Als Stéphane Courbit, Gründer und Mehrheitseigner der Banijay Group, die Investoren Mitte Mai zum Capital Markets Day seines Konzerns begrüßte, stach ein Detail aus der Präsentation hervor: Banijay sei inzwischen der weltweit führende Produzent von großen Feierlichkeiten und Live-Erlebnissen – mit durchschnittlich vier Events pro Tag, von der Gucci-Modenschau bis zur Eröffnungsfeier der Fußball-WM. Banijay Live ist das jüngste Geschäftsfeld der Gruppe, erst vor zwei Jahren durch ambitionierte Aufkäufe entstanden.

Auch der deutsche Ableger der französischen Entertainment-Fabrik steigt voll auf die neue Strategie ein. Wie konsequent das Live-Geschäft Priorität erhält, zeigt sich in diesem Herbst zwischen Kirche und Kampfsportring. So erstrahlt der St.-Paulus-Dom in Münster vom 4. September an im Licht der 360-Grad-Projektion "Luminiscence", gepaart mit Chorgesang, Orgelspiel und der Erzählstimme von "Tatort"-Münster-Staatsanwältin Mechthild Großmann. Die Banijay-Töchter Brainpool Live Entertainment – bisher in der Comedy zuhause – und Cape Cross Entertainment Services setzen damit ein Format der französischen Event-Spezialisten Lotchi um, die seit Januar zum Konzern gehören.

Die alte Fernsehgewohnheit, gut funktionierende Formate in andere Länder zu exportieren, findet damit auch im Live-Entertainment Anwendung. Mehr als eine halbe Million Besucher haben "Luminiscence" bereits in Kirchen von Paris, Bordeaux, Lille und Nizza gesehen. Tickets werden sowohl im Einzelverkauf als auch für Firmenveranstaltungen vermarktet. Weit weniger beschaulich dürfte es dagegen am 4. Oktober in der Arena Oberhausen zugehen, wenn das Kampfsport-Event "The Ultimate Hype" Premiere feiert. Die Brüder Florian und Lukas Band, die auf Mixed Martial Arts spezialisierte Fitnessstudios betreiben und schon beim "Fame Fighting" Reality-Größen in den Boxring lotsten, haben sich mit Banijay Media Germany zusammengetan, um ihre Idee aufs nächste Level zu heben: Vor 12.000 Zuschauern sollen Digital Creator und Reality-Sternchen wie Eva Benetatou, Evil Jared, Thorsten Legat, Aaron Troschke, Cosimo Citiolo oder Christin Okpara in sieben verschiedenen Disziplinen – Boxen, Kickboxen, MMA, Slapfight, Wrestling, Armwrestling und Bare-Knuckle – gegeneinander antreten.

Banijay Germany auf einen Blick

  • Umsatz 2024: ca. 312 Millionen Euro (Platz 4 der DWDL.de-Produktionsriesen)

  • Gesellschafter: Banijay Entertainment (80,22%); Stefan Raab (10%); Woltertainment / Marcus Wolter (9,78%)

  • Geschäftsführer: Marcus Wolter

  • Produktionsfirmen: Banijay Productions Germany; Brainpool Entertainment; Brainpool TV; Dynamic Ally Pictures; Endemol Shine Germany; Good Humor; MadeFor Film; Potatohead Pictures; Rainer Laux Productions

  • Produktionen 2025 (Auswahl): Das große Promibüßen (ProSieben); Der Lehrer (RTL); Die besten Comedians Deutschlands (Sat.1); Die Höhle der Löwen (Vox); Drei gegen Einen – Die Show der Champions (RTL); Dünentod – Ein Nordseethriller (RTL); Frier & 50 (Joyn/Sat.1); Good Luck Guys (Joyn); Mälzers Meisterklasse (Vox); Mission Unkown: Atlantik (Prime Video); Plötzlich Schwester (ZDF); Promi Big Brother (Sat.1); Rudi Völler – Es gibt nur einen (Sky); The 50 (Prime Video); The Summit (Prime Video); Trödeltrupp (RTLzwei); TV total (ProSieben); Villa der Versuchung (Sat.1); Wer wird Millionär? (RTL)

Solche Paarungen sorgen für begehrte Synergien, schließlich sitzt Banijay als Produzent von "Kampf der Realitystars", "Temptation Island", "Promi Big Brother" oder "Villa der Versuchung" geradezu an der Quelle des Reality-TV, ist aber ebenso im Ticketing wie in der Einbindung von Marken in Events wie die "Wok WM" geübt. "Wir investieren gezielt in den Ausbau unseres Live-Entertainment-Geschäfts – überzeugt davon, dass Live-Events ein wachstumsstarker und strategisch wichtiger Teil unserer Zukunft sind", ordnet Marcus Wolter, CEO von Banijay Germany, gegenüber DWDL.de ein. Und er geht sogar noch einen Schritt weiter, wenn er 2025 als "das Jahr des konsequenten Ausbaus von Produktionsfirma auf Entertainment-Haus" bezeichnet. "Wir wachsen im Mix aus Produktion, Live-Business, Vermarktung und Artists", so Wolter. "Basis sind immer unsere starken Marken und die Kompetenz neue hinzuzufügen."

Im Zentrum der Bemühungen steht die von Ingrid Langheld und Christian Nienaber geführte Agentur Banijay Media, bei der Vermarktung und Lizenzierung eigener Inhalte zusammenfließen. In der ersten Jahreshälfte verkaufte sie etwa der Lufthansa eine Platzierung bei "Schlag den Star" – in einem Spiel, bei dem Evelyn Burdecki und Sarah Engels Destinationen anhand von Bildern vom Landeanflug erraten mussten – und gewann Samsung, Holy und Yfood als Markenpartner für das Creator-Abenteuer "Mission Unknown: Atlantik" (DWDL.de berichtete), das dadurch senderunabhängig produziert werden konnte und erst im Nachhinein an Prime Video lizenziert wurde.

