Spricht man derzeit mit skandinavischen Serienmachern, so kommt oft deren Wunsch zur Sprache, aus dem typischen Nordic-Noir-Schema auszubrechen. Die nordische Krimikost hat über die letzten Jahre ein ähnliches Standing erreicht wie manche US-Erfolgsgeschichte à la "CSI" oder "Criminal Minds" – verlässlich hohe Qualität, glasklares Produktversprechen, aber eben auch eine gewisse Erwartbarkeit.

Für Frische und Abwechslung sorgen da neue Genremixe wie etwa voriges Jahr beim schwedischen "Jordskott" oder neue Themen in ungewohnter Gewichtung wie nun bei "Modus". Die schwedisch-deutsche Koproduktion fesselt als flammendes Plädoyer für eine offene, tolerante Gesellschaft – eingepackt in eine Art Nordic-Noir-Mantel, allerdings ohne Schwerpunkt auf der klassischen Ermittlungsarbeit.

 

Im Mittelpunkt der achtteiligen Serie steht Inger Johanne Vik, eine schwedische Kriminalpsychologin, die jahrelang in den USA fürs FBI gearbeitet hat, aber nun in ihre Heimat zurückgekehrt ist, um an der Universität zu forschen und zu lehren. Als ihre autistische Tochter Stina die einzige Augenzeugin eines Mordes wird und dadurch in Gefahr schwebt, entschließt Inger sich, gemeinsam mit Kommissar Ingvar Nyman von der Kripo den Mörder zu jagen. Schon bald wird klar, dass es sich in Wahrheit um einen brutalen Serienkiller handelt.

So weit, so Crime. Die Besonderheit liegt in der Identität der Opfer – allesamt Repräsentanten einer progressiven, offenen Gesellschaft wie etwa die Bischöfin, die offensiv gleichgeschlechtliche Paare traut. "Modus" zeigt das Nebeneinander verschiedener Lebensentwürfe, nimmt die Regenbogenfamilie mit schwarzen Adoptivkindern nicht als betonenswerte Spezialität, sondern als eigentlich unspektakuläre Normalität – bis sie von außen durch die politisch motivierte Hate-Crime-Serie bedroht wird. Stark ist die Serie vor allem deshalb, weil sie von Menschen und ihren Motivationen erzählt, nicht so sehr von der eigentlichen Ermittlung. Die Anzahl der Szenen, in denen typische Polizeiarbeit zu sehen ist, wurde bewusst auf ein Minimum beschränkt.

Vorgezeichnet wird der besondere Weg, den "Modus" einschlägt, bereits durch seine Romanvorlage "Gotteszahl" von Anne Holt. Die norwegische Krimi-Bestsellerautorin war in den 90er Jahren Justizministerin ihres Landes und lebt wie manche ihrer Romanfiguren in eingetragener Lebenspartnerschaft mit ihrer Frau. Die TV-Drehbücher – und damit ihre allererste Adaption eines bestehenden Stoffes – schrieben Mai Brostrøm und Peter Thorsboe, das dänische Autoren-Ehepaar, das sich schon "Der Adler", "Protectors – Auf Leben und Tod" oder zuletzt "The Team" ausgedacht hat. In einem Interview sagten sie, bei "Modus" sei es ihnen eher um "whydunnit" als um "whodunnit" gegangen. Man kann nur feststellen: Das Ergebnis gibt ihnen Recht.

Zur pan-skandinavischen Kreation kommt hinzu, dass "Modus" die erste Serie der 2014 gegründeten schwedischen Niederlassung von Miso Film ist, einem der führenden dänischen Fiction-Produzenten und Mehrheitsbeteiligung von FremantleMedia. Es ist auch die erste Serie des schwedischen Privatsenders TV4 nach acht Jahren Pause, in denen man vor allem mit 90-Minütern der "Wallander"- und "Beck"-Reihen Erfolge feierte. "Wir wollen und müssen solche Serien machen, weil das die Zukunft ist", findet TV4-Fictionchefin Josefine Tengblad. Ihr Mut wurde im Heimatmarkt bereits belohnt: Die erste Staffel holte im Herbst 2015 Marktanteile jenseits der 30 Prozent, die zweite ist in Vorbereitung.

Mit Peter Nadermann, Chef der Kölner Produktionsfirma Nadcon Film und zu seinen früheren ZDF-Zeiten Pionier für skandinavisch-deutsche Koproduktionen wie "Kommissarin Lund" oder "The Bridge", hat "Modus" einen deutschen Koproduzenten, der an Stoffentwicklung und Packaging frühzeitig beteiligt war. Der aber auch klug genug ist, einem gut funktionierenden Team in Schweden nicht unnötig ins Handwerk zu pfuschen. In der authentischen Intensität der Serie schlägt sich das einmal mehr wohltuend nieder.

Anders als in Schweden steht die deutsche TV-Premiere noch bevor: Das ZDF zeigt "Modus" voraussichtlich ab 13. November – wie üblich nicht als Achtteiler, sondern in viermal 90 Minuten am Sonntagabend um 22 Uhr.