Die Erleichterung stand Nico Hofmann ins Gesicht geschrieben, als er Ende Juni seine Premierenfeier auf dem Münchner Filmfest verließ. Der gewiefte Produzent und Branchennetzwerker ist zwar nicht für übermäßige Scheu vor Publikumsresonanz bekannt. Doch dass Uli Hoeneß die UFA-Miniserie "Gute Freunde" über den Aufstieg des FC Bayern soeben für gut befunden hatte, war dann doch ein Meilenstein. Schließlich hatte der Ehrenpräsident des Rekordmeisters sich zuvor standhaft geweigert, den fiktionalisierten Sechsteiler anzuschauen, ehe die Öffentlichkeit ihn zu sehen bekam.

Obwohl Hofmann seit nunmehr sechs Jahren hauptberuflich einen Konzern zu lenken hat, kann er von der kreativen Projektentwicklung noch immer nicht ganz lassen. Geht es darum, Kontakt zu jemandem wie Hoeneß anzubahnen, die Nationalelf für "All or Nothing", die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer für ein Dokudrama oder die Polarforscher vom Alfred-Wegner-Institut für eine weitere Expeditionsdoku zu gewinnen, so ist wohl keiner so umtriebig und gut verdrahtet wie der 63-jährige Kurpfälzer, der im Juni Jubiläum feierte – ein Vierteljahrhundert in Diensten der UFA.

Angesichts der aktuellen Marktlage mit erheblichen Kürzungen bei TV und Streaming dürfte Hofmann die Feierlaune schnell vergangen sein. Nach DWDL.de-Informationen hat er die UFA-Belegschaft bei einer Betriebsversammlung im Juni auf einen umfassenden Restrukturierungsprozess vorbereitet, der im Herbst konkret werden soll. Vom Bemühen um einen sozialverträglichen Stellenabbau war da die Rede. Auch eine mögliche Verkleinerung der Büroflächen in Babelsberg steht wohl im Raum. Das große Sorgenkind ist die Inflation, die für starke Preissteigerungen bei sinkenden Margen sorgt, gepaart mit etlichen Projektverschiebungen durch verunsicherte, abwartende Auftraggeber.

UFA auf einen Blick

  • Vorjahresumsatz: ca. 280 Millionen Euro

  • Geschäftsführung: Nico Hofmann (CEO), Joachim Kosack

  • Gesellschafter: RTL Group

  • Produktionsfirmen: UFA Documentary, UFA Fiction, UFA Serial Drama, UFA Show & Factual

  • Produktionen 2023: ArcWatch – Hoffnung im Eis (ARD); Charité (ARD); Deutschland sucht den Superstar (RTL); Die Eifelpraxis (ARD); Eating with My Ex (Discovery+); Gute Freunde (RTL+); GZSZ (RTL); Helgoland 513 (Sky); Ich bin! Margot Friedländer (ZDF); Mord im Revier (RTL); SOKO Leipzig (ZDF); Wanda (Apple TV+)

Eine DWDL.de-Anfrage zur wirtschaftlichen Lage der UFA beantwortet Hofmann eher allgemein: "Natürlich spüren wir als Produzenten die konjunkturellen und strukturellen Herausforderungen, vor denen der TV- und Streaming-Markt steht. Es gibt wohl kein Haus unserer Größe, das derzeit keine intensive Portfolio-Analyse betreibt: Wie viel und welches Programm ist künftig gefragt? Und welche Budgets stehen dafür zur Verfügung? Der große Vorteil der UFA ist in dieser Situation, dass wir einen starken Sockel aus stabilen, langlaufenden Marken von 'GZSZ' oder 'Ein starkes Team' bis zu 'DSDS' oder 'Wer weiß denn sowas?' haben. Gleichzeitig haben wir unsere Bandbreite deutlich ausgebaut – an Programmgenres und damit auch an Partnern aufseiten der Sender und Streamer."

Tatsächlich scheint die Strahlkraft der UFA, gepaart mit dem Versprechen einer zuverlässigen Produktionsdurchführung, zunehmend auch auf die großen US-Plattformen zu wirken. Mit der vierteiligen Dokuserie "All or Nothing: Die Nationalmannschaft in Katar", die am 8. September startet, und der sechsteiligen Young-Adult-Romanverfilmung "Maxton Hall – Die Welt zwischen uns" ab Anfang 2024 bezieht Amazon Prime Video erstmals deutsche Originals zur weltweiten Auswertung von der UFA. Für Netflix ist die Romantic Comedy "Die Liebeskümmerer" abgedreht, die im Frühjahr 2024 erscheinen soll, nachdem Disney+ im April dieses Jahres den Reigen seiner deutschen Eigenproduktionen mit "Sam – Ein Sachse" vom UFA-Label Big Window eröffnet hatte.

