In der Theorie sind sich fast alle Beteiligten einig, dass Auffindbarkeit im Zentrum künftiger Medienregulierung stehen muss. In der Praxis zeigt sich, dass die Ansichten dennoch höchst unterschiedlich ausfallen können. Eine Art Freibrief hat die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Landesmedienanstalten vorige Woche dem Pay-TV-Anbieter Sky für dessen aktuelle Benutzeroberfläche erteilt. Der Startscreen namens "Sky Home" zeigt Nutzern mit Sky-Empfangsgerät zunächst nur einen Überblick des eigenen Angebots – zu anderen Sendern gelangt man erst durch einen entsprechenden Knopf auf der Fernbedienung.

"Somit findet faktisch eine Ungleichbehandlung zwischen den Sky- und den übrigen Rundfunkangeboten statt", urteilte die ZAK, sah darin "wegen der konkreten Ausgestaltung jedoch noch keinen Verstoß gegen das Gebot der chancengleichen und diskriminierungsfreien Ausgestaltung von Benutzeroberflächen". Entscheidend sei dabei, dass der Zuschauer dies durch eine Änderung der Voreinstellungen vergleichsweise einfach selbst ändern könne. NRW-Medienstaatssekretär Marc Jan Eumann wiederum nannte dies eine "überraschende Bewertung", schließlich könne sich Diskriminierung kaum klarer äußern, als wenn eine Plattform nur aufs eigene Angebot hinweise.

 

Das Beispiel aus der vergangenen Woche zeigt, dass die Medienpolitik noch einige Klippen zu umschiffen hat. Eine gemeinsame Bund-Länder-Kommission ist derzeit dabei, Entwürfe für eine zukunftsfähige Medienordnung zu erarbeiten, die bis Mitte 2016 vorliegen sollen. EU-Digitalkommissar Günther Oettinger hat bereits signalisiert, dass er Vorabergebnisse dieser Kommission auch in die im Frühjahr 2016 anstehende Novellierung der EU-Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste einspeisen will. "Wir müssen einen Weg finden, die überkommene Abstufung von linearen und nonlinearen Angeboten in der Gesetzgebung aufzulösen", ist Eumann überzeugt. "Gleiches gilt für die asymmetrische Regulierung: Rundfunk ist bislang viel stärker reguliert als VoD-Angebote, Kabelnetzbetreiber viel stärker als Plattformen wie Zattoo oder Hersteller von Endgeräten." 

Innerhalb der Bund-Länder-Kommission hat NRW die Verantwortung für die Plattformregulierung übernommen. Für Eumann ist klar, dass künftig alle Benutzeroberflächen von Smart-TVs darunter fallen sollen – egal, ob sie vom Netzbetreiber oder vom Hardware-Hersteller kommen. Ganz im Sinne der TV-Sender, die nichts mehr fürchten als ihr Verschwinden im digitalen Nirvana. "Inhalte werden so stark abgefragt wie nie zuvor – das ist eine gute Nachricht. Plattformen sind jedoch endlich und daher müssen auf ihnen neben massenattraktiven Inhalten auch Angebots- und Anbietervielfalt garantiert werden", so Tobias Schmid, Vorstandschef des VPRT. "Von wem gesellschaftlich relevante Inhalte verlangt werden, der sollte auffindbar sein."

Wer dieser Logik folgt, macht sich für eine künftige Medienregulierung des "must be found" anstelle des bisherigen "must carry" stark. Solange Rundfunkfrequenzen noch ein knappes Gut waren, musste die Regulierung sicherstellen, dass bestimmte gesellschaftlich relevante Sender ihren festen Platz in allen Netzen hatten. In einer Medienwelt jedoch, die nicht mehr von Knappheit, sondern von schierer Vielzahl und Unübersichtlichkeit geprägt ist, kann eine garantierte Auffindbarkeit – etwa auf dem ersten Homescreen eines Smart-TV – zum neuen erwünschten Privileg werden.

Dass sich die Gerätehersteller ungern in ihr Reich hineinregulieren lassen, machten sie auf der Gemeinschaftstagung "Suchen – Finden – Navigieren" von VPRT, Landesmedienanstalten und Deutscher TV-Plattform deutlich. "Durch die Internetanbindung und Vernetzung bieten smarte Geräte zum Bewegtbildempfang neben einer deutlich höheren Inhaltevielfalt auch mehr Freiheit für die Nutzer, die das Programm nach ihren Wünschen suchen und zusammenstellen können", sagte Carine Chardon, Leiterin Medienpolitik & Medienrecht des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI). Im Rahmen der künftigen Medienordnung sei daher maßgeblich, diese Nutzerfreiheit zu bewahren.

Dass auf der technischen Seite immer geschicktere personalisierte Empfehlungssysteme auf dem Vormarsch sind, ist nicht von der Hand zu weisen. Das Medienmagazin DWDL.de hatte bereits im Januar aus Las Vegas von der International CES über diesen Trend berichtet. Dass es aus gesellschaftlicher Sicht nicht ausreicht, der Technik allein das Ruder zu überlassen, dürfte klar sein. Einen realistischen Mittelweg zu finden, wäre für die Medienpolitik schon ein vergleichsweise großer Wurf. Denn langsam, aber sicher steigt auch in Deutschland der Druck durch die reale Nutzung: Laut einer GfK-Studie liegt der Anteil der Smart-TVs an allen Neuverkäufen aktuell bei 61 Prozent – und 50 Prozent aller Smart-TV-Nutzer verwenden bereits Programmvorschläge aus Smart-TV-Portalen, EPGs, Mediatheken oder TV-Apps.