"Es gehört zum Job, sich unbeliebt zu machen", stellte Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, unlängst im Interview mit der "Welt am Sonntag" fest. Was der Behördenleiter im Hinblick auf den Lebensmitteleinzelhandel äußerte, dürfte für sein Verhältnis zur Fernsehbranche erst recht gelten. Noch immer bekommt Mundt bei jeder passenden Gelegenheit von den Spitzen der öffentlich-rechtlichen und privaten Sender aufs Butterbrot geschmiert, dass er mit seinem Nein zu den Projekten "Germany's Gold" und "Amazonas" eine schlagkräftige deutsche Video-on-Demand-Alternative verhindert habe.

Knappe zwei Jahre nach dem "Germany's Gold"-Beschluss und gute vier Jahre nach dem "Amazonas"-Verbot ist das Kartellamt erneut auf dem besten Weg, zum mächtigen Einflussfaktor – und Aufreger – der deutschen TV-Branche zu werden. Mit dem aktuellen Verfahren gegen die öffentlich-rechtlichen Tochterbetriebe Bavaria Film und Studio Hamburg sowie der laufenden Prüfung des neuen TV-Vermarktungskonzepts der Bundesliga ist die Bonner Behörde bereits an zwei bedeutenden Baustellen zugange. Ein möglicher Zusammenschluss von ProSiebenSat.1 und Axel Springer könnte bald hinzukommen.



"Für Branchen, die von zunehmenden Verteilungskämpfen geprägt sind, ist es durchaus typisch, dass Instrumente des Kartell- und Wettbewerbsrechts verstärkt zur Anwendung kommen", erläutert Rupprecht Podszun, Professor für Wirtschafts- und Medienrecht an der Uni Bayreuth und einer der führenden Kartellrechtsexperten Deutschlands, im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. Von daher sei es nicht überraschend, wenn die Zahl der Verfahren in der Medienbranche in den nächsten Jahren ansteige – sei es durch Prüfungen, Selbstanzeigen, Whistleblower oder schlicht durch genehmigungspflichtige Fusionsvorhaben.

Der Fall Bavaria Film und Studio Hamburg

Unabhängig von der Tatsache, dass manche Geschäftspraktiken der öffentlich-rechtlichen Produktionsriesen – etwa Preisdumping im Technik- und Dienstleistungssektor – der mittelständischen Konkurrenz seit Jahren ein Dorn im Auge sind, kamen die Durchsuchungen bei den Tochterfirmen Bavaria Studios & Production Services sowie Studio Berlin Adlershof in der vorletzten Woche dann doch überraschend. Man gehe dem "Verdacht kartellrechtswidriger Preis- und Angebotsabsprachen bei Auftragsvergaben durch Fernsehsender und Produktionsfirmen nach", teilte das Kartellamt mit, ohne weitere Details zu nennen.

Bei diesem Verfahren – so viel lässt sich von außen sagen – geht es nicht um Lappalien, auch nicht um die viel diskutierte Frage, ob sich das Geflecht der kommerziellen Töchter von ARD und ZDF möglicherweise etwas wettbewerbsfreundlicher gestalten ließe. Preisabsprachen gelten unter Kartellrechtlern als "Hardcore-Vergehen", in solchen Fällen packen die Bonner ihre schwersten Waffen bis hin zu empfindlichen Bußgeldern aus. Zum Mittel der Razzia greifen sie freilich nur dann, wenn die Beweislage der Vorermittlungen bereits erdrückend ist.

Je nach Kooperationsbereitschaft der beteiligten Unternehmen kann sich ein solches Verfahren über ein bis zwei Jahre hinziehen. Dass Bavaria und Studio Hamburg mit einem blauen Auge davonkommen, halten Insider für unwahrscheinlich. "Wenn es zu Bußgeldern kommt, wird es auch zu personellen und strukurellen Veränderungen kommen", glaubt ein Manager aus dem Kreis der Bavaria-Gesellschafter, der nicht genannt werden möchte. "Das öffentlich-rechtliche System kann es sich nicht erlauben, Tochterfirmen zu haben, die gegen das Kartellrecht verstoßen." 

Bereits Ende Juni hatte Kartellrechtsexperte Podszun bei einer Veranstaltung der Allianz Unabhängiger Filmdienstleister (AUF) auf dem Filmfest München gesagt: "Bei Eigenproduktionen der öffentlich-rechtlichen Sender ist der Marktanteil der öffentlich-rechtlichen Tochtergesellschaften besonders hoch, das dürfte aus meiner Sicht nicht sein – das ist nur dann zu erklären, wenn diese unfassbar gut sind und alle anderen im Wettbewerb ausstechen. Wenn die Angebote der öffentlich-rechtlichen Tochtergesellschaften aber deswegen billiger sein können, weil sie quersubventioniert werden, dann liegt ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung vor, die kartellrechtlich nicht zulässig ist." Martin Ludwig, Vorstandsvorsitzender der AUF, hat die Branche inzwischen dazu aufgerufen, die Kartellwächter mit Informationen zu unterstützen. Sein Verband habe Belege für wettbewerbsverzerrende Praktiken gesammelt und werde diese nach Bonn weiterleiten.

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