Die Pläne und die Hoffnungen des Marktführers waren groß zu Beginn der Saison, doch glücklich wurde man in Köln mit seinen Neustarts nicht. Vor allem "Rising Star" wird als kapitaler Flop in Erinnerung bleiben – dabei sollte mit der Castingshow doch endlich ein Gegenpol gebildet werden zu der inzwischen zur Freakshow verkommenen "Superstar"-Suche. Das RTL-Publikum konnte mit Casting ohne Bohlen, aber auch dem ungewöhnlichen Sendeplatz am Donnerstagabend, der bis dato vor allem Serien vorbehalten war, nur wenig anfangen. Schon die erste Folge war mit nur zwei Millionen Zuschauern kein Erfolg und als das Ende nahe war, schalteten kaum mehr als eine Million Zuschauer ein. Der Stern der Show sank letztlich schneller als geplant. Stattdessen waren einmal mehr "DSDS" und "Supertalent" die Quotenbringer des Senders.

Mit den Qualifikationsspielen der Fußball-Nationalmannschaft hat sich RTL daneben ein weiteres wichtiges Standbein gesichert. Der Erwerb der Rechte war zwar teuer, hat sich aus Quotensicht aber bezahlt gemacht - gerade in Zeiten, in denen Live-Events wichtiger werden, eine lohnenswerte Investition, um ein weiteres Bröckeln der Marktanteile zu verhindern. Ganz nebenbei konnten die Spiele des Weltmeisters auch die weiter gesunkenen Formel-1-Quoten kompensieren. Ob die Motorsport-Königsklasse auch in Zukunft Teil des Programms sein wird, bleibt unterdessen abzuwarten. Deren Zuschauerzahlen liegen zwar noch immer meist weit über dem Senderschnitt, doch ein unübersichtlicheres Regelwerk vertrieb viele Stammzuschauer und drückte dadurch dann auch die Werbepreise. 

Doch ganz gleich ob Formel 1 oder "Supertalent": Es sind vor allem die lang laufenden Marken, die - trotz meist rückläufiger Quoten - das Rückgrat des Senders bilden, der in der zurückliegenden Saison auf nur noch etwas mehr als 13 Prozent Marktanteil in der klassischen Zielgruppe kam. Kaum auszudenken, wo RTL ohne die Bohlen-Shows, aber auch ohne "Let's dance" und "Bauer sucht Frau" gelandet wäre. Auch auf "Wer wird Millionär?" kann man sich nach wie vor verlassen: Dort waren es zuletzt vor allem diverse Specials, die dem Quiz-Klassiker neuen Schwung verliehen. Und dann war da freilich noch der Dschungel: Der fiel in diesem Jahr zwar vor allem durch Langeweile auf, sorgte im Januar aber trotzdem wieder für spektakuläre Marktanteile von mehr als 40 Prozent. Daneben bot RTL Shows wie "5 gegen Jauch", "Die 2" oder Gottschalks Klassentreffen "Back to School" auf, die zwar ordentlich liefen, den Sender letztlich jedoch kaum voranbrachten.

In besonderem Maße galt das auch für die Impro-Comedy "Hotel Zuhause" und Guido Maria Kretschmers Suche nach "Deutschlands schönster Frau". Aber auch Jenke von Wilmdorff tat sich mit seinen beiden Formaten deutlich schwerer als erhofft. Und weshalb man die schon vor Jahren gefloppten "Ausreißer" noch einmal wiederbelebte, wird vermutlich für immer das Geheimnis von RTL bleiben. Nein, innovativ war das das meiste nicht. Rückblickend lässt sich sagen, dass der tollkühne Plan, alles auf die "Rising Star"-Karte zu setzen, nicht aufgegangen ist. Ohnehin scheint es, als habe RTL einen Großteil seines Pulvers bereits zu Beginn der Saison verschossen, wie auch der Blick in die Daytime zeiggt, die mit "Bei Anruf Liebe", "My Life in..." und "5 Zimmer – 1 Gewinner" eine Frischzellenkur erhalten sollte. All diese Formate waren jedoch schnell wieder Geschichte.

Dem Soap-Neustart "Berlin Models" erging es kaum besser: Der wollte allerdings von Beginn nicht so recht zu RTL passen. Viel zu jung kam die Serie daher – erst recht für einen Sender, der seine Zielgruppe gerade erst auf 59 Jahre erweitert hat. Wirklich überraschend kam das Aus zu Jahresbeginn daher nicht. Neue Nachmittags-Experimente dürften nach all den schlechten Erfahrungen erst mal weniger risikoreich daherkommen. Will heißen: Auch weiterhin dominiert das Genre der Scripted Reality, in dessen Rahmen man nun schon seit einigen Monaten immer wieder neue Spielformen probiert, die mal mehr, mal weniger gut laufen.

Große Baustellen tun sich unterdessen weiterhin im Serien-Bereich auf. Abgesehen von "Männer! Alles auf Anfang", der Adaption einer niederländischen Serie, und "Block B", der durchaus sehenswerten Adaption einer australischen Serie, hielt sich RTL in der zurückliegenden Saison mit neuen Produktionen zurück. Für eine Fortsetzung empfahlen sich beide Serien nicht: Während "Männer!" mit einstelligen Marktanteilen zu Ende ging, wurde die Knastserie schon nach kurzer Zeit um eine Stunde nach hinten verschoben. Dass sie sich dort ganz ordentlich entwickelte, wird ihr wohl kaum geholfen haben. Und so bleiben der Dauerbrenner "Alarm für Cobra 11" und "Der Lehrer" die einzigen Konstanten, die der Marktführer derzeit an Serien zu bieten hat – das ist allerdings immer noch mehr als ProSieben und Sat.1, die sich bekanntlich an gar keinen Serien-Neustart wagten. Immerhin: Mit "Deutschland 83" hat RTL für die kommende Saison vielversprechenden Nachschub angekündigt, der gleichzeitig wieder mehr Relevanz mit sich bringt.

Neuer Stoff täte dem Sender aber auch bei den US-Serien gut. Dort beschränkte man sich in den vergangenen Monaten vor allem auf die Krimiserien "Bones" und "CSI: Vegas". Letztere nähert sich bereits ihrem Ende – ob "CSI: Cyber" die Lücke schließen kann, ist zum jetzigen Zeitpunkt jedoch völlig ungewiss. Und sonst? Mit "Person of Interest" und "The Blacklist" hat man noch zwei Serien im Programm, die allenfalls an den Rändern erfolgreich sind, und dass man zwei Jahre lang keine bessere Idee hatte, als am späten Donnerstagabend auf "Dr. House"-Wiederholungen zu setzen, sagt auch viel über die aktuelle Serien-Problematik des Senders aus. Es bleibt also viel zu tun auf dem Weg zurück zum Rising Star.