"Die größten Herausforderungen bei kabel eins sind, den Sender einfach wieder noch mehr ins Relevant Set zu bekommen. Er muss wieder ein bisschen Aufmerksamkeit erregen." Das war das Ziel, das Katja Hofem im Mai 2013 ausgab. Ein Jahr später klingt das, um einige Erfahrungen reicher, schon deutlich ernüchternder. "Mir ist es egal, ob Zuschauer beim Fernsehschauen bügeln, nur auf der Couch liegen oder nebenbei stricken", gab die kabel-eins-Chefin Anfang Mai im DWDL.de-Interview zu Protokoll. Will man streng sein, so ließe sich feststellen, dass das Programm von kabel eins derzeit auch genau so aussieht. An vielen Stellen kommt der Sender derzeit reichlich unambitioniert daher, was womöglich auch darauf zurückzuführen ist, dass Hofem die meisten ihrer Experimente als gescheitert abhaken musste.

"In ganz neue Themenwelten" wollte sie vorstoßen und Formate zeigen, die kein anderer Sender im Programm hat. Herausgekommen sind der Mini-Markencheck "Teuer oder Billig", eine Trödel-Doku und der Aufguss der an Sat.1 verlorenen "Strengsten Eltern der Welt", der unter dem Titel "Endstation Wildnis" nicht nur schlechte Kritiken erhielt, sondern noch nicht mal als großer Erfolg in Erinnerung bleiben wird. Die Dokusoap "Junior Chef" war ebenso schnell weg wie der Versuch, die schon in der Vergangenheit quotenschwache Reihe "Stellungswechsel" wiederzubeleben. Auf der Haben-Seite stehen im Bereich der abendlichen Eigenproduktionen neben "Rosins Restaurants" aktuell vor allem Toto & Harry. Die wirken zwar auch nicht mehr ganz taufrisch, sind aber zumindest noch für ordentliche Quoten gut.

Doch es ist keineswegs so, als habe kabel eins in der zurückliegenden Saison nichts probiert. Gemäß ihrer Erfahrungen bei DMAX, wollte Katja Hofem mit dem Thema Abenteuer verstärkt den Geschmack männlicher Zuschauer treffen und brachte am Sonntagabend die durchaus ungewöhnliche Reihen "Hinter fremden Gittern", "Die Wildnis und ich" und "Die Geschmacksjäger" an den Start. Rückblickend bezeichnet sie die - gescheiterten - Versuche als "ganz wichtiges Learning". Allerdings bleibt die Frage, ob die Zuschauer überhaupt die Chance erhielten, die neue Farbe im Programm zu finden, denn kaum gingen die Formate auf Sendung, waren die Staffeln auch schon wieder zu Ende. Einzig der aus zahlreichen NDR-Sendungen bekannte "Knochenbrecher" Tamme Hanken schaffte es, aus eigener Kraft die Zuschauer zum Einschalten zu bewegen. Kein Wunder also, dass man mit ihm auch künftig zusammenarbeiten will.

Unambitioniert wirkt das Programm von kabel eins aktuell alleine schon deshalb, weil man sonntags unter dem irreführenden Deckmäntelchen "Mein Revier" plötzlich die Ludolfs aus dem Hut zauberte, was aber fast niemand mitbekommen hat. Und am Vorabend nimmt "Achtung Kontrolle" inzwischen täglich 80 Minuten ein. Das bringt solide Quoten und gilt bei kabel eins schon als "Leuchtturm", ist aber im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr als Bügelfernsehen, das man mal sehen, aber genauso gut auch verpassen kann. Ein solider Quotenlieferant ist auch das tägliche "Abenteuer Leben"-Magazin, das zuletzt wieder etwas gestärkt werden konnte. Der wichtigste Schritt war es allerdings, mit "Mein Lokal, Dein Lokal" die Schiene der Eigenproduktionen auszuweiten. Der große Durchbruch ist hier zwar bislang ausgeblieben, doch es gibt zumindest positive Signale, die Hoffnung auf steigende Quoten machen.

Ansonsten hat kabel eins seine Daytime mit Serien-Wiederholungen in Dauerrotation gut im Griff, auch wenn die ganz großen Highlights derzeit fehlen. Die fehlen übrigens auch im Bereich der Primetime-Serien. Eher verschämt wird derzeit die in Kanada schon wieder eingestellte Serie "Cracked" am späten Abend versendet und mit "Beauty & the Beast" hat man den wohl vielversprechendsten Serien-Neustart nach gutem Auftakt wegen zunehmend magerer Quoten in die Nacht verschieben müssen. Hinzu kommt, dass "Blue Bloods" auch im zweiten Anlauf gnadenlos beim Publikum durchgefallen ist. Und so bleiben derzeit neben den "Navy CIS"-Wiederholungen vor allem "Castle" und der von Sat.1 geerbte US-Krimi "Elementary" die Serien-Eckpfeiler im Serien-Portfolio von kabel eins. Viel ist das nicht, doch es ist zugleich Ausdruck eines mittelschweren Dilemmas, in dem der Sender momentan steckt.

Dass selbst ProSieben Maxx derzeit gefühlt mehr Serien-Erstausstrahlungen im Programm hat als kabel eins, ist auch der Tatsache geschuldet, dass kabel eins inzwischen zu groß ist für kleine Nischen-Serien, gleichzeitig aber zu klein für echte Hits. Die landen verständlicherweise eher bei ProSieben oder Sat.1. All das sorgt dafür, dass kabel eins auch weiterhin in der direkten Gegenüberstellung mit RTL II und Vox alt aussieht, auch wenn es gelungen ist, die Marktanteile im Vergleich zum Vorjahr leicht zu steigern. Während es den direkten Konkurrenten gelingt, eigene Programmfarben zu schaffen - entweder mit ungewöhnlichen Serien oder Dokus wie "Grimm", "Sing meinen Song" und "Shopping Queen" bei Vox oder den "Geissens" und "Berlin - Tag & Nacht" bei RTL II -, bleibt kabel eins blass. Die Fußball-Übertragungen halfen hierbei in der vergangenen Saison nur zum Teil weiter, weil sich die deutschen Teams schon früh verabschiedeten. Und so geht die Suche nach der Aufmerksamkeit in der kommenden Saison also weiter. Nur mit Bügelfernsehen wird die aber kaum zu erreichen sein.

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