ProSieben, das war in den vergangenen Jahren fast ein Synonym für Sitcoms. Fast den ganzen Tag bestreitet ProSieben mit Sitcoms in Dauerschleife, dazu kommen bis zu drei Abende. Doch dieses Modell stößt schon seit Längerem an seine Grenzen - nicht in der Daytime, da fährt der Sender weiterhin prächtig, aber in der Primetime. Schon bislang gab es genau genommen längst nicht genug zugkräftige Serien für die vielen Sendeplätze, die ProSieben gerne damit füllen würde. Und diese Situation verschärft sich kurz- und mittelfristig eher noch.

Sicher: Auf "The Big Bang Theory" ist Verlass, sie bleibt das Aushängeschild mit herausragenden Quoten. Doch sonst? "Die Simpsons" sind allenfalls Mittelmaß, "How I Met Your Mother" steht kurz vor dem Finale, das Ende von "Two and a half Men" ist ebenfalls schon abzusehen. Frisches Comedyblut wäre also dringend nötig. Man kann auch nicht sagen, dass ProSieben es nicht mit Neuem versucht hätte. Allein: Funktioniert hat kaum etwas. "The Millers"? "New Girl"? "Friends with Benefits"? "Apartment 23"? "The Crazy Ones"? Reihenweise gab es einstellige Marktanteile. Teils sind die Formate ohnehin schon wieder Geschichte, weil ProSieben aufgrund des enormen Sitcom-Hungers Serien in die Primetime brachte, die selbst in den USA nicht über wenige Folgen hinaus kamen.

Dabei gilt es doch schon fast als Binsenweisheit, dass Sitcoms am besten erst mehrfach tagsüber wiederholt werden müssen, ehe sie vielleicht Kultstatus erreichen können. Doch die langen Strecken am Tage füllt ProSieben mit den längst etablierten Serien "Two and a half Men", "The Big Bang Theory" und "How I Met Your Mother" sowie - immerhin - "Mike & Molly". Das garantiert nachmittags die weiterhin tollen Marktanteile. Ob es mit Blick auf den Abend richtig ist, steht aber auf einem anderen Blatt.

Eine Lösung dieses Problems ist kurzfristig kaum in Sicht. Aus den USA kommt für ProSieben nur wenig hoffnungsvoller Sitcom-Nachschub. Das sieht man auch bei ProSiebenSat.1 so: "Die Comedy-Produzenten haben dieses Jahr Urlaub gemacht", kommentierte Chefeinkäufer Rüdiger Böss die Sitcom-Ausbeute bei den Studios. Nun kann ProSieben sich natürlich weiter mit mauen Quoten durchmogeln und auf Besserung im kommenden Jahr hoffen. Doch das wäre eine Wette mit sehr ungewissem Ausgang. Ratsamer wäre da wohl schon, endlich auch anderen Serien-Farben, die man in den letzten Jahren zugunsten der Sitcoms vernachlässigt hat, wieder mehr Platz zu geben.

Immerhin: Mit "Under the Dome" hatte man da im letzten Herbst schonmal einen schönen Erfolg, den man allerdings in nur fünf Wochen verbrauchte. "Sleepy Hollow" erwies sich hingegen als kapitaler Flop. Ansonsten hat ProSieben nicht viel probiert. "Vikings" lief zwar ganz solide, doch diese Serie brachte ProSieben gar innerhalb von nur drei Wochen zu Ende. Und der Dauerbrenner "Grey's Anatomy" steht inzwischen ziemlich alleine da. Doch ProSieben kann auch hoffnungsvoll nach Amerika blicken: Einer der Trends der LA-Screenings waren Superhelden-Serien - ein Genre, das gut zu ProSieben passen könnte. Und mit dem "Batman"-Prequel "Gotham" hätte man immerhin ein mutmaßlich zugkräftiges Programm, um drumherum einen Abend zu bauen.

