Wenn Sie sagen, dass Sie das von der KEF zugebilligte Volumen schon ausgeschöpft haben – wie soll dann eine Einigung zustande kommen?

Wir versuchen etwas anzubieten, was nicht direkt Geld kostet, für die Beschäftigten aber trotzdem einen hohen Wert hat. Unser Angebot ist, dass wir bis zum Ende der Beitragsperiode 2024 auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten. Die Gewerkschaften behaupten, diese Zusicherung sei nichts wert, weil wir ohnehin noch nie betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen hätten. Ja, das stimmt und wir haben das aktuell auch nicht vor – aber wir sehen ja im KEF-Bericht auch, dass wir deutlich einsparen müssen. Wenn wir dann als Arbeitgeber sagen, dass wir trotzdem betriebsbedingte Kündigungen ausschließen, ist das eine zusätzliche Sicherheit für alle Beschäftigten in unsicherer werdenden Zeiten. Da kann die Gewerkschaftsführung in Berlin sagen, das sei nichts wert – bei den Mitarbeitern vor Ort ist das sicherlich anders.

Sie sind nun seit knapp fünf Jahren beim WDR – haben Sie es sich so kompliziert vorgestellt, diese Strukturen aufzubrechen – und ist der WDR vielleicht ein Stück weit unreformierbar?

Wenn ich denken würde, der WDR wäre unreformierbar, wäre ich hier fehl am Platz. Mein Anspruch ist es, einen Beitrag zu dringend notwendigen Reformen im WDR zu leisten. Ich war zehn Jahre Uni-Kanzlerin, insofern sind öffentliche Strukturen nichts, was mich schockt. Im Gegenteil, sie wecken meinen Ehrgeiz, etwas zu bewegen. Was ich mir allerdings im Vorfeld nicht vorstellen konnte und unterschätzt habe, ist die Schwierigkeit, fundamentale strukturelle Reformen in einer föderalen Struktur wie der ARD hinzukriegen. 

Die Tarifverhandlungen führt ja jede ARD-Anstalt einzeln. Ist auch eines der Probleme, dass sich lange Zeit keiner mit dem ersten Abschluss vortraut, der dann die Richtung in die eine oder andere Richtung vorgibt? Müsste man eigentlich gemeinsam verhandeln?

Das hat sich historisch so entwickelt und es gibt sicherlich auch unterschiedliche Bedürfnisse und finanzielle Rahmenbedingungen, Strukturen und Größenverhältnisse in den einzelnen Häusern. Trotzdem kann man die Frage stellen, ob es sinnvoll ist, dass jede Anstalt diesen Aufwand betreibt. Und natürlich schaut man auf andere Häuser, wir stimmen uns innerhalb der ARD genauso ab, wie es die Gewerkschaften tun. Das ist natürlich sinnvoll aber macht es nicht leichter. Beim SWR lag beispielsweise schon ein Abschluss auf dem Tisch. Ver.di hat eine Mitgliederbefragung durchgeführt, in der die große Mehrheit dafür gestimmt hat, das Angebot anzunehmen – doch dann wurden die Gewerkschaftsvertreter vor Ort aus Berlin zurückgepfiffen. Der Hintergrund kann ja nur sein, dass man glaubt, irgendwo anders noch mehr heraushandeln zu können und dass das dann Rückwirkungen auf den SWR hat. Sonst sehe ich keinen Grund, wieso man sich in dieser Form einmischen sollte.

Nun war schon mehrfach vom KEF-Gutachten die Rede, das nicht nur ein erhöhtes Gehaltsniveau bei einigen öffentlich-rechtlichen Sendern im Vergleich zum öffentlichen Dienst moniert hat, sondern auch noch konstatiert, dass das Gehaltsniveau beim WDR besonders hoch liegt. Hat der WDR also in früheren Jahren besonders freigiebig das Gebührengeld verteilt, woran man jetzt krankt?

Vorweg geschickt: Der WDR hat in den letzten beiden Tarifrunden innerhalb der ARD den moderatesten Abschluss gemacht. Aber man muss auch sehen, dass der WDR der größte Sender innerhalb der ARD ist – und Größe geht einher mit Komplexität. Es ist daher gerechtfertigt, dass man beim WDR in Leitungspositionen ein höheres Gehalt verdient als bei kleineren Sendern. Dazu kommt, dass wir hier viele Beschäftigte an Standorten haben, an denen allgemein hohe Gehälter bezahlt werden – wenn Sie das beispielsweise mal mit dem MDR vergleichen. Beim Gehalt muss es ja nicht nur eine interne Gerechtigkeit, sondern auch eine Marktpreisgerechtigkeit geben.

Als einen der Gründe für das höhere Gehaltsniveau bei den Öffentlich-Rechtlichen führt die ARD in einem Folgegutachten auch den hohen Altersschnitt an. Der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm hat letzte Woche gesagt, dass das auch eine Folge des verordneten Stellenabbaus ist. Fehlt dem WDR damit jetzt generell Nachwuchs?

Das ist schon ein Thema. Wir machen Programm für alle Altersgruppen. Wenn Sie 500 Stellen innerhalb von vier Jahren nur über natürliche Fluktuation abbauen, dann heißt das, dass sie nur einzelne Stellen nachbesetzen können und eigentlich jede freiwerdende Stellen erstmal einkassieren müssen. Unsere Belegschaft wird also im Schnitt jedes Jahr fast ein Jahr älter. Wenn Sie 1LIVE oder andere Programme für junge Menschen machen wollen, dann brauchen Sie aber Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die am Puls der Zeit sind und sich in die jungen Leute reindenken können. Das wird sicher nicht leichter, wenn Sie kurz vor dem Ruhestand stehen.

Größere Einsparungen würden da mehr Spielraum verschaffen. Wenn man an Tarifen aber wenig ändern kann – müsste man dann an die Strukturen ran? Hat der WDR vielleicht ein paar Pöstchen zu viel und müsste beispielsweise Hierarchien abbauen, um wirklich sparen zu können? 

Ich würde nicht ausschließen, dass man hier und da eine Hierarchiestufe herausnehmen kann, wie wir es mit der Auflösung einer Hauptabteilung in der Verwaltungsdirektion schon gemacht haben. Auf der anderen Seite muss man auch sagen, dass gerade in den Veränderungsprozessen, in denen wir uns gerade befinden, Führung wichtig ist.  Sie brauchen Führungskräfte, die die Mitarbeiter begleiten und unterstützen, damit diese die Veränderungen überhaupt mitmachen können. Deswegen kann die Abschaffung von Hierarchien keine pauschale Forderung sein, man muss da schon genau hinschauen. Unsere Führungskräfte tragen einen großen Teil der Last und Verantwortung im Veränderungsprozess: sie müssen voran gehen und alle mitnehmen.