir über einen solch langen Zeitraum fast keine deutschen Comedyserien mehr gesehen haben?

Das hängt mit einer gewissen Zuschauerermüdung zusammen. Außerdem sind auch die Stoffe ausgegangen. Es sind ja keine Autoren nachgekommen. Natürlich gibt es da immer ein paar, aber die waren es eine Zeit lang leid, nach bestimmten Richtlinien eines Senders schreiben zu müssen. Wenn du als Autor ein bisschen etabliert bist, dann suchst du dir eben die komfortableren Möglichkeiten. Privatsender sind immer sehr ans Produkt gebunden, das im Programm wirbt.

Sie hatten aber nie die Sorge vor den Privaten.

Warum auch? Sollte ich ein gutes Angebot ernsthaft ablehnen, nur weil da nachts mal nackte Mädchen kommen? Die Auftritte bei RTL haben mich in die Lage versetzt, vor einer Altersarmut keine Angst zu haben. Ich weiß nicht, ob mir das bei der ARD auch so gegangen wäre, wo Lachen noch immer ein wenig mit Igitt verbunden zu sein scheint. Da geht es viel zu häufig um Krimis, denen ich leider das höhere Niveau nicht abgewinnen kann – vor allem, wenn ich den Dialogen zuhöre. Dennoch ist es offensichtlich eine höher zu bewertende Arbeit als Leute zum Lachen zu bringen.

Dabei ist das doch viel schwerer.

Spannung können Sie mit vielerlei Methoden erzeugen, zum Lachen können Sie andere Menschen nur durch sich selbst bringen. Wenn die Leute im Theater nicht lachen, dann haben Sie etwas falsch gemacht.