Im Erdgeschoss der Deutschen Welle im Berliner Stadtteil Wedding muss ein Malergroßhandel mit Showroom eingezogen sein. So sieht es zumindest aus, wenn man sich derzeit seinen Weg ins neue Nachrichtenstudio bahnt: durch endlose Flure mit folienbeklebten Böden und Staubschutz-Plastikplanen an den Durchgängen. In den Ecken lehnen Leitern, es riecht nach Farbe, aus der Wand baumeln Luftschläuche. Glücklicherweise ist immerhin das Studio fertig worden – rechtzeitig zum Start des neuen englischen Programms am kommenden Montag.

Der deutsche Auslandsrundfunk hat sein TV-Angebot in den vergangenen Monaten komplett umorganisiert. Budgets wurden umgeschichtet, Redaktionen zusammengelegt, Zuständigkeiten neu verteilt – alles mit dem Ziel, ein "moderneres" und "frischeres" Programm zu senden. Vor allem aber: ein aktuelleres. "Wir sind jetzt jederzeit Breaking-News-fähig", sagt Gerda Meuer, Programmdirektorin der Deutschen Welle, bei der Vorstellung des neuen Konzepts in Berlin. Das besteht vor allem darin, weniger kleine Einzelbeiträge zu zeigen, sondern stärker auf Themenschwerpunkte zu setzen – auch um sich von Konkurrenten wie BBC World und CNN abzuheben.

DW-Nachrichtenchef Carsten von Nahmen gibt zu: "Wir hatten im Nachrichtengeschäft ein Stück weit den Anschluss verloren. Das müssen wir aufholen – und das geht nur, wenn wir ausprobieren, was die anderen nicht machen."

Im Hintergrund wurde dafür der komplette Betrieb umorganisiert: Die Nachrichten "DW News" gibt es jetzt zu jeder neuen Stunde, dazwischen laufen Magazine und Dokumentationen. Schichten wurden so umgestellt, dass jetzt permanent ein Nachrichten-Team im Einsatz ist – im Jahr 2015 eigentlich eine Selbstverständlichkeit für einen Kanal, der sich als Nachrichtenanbieter versteht. 45 Prozent des Programms sollen an Wochentagen für aktuelle Berichte reserviert sein. Das geht, indem Beiträge länger werden und (ähnlich wie bei Wettbewerbern) öfter wiederholt. Statt einer deutschen und einer englischen Redaktion gibt es jetzt nur noch ein Team, das bilingual arbeitet. Beiträge werden nicht mehr erst in Deutsch fertiggestellt und dann in andere Sprachen transferiert, sondern auch mal umgekehrt. Als ARD-Mitglied kann die Deutsche Welle auch auf Beiträge der öffentlich-rechtlichen Kollegen zurückgreifen.

Neues DW-News-Studio© Deutsche Welle

Das On-Air-Design ist nicht mehr so düster, stattdessen laufen unterschiedliche Farblinien von Deutschland aus auf einem weißen Globus in die ganze Welt. Im größten Studio stehen nun zwei Tische und eine riesige Videowall, die sehr an die der "Tagesschau" erinnert, und an der Moderatoren komplizierte Zusammenhänge erklären sollen.

"Wir können uns viel mehr bewegen als im alten Studio, der Moderator wird zum Gastgeber", sagt der Nachrichtenchef (Foto unten: News-Moderator Phil Gayle, Ex-BBC). . Der neue Claim des Senders heißt: "Made for minds".

Phil Gayle im DW-News-Studio© DWDL.de

Auch thematisch will sich das Team umorientieren. Von Nahmen sagt: "Unser Fokus, wie wir auf Nachrichten geschaut haben, lag lange auf Europa und Nordamerika." Das solle sich zumindest in bestimmten Zeitschienen ändern. Nutzeranalysen zufolge genießt die Deutsche Welle vor allem in Afrika und Südasien schon ein hohes Ansehen. "Für uns sind diese Zielgruppen künftig besonders wichtig", ergänzt Meuer.

Themen aus Indien, Bangladesh und Nigeria spielen künftig vor allem am frühen Nachmittag und am späten Abend (deutscher Zeit) eine größere Rolle im Programm, wenn in den Zielregionen die Hauptsendezeit beginnt. Morgens ist dann der Blick nach Deutschland wichtiger, in der Nacht der nach Nordamerika. "Je nach Sendezeit rücken wir bestimmte Regionen nach vorne", sagt von Nahmen. Davon verspricht er sich neue Zuschauer.

Für alle, die sich nicht regelmäßig damit beschäftigen, ist das DW-Konstrukt ein bisschen kompliziert. Es gibt fünf TV-Programme, die im Ausland senden: ein deutschsprachiges, ein spanisches (für Lateinamerika), ein arabisches, eins für Nordamerika (Deutsch mit englischsprachigen Anteilen) und eben das englische, das künftig eine zentrale Rolle einnimmt. Jeder Kanal kann eigene Akzente setzen, je nachdem, was im jeweiligen Teil der Welt passiert. In Europa mag der "Grexit" diskutiert werden, aber wenn sich in Bagdad ein Anschlag ereignet, hat das für die DW Arabia Priorität. Magazine teilen sich zwar die Beiträge, werden aber von unterschiedlichen Moderatoren präsentiert.

In Bonn sichtet ein eigenes Team ständig, was auf Facebook und Twitter los ist – aber eben für Themen, die zum Beispiel gerade die Menschen in Bangladesh bewegen. Das solle ein "genuiner Bestandteil" der Nachrichten sein, sagt Meuer. "Unsere Zielmärkte sind sehr jung, dem müssen wir uns anpassen." 29 Sprachregionen deckt die Deutsche Welle mit ihren Mitarbeitern ab und will auf Weltereignisse schneller als bisher reagieren. Wenn die Umbauarbeiten abgeschlossen sind, hilft dabei sicher auch, dass der Weg ins Studio wieder übersichtlicher geworden ist.

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