Ein besonders prestigeträchtiger Neukunde wird bislang noch gar nicht offiziell erwähnt: Nach DWDL.de-Informationen produziert UFA Fiction die erste deutsche Serie für Apple TV+. Die Streaming-Sparte des iPhone-Bauers gilt als ebenso verschwiegen wie abwartend, wenn es um die Beauftragung nicht-englischsprachiger Originals geht. Nach ausgiebigen Castings ist es unter Agenturen freilich ein offenes Geheimnis, dass der Drehstart der Drama-Serie unter dem Arbeitstitel "Wanda" unmittelbar bevorsteht. Bei Apple ist das Projekt in London bei Jay Hunt, Creative Director für Europa, aufgehängt. Die UFA äußert sich auf Nachfrage nicht dazu. Zu den Großprojekten im Finanzierungsstadium zählen Fatih Akins "Marlene"-Serie mit Diane Kruger bei der UFA Fiction und eine international koproduzierte Dokuserie über den in Los Angeles ansässigen deutschen Modedesigner Philipp Plein bei UFA Documentary.

So arbeitet die UFA mit KI

  • "Wir beschäftigen uns sehr intensiv mit KI, sowohl innerhalb der UFA als auch international bei Fremantle", sagt UFA-CEO Nico Hofmann. "Ich sehe hier fünf relevante Einsatzfelder: Stoffentwicklung, Grafik, Storytelling, Bildgestaltung und Produktionsworkflows. Das wird unsere Arbeitsprozesse massiv verändern. Gleichzeitig bin ich zutiefst davon überzeugt, dass menschliche Kreativität auf absehbare Zeit nicht ersetzbar ist, wenn es etwa um originelle Ideen oder Gespür für zwischenmenschliche Konflikte geht."

Produzenten können ein Lied davon singen, dass zusätzlicher Umsatz, zumal in der Fiction, bei anhaltender Inflation nicht unbedingt für riesige Gewinne sorgt. Für die UFA ist es daher ein Segen, dass RTL nicht nur "DSDS" weiterführt, sondern nach zweijähriger Pause auch das "Supertalent" im Frühjahr 2024 wieder auf den Bildschirm holt. Die neue RTL-Programmgeschäftsführerin Inga Leschek hatte Mitte Juni bereits im DWDL.de-Interview bestätigt, dass sie einen Castingauftrag für eine neue Staffel an UFA Show & Factual vergeben hatte. Dass die Produktion zwei Monate später grünes Licht erhielt, hängt dem Vernehmen nach damit zusammen, dass genügend attraktive deutsche Acts identifiziert werden konnten und eine Flut an importierten Artisten aus Osteuropa wie in den letzten "Supertalent"-Staffeln somit vermeidbar ist.

Edward Berger © ZDF/Filmuniversität Babelsberg In London angedockt: Edward Berger kooperiert mit Fremantle
Was sich in den vergangenen zwölf Monaten bei der UFA nicht spürbar verändert hat, ist die M&A-Tätigkeit. "Alle anderen deutschen Produktionsriesen haben den Konsolidierungsdruck zuletzt stärker für Akquisitionen genutzt, als es die UFA tut", schrieb DWDL.de in seiner Vorjahresanalyse. "Auch wir prüfen Übernahmen", teilte CEO Nico Hofmann im März via "Focus"-Interview mit. Leichter gesagt als getan. Struktur und Hierarchie bei Fremantle, der internationalen Mutter der UFA unterm Dach der RTL Group, haben sich inzwischen so verschoben, dass zusehends an den Deutschen vorbei entschieden wird. Ein direkter Vergleich der UFA – nach Umsatz die Nummer fünf der großen Produktionsgruppen – mit dem expansiven Marktführer Leonine Studios scheint insofern regelrecht unfair, weil Hofmann anders als Fred Kogel kein Vertriebsgeschäft zukaufen kann. Und selbst bei Deals mit Produktionsfirmen hakt es: Als Anfang Februar, wenige Wochen vor dem Oscar-Triumph von Edward Bergers "Im Westen nichts Neues", ein First-Look-Deal mit dessen Berliner Produktionsunternehmen Nine Hours geschlossen wurde, grüßten als stolze Partner nicht etwa die lokalen Nachbarn, die mit Berger einst "Deutschland 83" gedreht hatten, sondern – die Global-Drama-Abteilung von Fremantle in London.

Dort hat der Italiener und frühere Sky-Manager Andrea Scrosati als Europa-Chef und Konzern-COO ein Geflecht installiert, das die prestigeträchtigen Beteiligungen an "gründergeführten Drama-Labels" wie The Apartment ("Bones and All"), Element Pictures ("Normal People"), Miso Film ("The Rain"), Passenger ("True Detective") oder Wildside ("My Brilliant Friend") direkt bei ihm in der Zentrale bündelt – und nicht bei der lokalen Fremantle-Niederlassung im jeweiligen Land. Was die Sache noch komplizierter macht: Hofmann berichtet nicht an den Europa-Chef, sondern an Fremantle-CEO Jennifer Mullin, die sich überwiegend von Los Angeles aus um den US-Markt kümmert und Europa ihrem Vize Scrosati überlässt. Der wiederum ist nicht für die UFA zuständig. Klingt so, als sei viel Diplomatie nötig, damit das Traditionshaus nicht zwischen den Konzernflanken aufgerieben wird.

Produktionsriesen im Umbruch – bisher erschienen