Schuhe von Adidas sind wirklich die Wucht. Verhalfen dem farbigen Jesse Owen 1936 zum vierfachen Olympiagold im finsteren Herz der Rassenideologie. Gewannen den Fußballer des (beinahe) gleichen Landes 18 Jahre später das WM-Finale im Wolkenbruch von Bern. Hatten aber auch einen äußerst sympathischen Erfinder, der zwar oft verbissen wirkte, wenn er sein Schuhwerk perfektionierte, aber zum Niederknien süß war: Adolf Dassler, genannt Adi.

Gut, im wahren Leben war der Sportbekleidungspionier zwar weniger attraktiv als jener Ken Duken, der ihm im RTL-Film „Duell der Brüder“ das Gesicht leiht. Er war kleiner, gewöhnlicher, also – mit Verlaub – unansehnlicher als sein Darsteller; aber visuelle Medien wie das Fernsehen dürfen sich ihre Realität ja durchaus schöner filmen als sie ist. Deshalb hat Adolfs Bruder Rudolf optisch ebenso wenig mit Torben Liebrecht gemein, der den anderen Part der „Schuhfabrik Gebrüder Dassler“ spielt, bevor sie sich 1948 in zwei Global Player spaltet: Adidas und Puma.

Womit wir bei einem Aspekt des Blockbusters wären, der die drei, vier fünfminütigen Werbeblöcke dazwischen auf ein, zwei Stunden Sendezeit ausdehnt. Der brillante Tüftler und sein geschäftstüchtiger Bruder aus Herzogenaurach streiten sich nämlich nicht nur um grundverschiedene Lebenswürfe, sondern ein Konsumgut von globaler Bedeutung, das dabei fast permanent in Wort und Bild inszeniert wird: Der berühmte Lederschuh mit den drei Streifen, ein echtes Qualitätsprodukt, wie Regisseur Oliver Dommenget und Autor Christian Schnalke unablässig versichern. Von einem Helden der Arbeit innbrünstig verbessert, bis das Unmögliche möglich wird: Owens Seriensieger, Deutschland Weltmeister, der Sport revolutioniert.

Nach dem CGI-animierten Finale fehlt eigentlich nur noch „Super, Adidas“ im Abspann, den man ruhig mal auf Vertreter des Weltkonzerns hin durchforsten sollte. Nach der Eloge auf die Konzerngründer, von denen sich der spätere Adidas-Chef fast zum Textilheiligen entwickelt, steht nämlich die Frage im Raum: Wo endet die der Unterhaltung dienende, telegene Mythenbildung deutscher Wirtschaftspioniere und wo beginnt profane Schleichwerbung? Anders gefragt: Müssten 113 Minuten Primetime-Event rund um Adidas (und ein bisschen Puma) nicht als Product Placement gekennzeichnet werden, wie es für dramaturgisch integrierte Markenware Art vorgeschrieben ist? Die Antwort: Nein. Aber…

Duell der Brüder - Die Geschichte von Adidas und Puma© RTL / Willi Weber

Als 2005 ein System illegaler Schleichwerbung in der ARD-Soap „Marienhof“ aufflog, verbot der 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag fünf Jahre später derlei Sonderwerbeformen. Zumindest den Öffentlich-Rechtlichen, denen fortan allenfalls sachwertige „Produktbeistellungen“ gestattet blieben. Privatsender hingegen dürfen weiter fröhlich platzieren. Sofern es sich um kommerzielle Eigenproduktionen, Livesport oder „leichte Unterhaltung“ handelt und weder zum Kauf drängt noch die redaktionelle Unabhängigkeit behelligt, erscheint seither mehrmals kurz ein „P“ in Flatscreen-Eck – fertig ist die ganz legale PR, von der sich Vermarkter nach einem DWDL-Bericht zwei Prozent mehr Umsatz erhofften.

Als der Münchner Marketing-Professor Carsten Rennhak daraufhin jedoch mal eins der vielen Importformate in Augenschein nahm, zeigte sich die Schwäche der vermeintlichen Publikumsstärkung. Bei der Ausstrahlung des Kinoablegers von „Sex and the City“ stieß er auf 119 Marken und Dienstleistungen, von denen ein Viertel inhaltlich integriert, visuell gezeigt und namentlich genannt wird, also nichts anderes ist als: Reklame. Ein „P“  war nirgends zu sehen. Das eint die US-Serie mit dem deutsche Duell zweier Brüder, deren Produkt nicht nur ständig werbewirksam ins Bild rückt, sondern geradezu romantisiert wird.

Wenn der versonnene Tüftler Adi geigenumflort drei Finger in einen Farbeimer taucht und die Schuhe des zufällig anwesenden Stürmers garniert, wird aus dem frisch erfundenen Logo ein haptisches Erlebnis. Um sich ins Unterbewusstsein potenzieller Kunden zu graben, bedarf es da gar keiner aktuellen Sneaker-Editionen oder auch nur der Nennung des Firmennamens; es reicht die pure Präsenz von Erfinder und Erfindung. Diese Unterwanderungstechnik heißt im Fachjargon „Creative Placement“ – dramaturgisch eingebundene Markenpräsenz, mit der die Bachelorette ganz nebenbei bestimmte Kartoffelchips anbietet oder Dschungelcamp-Bewohner laut von Burgern einer bestimmten Kette träumen.

Beides war bezahlt und kenntlich gemacht. Adi Dasslers Ware hingegen profitiert nur inoffiziell von der Präsenz. Das teilt der Film mit Biopics, die andere Wirtschaftswunderlinge im aufrechten Kampf gegen konservative Zweifler heroisieren: Beate Uhse, Carl Benz, Margarete Steiff, zuletzt Kurt Landauer, der von jenen Nazis, die seinerzeit gute Geschäfte mit den Dasslers machten, ins Exil getrieben wurde. Nichts gegen eine Würdigung des legendären Bayern-Präsidenten, aber das ARD-Porträt betrieb 2014 massive Publicity für einen Fußballkonzern, der dank seiner Zugkraft fürs Milliardenprodukt ohnehin nach Kräften bevorzugt wird.

So prominent, wie jedes Freundschaftsspiel, jeder Beckenbauer-Cup, jede noch so fade Bundesligakonserve gezeigt wird, bedarf es da schon einiger Fantasie, geldwerte Gegenleistungen des Rekordmeisters auszuschließen. Das bleibt zwar wie beim „Duell der Brüder“ Spekulation. Doch wenn das Erste im Herbst ein eigenes Biopic über die Dasslers zeigt, werden die Premiumpartner FCB und Adidas sogar parallel aufgewertet. Abermals ohne „P“ im Bildschirmeck.