 

"Mission Unkown" oder der neue "Stromberg"-Film wurden von unserer Inhouse-Agentur Banijay Media vermarktet und zeigen, welche Rolle Entertainment für Consumer Brands spielen kann.
Banijay-Germany-CEO Marcus Wolter

 

Ladykracher – powered by myspass © Zattoo Neu bei Zattoo: Banijay bietet "Ladykracher" als FAST-Channel an
Momentan kümmert Banijay Media sich um die Vermarktung des kommenden "TV total Turmspringens" und hat Anfang August mit "Ladykracher – powered by myspass" einen eigenen FAST-Channel bei Zattoo gestartet, der rund um die Uhr Ausschnitte aus dem Sketch-Comedy-Klassiker mit Anke Engelke verwertet. Größtes und aufmerksamkeitsstärkstes Projekt des Jahres dürfte aber "Stromberg – Wieder alles wie immer" werden, das am 4. Dezember anlaufende Kino-Sequel der Kult-Mockumentary. Neben den nachgelagerten Auswertungen durch Prime Video und ProSieben trägt Banijay Media mit einer Reihe kreativer Markenintegrationen wesentlich zur Filmfinanzierung bei. Man baue das "direkte Geschäft mit Consumer Brands" aus, sagt Wolter. Projekte wie diese zeigten, "welche Rolle Entertainment für Consumer Brands spielen" könne.

Natürlich ist die Strategie kein Selbstzweck, sondern in Zeiten eines unter Preisdruck geratenen Kerngeschäfts in der TV-Produktion erforderlich, um überhaupt noch nennenswertes Erlöswachstum zu realisieren. Nach DWDL.de-Informationen hat Banijay Germany im vorigen Jahr rund 312 Millionen Euro umgesetzt und erwartet fürs laufende Jahr ein leichtes Wachstum. Der börsennotierte Konzern bricht seine offiziellen Zahlen nicht auf einzelne Länder herunter. Während die gesamte Banijay Group 2024 um knapp elf Prozent auf 4,8 Milliarden Euro Umsatz gewachsen ist, lag das Plus in Deutschland deutlich unter einem Prozent – de facto eine Stagnation seit 2022. Und das, obwohl Wolter zurecht darauf hinweist, dass die Gruppe ihre "starken, verlässlichen Marken frisch und erfolgreich" halte – Beispiele seien "TV total", "Wer wird Millionär?", "Schlag den Star", "Höhle der Löwen", "Kitchen Impossible" oder "Temptation Island" – und dass darüber hinaus die "Etablierung neuer Marken gelungen" sei wie etwa "Villa der Versuchung", "The 50" oder "Drei gegen Einen". Der deutsche Anteil am Gesamtgeschäft ist derweil von knapp zehn auf unter sieben Prozent gerutscht.

Global betrachtet, erzielt die Banijay Group gehöriges anorganisches Wachstum durch ihre anhaltend aggressive M&A-Strategie. Beim Capital Markets Day wurde für das Produktionsgeschäft gar das strategische Ziel "transformative acquisitions", also tiefgreifend umgestaltende Übernahmen, bis 2028 ausgegeben. Auf die Frage, ob dies auch für den deutschen Markt gelte, antwortet Marcus Wolter gegenüber DWDL.de lediglich: "Unsere M&A-Strategie ist mit der Banijay Group abgestimmt." Hierzulande hatte man zuletzt im Juni 2024 ein Drittel der Anteile an der Berliner Fiction-Firma Dynamic Ally Pictures übernommen. Ansonsten ist die Anzahl der Tochterfirmen eher rückläufig: Mitte März endete offiziell die Existenz der Noisy Pictures, 2022 von Sony gekauft, sowie der Good Times, 2019 von Gründerin Sylvia Fahrenkrog-Petersen übernommen. Beide wurden mit der Banijay Germany verschmolzen.

Zwar durften die übrigen Banijay-Töchter ihre Produktionsportfolios mit Formaten wie "Die Höhle der Löwen" (Endemol Shine), "Der Lehrer" (MadeFor Film), "Good Luck Guys" (Brainpool), "Trödeltrupp" oder "Armes Deutschland" (Banijay Productions) aufbessern. Doch unterm Strich bleibt die Bilanz der jüngeren Akquisitionen geschäftlich wie atmosphärisch getrübt, weil es nicht gelungen ist, die Neuerwerbungen mitsamt ihrer Chefinnen und Teams langfristig in die Gruppe zu integrieren. Zuletzt traf es Shona Fraser, die von Good Times in die Brainpool-Geschäftsführung gewechselt war und dort nach elf Monaten gehen musste, um Platz für die frühere Endemol-Managerin Nadine Grünfeld zu machen. Mehr Kontinuität, als Wolter lieb sein kann, herrscht hingegen an anderer Stelle: Obwohl die Verbindung eigentlich schon Ende 2023 aufgelöst werden sollte, ist Stefan Raab noch immer 10-Prozent-Gesellschafter der Banijay Germany. Als solcher bevollmächtigte er im März die Düsseldorfer Anwälte von Mayer Brown LLP, die Verschmelzungen von Noisy und Good Times in seinem Namen abzusegnen. So schnell scheint man den konkurrierenden Star-Produzenten nicht loszuwerden.

Produktionsriesen im Umbruch – bisher erschienen