Er habe die Sendung so verstanden, dass sich "Politiker an mehreren Themen abarbeiten und gegeneinander antreten, wie in einer Kandidatenshow. Was hat das noch mit Talkshow zu tun?", fragte später ein Kollege von "Spiegel Online" (der 90 Minuten auch noch für zu kurz hält für mehrere Themen pro Sendung). Wieder mal wundert sich - nicht nur - Stefan Raab: "Das ist doch nichts anderes als das was Sie woanders sehen. Was ist das denn, was man bei Günther Jauch oder Maybrit Illner erlebt? Nur bei uns bekommen die Politiker das Ergebnis auch auf den Tisch und müssen sich dem stellen. Das müssen sie in den anderen Sendungen nicht. Da können alle rausgehen und weiter glauben, sie hätten das Publikum auf ihrer Seite gehabt."

 

Die in vielen Punkten direkt widerlegte Skepsis mancher Journalisten machte die Pressekonferenz in Hamburg dann so richtig skurril: Während Raab und Limbourg am Anfang noch die Einzigartigkeit der Sendung betonten, wie man es normalerweise auf einer PK zu einer neuen Sendung ja auch erwarten würde, musste Raab nach den Fragen der Journalisten zur Beruhigung erklären: "Im Prinzip wird es inhaltlich gar keinen Unterschied geben. Aber wir werden ein Ergebnis haben." Doch das Preisgeld für die Mehrheitsmeinung empört eine "Hörzu"-Kollegin. Wenn das Geld wenigstens gespendet werden würde, so ihr Einwurf. Auf der Bühne tauschten Raab und Limbourg einmal mehr irritiert-amüsierte Blicke aus. Raab: "Das können die Kandidaten ja machen, das schreiben wir nicht vor."

Eine Kollegin vom "Gong" fragt, was Raab zum Vorwurf sage, dass er dem Populismus und einer Mehrheitsmeinung Vorschub leisten würde. Wer das denn behaupte, fragte Raab dagegen. Eine Zeitung. Welche Zeitung, fragte Raab nach. Keine Antwort. "Ach, das wissen sie jetzt nicht mehr", stichelte der Moderator von der Bühne. Er sehe in der neuen Show nicht mehr Populismus als in anderen Talkshows auch - und wiederholt nochmal: "Immerhin haben wir den Zuschauer als Kontrollorgan."

Wie kommt man aber auf die Idee eine Talkshow bei ProSieben zu machen. Und wieso jetzt? Stefan Raab über seine Gedanken dazu: "Talkshow, das ist geil, der Markt ist total zu. Da sagt jeder: Lass es sein. Das hat mich total motiviert". Oder noch kürzer. Er habe sich gedacht: "Das kann man besser machen." Ob es beim Publikum ankommen wird, steht zweifelsohne noch in den Sternen. Doch das interessierte am Mittwochabend niemanden. Stattdessen immer wieder Zweifel daran, dass die Sendung redaktionell überhaupt gelingen könne - ganz so als hätten Raab und Limbourg das nicht schon mal zusammen gemacht. Und ganz so als hätten Polittalks doch bitteschön so auszusehen wie bei ARD und ZDF.

Doch ohne diese Sendungen inhaltlich zu kritisieren, lässt sich beim Blick auf die Einschaltquoten der ARD- und ZDF-Polittalks ja nüchtern feststellen: So erreicht die Politik das junge Publikum nicht mehr. Deswegen macht sich Raab - was wiederum ein anderer Journalist nicht glauben wollte - auch keine Sorgen um den Wettbewerb gegen "Günther Jauch". Das sind völlig andere Altersschichten, erklärte Raab aber geduldig noch einmal. Die Geduld hat er sich antrainiert. Der Polit-Talk ist schließlich nicht sein erstes TV-Experiment - wie er die Sendung übrigens selbst nennt. Viel konnten Peter Limbourg und er am Mittwochabend nicht erzählen. Aber die Fragen der Journalisten offenbarten unfreiwillig, wie wichtig die Sendung ist.

Die Vielzahl ohne Vielfalt der Polit-Talkshows im deutschen Fernsehen hat offenbar einen bleibenden Eindruck davon hinterlassen, wie Polittalk auszusehen habe. Deswegen ist die Sendung so wichtig, weil sie offenlegen kann, was Politik ist: Der Kampf um die Gunst des Wählers bzw. Zuschauers. Geradezu unerträglich ist es inzwischen doch in anderen Polittalks, wenn Gäste den Eindruck vermitteln wollten, Ihnen ginge es jetzt um die Sache und man solle doch bitteschön den Wahlkampf mal außen vor lassen. Man möchte Ihnen zurufen: Politik macht man nicht in Talkshows sondern im Parlament. Wenn man in Talkshows sitzt, dann natürlich weil man Wahlkampf für die eigenen Positionen macht. Und genau das greift Raab auf. Ehrlich und offen. Nicht mehr aber auch nicht weniger.