Die Bombe ist im April dieses Jahres geplatzt: Damals informierte das Marktforschungsinstitut GfK die Auftraggeber des Radiotests, dem wichtigsten Messinstrument der österreichischen Radiobranche und vergleichbar mit der deutschen Radio-MA, über die Tatsache, dass es in den vergangenen Jahren zu einer Manipulation der Daten gekommen war. ORF und Private gingen damit sofort an die Öffentlichkeit und forderten eine detaillierte Aufarbeitung des Falls und Richtigstellung der Reichweiten und Marktanteile.

In den Tagen und Wochen danach herrschte Chaos und Verunsicherung in der Branche: Der Chef der GfK Austria trat zurück, tat aber so, als habe das nichts mit den manipulierten Zahlen zu tun. Florian Novak, Gründungsgesellschafter von Radio Energy Wien und heutiger Geschäftsführer bei Lounge FM, bezeichnete den Radiotest als "ein Instrument aus dem letzten Jahrhundert" und die GfK kündigte an, sie prüfe rechtliche Schritte gegen Kronehit-Chef Ernst Swoboda. Dieser hatte zuvor erklärt, man prüfe Schadenersatzforderungen gegen die GfK. "Ich schätze das Volumen wird irgendwo bei 15 bis 20 Millionen sein, um das die Privatsender geschnalzt worden sind, und die der ORF zu viel bekommen hat", so Swoboda damals. Beim ORF sprach man aufgrund der Wortwahl Swobodas, der gleichzeitig auch Vorsitzender des Verbandes Österreichischer Privatsender (VÖP) ist, von einer "Entgleisung" und "Skandalisierung".

Was war passiert? Innerhalb der GfK gab es eine Gruppe von Mitarbeitern, die die Ergebnisse der Befragung "geglättet" hatten, etliche Interviews haben zudem nie stattgefunden. Hintergrund: Beim Radiotest werden jährlich mehr als 20.000 Menschen befragt, welche Sender sie hören, daraus entstehen Reichweiten und Marktanteile. Eine automatische Messung findet nicht statt. Durch die Manipulationen wurden die ORF-Radios überwiegend besser dargestellt, die Privaten schlechter. Teilweise betrugen die Manipulationen bei einzelnen Sendern mehr als zehn Prozentpunkte - das sorgte entsprechend für Ärger, gingen vor allem den Privaten hier Werbegelder verloren.

Wochenserie: Blick in die Alpenrepublik

Im September veröffentlichte die GfK dann schließlich, nach externer Überprüfung aller Daten, die Zahlen für das erste Halbjahr 2016 und die berichtigten Werte für 2015. Und diese Daten zeigen: Trotz der früher zu hoch ausgewiesenen Zahlen ist und bleibt der ORF im Radio unumstrittener Marktführer. Insgesamt kommt der Medienkonzern mit seinen verschiedenen Stationen zwischen Montag und Sonntag auf einen Marktanteil von 70 Prozent. Bei den 14- bis 49-Jährigen sind es ebenfalls noch bärenstarke 61 Prozent. In Summe hören die Österreicher jeden Tag durchschnittlich etwa drei Stunden Radio - auch das ist ein sehr guter Wert.

Der ORF hat sich im Radio-Bereich breit aufgestellt. Mit seinem Popradio Ö3 ist der Konzern in vielen Bundesländern bei den jungen Hörern Marktführer, bis vor wenigen Jahren lagen die Marktanteile hier noch oft bei mehr als 50 Prozent. Ö1 ist das werbefreie Angebot der ORF-Radioflotte und sendet vor allem Kultur-Inhalte. Hinzu kommen noch pro Bundesland jeweils ein Regionalradio sowie das Jugendkultrradio FM4. Bei den ORF-Radios könnte also alles gut sein - ist es aber nicht. Erst am Dienstag wurde bekannt, dass im kommenden Jahr sämtliche Sender sparen müssen. 110 Millionen Euro gibt der ORF jährlich für seine Radios aus, 2017 wird es wohl etwas weniger, stellte Radiodirektor Karl Amon in Aussicht.

Nur ein nationaler Privatsender

Für die meisten Privaten dürften die Sparvorgaben im Radiobereich des ORF aber nur müdes Lächeln auslösen. Sie müssen mit deutlich weniger auskommen und schlagen sich dabei recht beachtlich. Erster Verfolger hinter dem ORF ist Kronehit, Österreichs einziger Privatsender mit nationaler Lizenz. Er kommt bundesweit zwischen Montag und Sonntag bei den jungen Hörern auf immerhin 12 Prozent Marktanteil. Eine zweite nationale Lizenz für einen Privatsender bzw. für das Kooperationsprodukt mehrere Sender wurde zwar lange diskutiert, ist laut Informationen des Tageszeitung "Standard" aber seit einigen Tagen vom Tisch.

In den einzelnen Bundesländern gibt es, neben ORF und Kronehit, vereinzelt starke Marken: So punktet Antenne Steiermark im Bundesland mit 25 Prozent Marktanteil bei den jungen Hörern. In Kärnten holt Antenne Kärnten 26 Prozent. Antenne Vorarlberg kommt gar auf 30 Prozent. Auch Life Radio, Radio Arabella, Radio Osttirol und Antenne Salzburg erreichen in ihren jeweiligen Sendegebieten viele Hörer.

DAB+ ohne die wichtigsten Sender

Und dann wäre da noch das Thema DAB+, das in Österreich einen mindestens so schweren Stand hat wie in Deutschland. Ob sich der neue Übertragungsstandard durchsetzen wird, darüber herrscht in der Branche Uneinigkeit. Da mit dem ORF und Kronehit die zwei wichtigsten Player am derzeit laufenden Testbetrieb nicht teilnehmen, kommt entsprechend wenig voran. Im Sommer veröffentlichte die Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR) eine Studie, die zu dem Ergebnis kommt, dass es in Österreich nur eine "schwache Basis" für den Ausbau von DAB+ gebe. Es würde an einer "überzeugenden Wachstumsstory" und "realistischen Geschäftsmodellen" fehlen. Dennoch soll es im kommenden Jahr eine bundesweite Ausschreibung von DAB+ geben, damit 2018 der Regelbetrieb starten kann.

In den nächsten Wochen und Monaten werden sich vermutlich wieder mehr Radio-Macher dem Thema DAB+ zuwenden können. Der Skandal rund um die gefälschten Zahlen des Radiotests ist nach der Veröffentlichung der bereinigten Daten fast ausgestanden. "Ein Restmisstrauen bleibt, das Vertrauen wurde massiv geschädigt", sagt jedoch Doris Ragetté, Prokuristin beim Privatradio-Vermarkter RMS.