All diese Überlegungen offenbaren aber vor allem die enorme Abhängigkeit von Hollywood. Denn während allerorten darüber diskutiert wird, dass Serien derzeit das angesagteste Genre sind, legt ProSieben in diesem Bereich seit Jahren die Hände in den Schoß. Fiktionale Eigenproduktionen? Fast vollständig Fehlanzeige, wenn man mal vom überdimensionalen Bully-Werbespot für "Buddy" absieht. Warum nur erscheint es so abwegig, dass der beim jüngeren Publikum immerhin zweitgrößte Sender dieses Landes auch wieder selbst in die Entwicklung von Fiction investiert. Bei ProSieben könnte sie jünger und ausgefallener sein als bei der Konzernschwester Sat.1. Auch wenn ProSieben nicht für die größte Serientradition des Landes bekannt sein mag: Der Sender brachte unter anderem immerhin eine Kultfigur wie "Stromberg" hervor. Mit "Made by ProSieben" hatte man mal eine eigene Film-Marke. Auch dieses Feld liegt nahezu gänzlich brach. Wenn sich die Medienlandschaft immer weiter fragmentiert und Aushängeschilder, die kein anderer hat, wichtiger werden, dann sollte man zumindest mal offen darüber diskutieren, ob das die mittelfristig richtige Strategie ist.

Deutlich experimentierfreudiger zeigte sich ProSieben dafür im Non-Fiktionalen Bereich. Zwar geriet die "Millionärswahl" zu einem kapitalen Flop, bei "Fashion Hero" vergaß man angesichts der Einnahmen aus den Modeverkäufen völlig, eine interessante TV-Show zu produzieren, "Keep Your Light Shining" wurde trotz funktionierender App ebenfalls nicht angenommen und auch "Scream! If you can" empfahl sich nicht für eine Fortsetzung - und doch ist ProSieben hier letztlich nicht schlecht aufgestellt. Klassiker wie "Germany's Next Topmodel" oder "Schlag den Raab" haben nur wenig ihrer Zugkraft eingebüßt, "The Voice of Germany" und "Got to dance" muss man sich zwar mit Sat.1 teilen, beide Formate stehen aber auch ProSieben gut zu Gesicht.

Die wichtigste Entscheidung der letzten Jahre war aber, Joko und Klaas an sich zu binden. Mit "Circus HalliGalli" hat ProSieben ein bei den ganz jungen Zuschauern fraglos imageprägendes Format, mit "Duell um die Welt" eine so aufwändige wie erfolgreiche Primetime-Show. Ebenfalls von Florida TV kommt mit "Schulz in the Box" ein schönes kleineres Format, von Palina Rojinski darf man auch noch einiges erwarten, auch wenn ihre Datingshow jüngst in schwachem Umfeld kaum Zuschauer fand. Das ist um so wichtiger als der bisherige Innovationsmotor von ProSieben in der vergangenen Saison ein wenig ins Stottern geraten ist: Von Stefan Raab und Brainpool kamen in der vergangenen Saison keine neuen Impulse oder Show-Ideen.

Die letzten Neustarts waren das bereits wieder eingestellte "Quizboxen" und Raabs Polittalk "Absolute Mehrheit", den ProSieben zwar offiziell nicht eingestellt hat, den man aber kurzerhand totschweigt. Ruhig war es zuletzt auch um "Elton zockt LIVE", auch wenn das zumindest solide lief. Vielleicht war es aber auch nicht die schlechteste Idee, dass Raab und Brainpool sich mal um die bestehenden Formate gekümmert haben. Bei "Schlag den Raab" hat man die über Jahre immer wieder gegen vehemente Kritik verteidigte ellenlange Auswahlrunde plötzlich doch radikal zusammengekürzt und startet nun nicht erst kurz vor 9 in die eigentliche Sendung. Und "TV Total" überzeugte nicht nur durch die New-York-Woche, sondern wirkt insgesamt wieder so, als wäre man mit mehr Herzblut dabei. Herzblut, das man ProSieben auch im Fiktionalen wünschen würde, damit der Sender nicht weiter nur Abspielstation bleibt - dafür gibt es schließlich genug andere Beiboote bei ProSiebenSat.1.

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