Es ist die Rolle ihres Lebens. Das mag zwar eine Plattitüde sein, aber keine Übertreibung, denn in der neuen Joyn- bzw. Sat.1-Serie "Frier und Fünfzig - Am Ende meiner Tage" spielt Annette Frier sich selbst. Das kennen wir in Variation schon aus Gastauftritten in der früheren Sat.1-bzw. Amazon-Serie "Pastewka" oder auch der ARD-Satire "Kroymann", aber diesmal wird es persönlicher. Warum? Weil Annette Frier keine Kompromisse mehr macht.
Annette Frier spielt Annette Frier in einer Welt, in der Frauen in den Wechseljahren medial nicht stattfinden - also unserer Welt. Eine in der u.a. Journalistin Silke Burmester und Mitstreiterinnen ihrer Kampagne "Let‘s change the picture" seit Jahren beklagen: Medial sichtbar sind Frauen als Sex-Symbol oder Großmutter. Dazwischen: Allenfalls Annette Frier, in der Rolle der patenten Frau mit dem Herz am rechten Fleck.
Was einerseits die Realität beschreibt, "Danni Lowinski" lässt grüßen, ist andererseits auch Storyline der neuen achtteiligen Serie. Die nimmt mit einer Begegnung Fahrt auf: Man wisse einfach immer, was man bei Annette Frier bekomme - bekennt ein Fan auf der Straße freudestrahlend. Ein Lob wie eine Schublade, auf die Serien-Frier keinen Bock mehr hat - und sich neu erfinden will. Vielleicht "Game of Thrones" auf deutsch? Oder die Frier als Mörderin?
"Du bist keine Mörderin! Das will keiner sehen. Wie Annette Frier die Leute umbringt", sagt eine befreundete Autorin, die Serien-Frier um Rat fragt - und abblitzt. "Wenn ich Frauen in den Wechseljahren schreibe, denken alle ich wäre auch in den Wechseljahren. Zieh mich nicht in deine Wechseljahre mit rein, Annette." Also beschließt Serien-Frier das zu machen, was die echte Frier getan hat: Eine Serie selber zu produzieren.
© Joyn / Willi Weber
Annette Friers Schwester Caroline Frier spielt auch in der Serie ihre Schwester
Ihre Agentin Julia "Tanni" Tannhäuser (gespielt von Jasmin Shakeri, die schon in "Deadlines" brillierte), ist davon nicht ganz so überzeugt. Eindeutig fiktiv: Eine Ehekrise im Hause Frier, also der Serien-Frier, für die so auf einmal wirklich alles in Frage steht und bei der die eigene Schwester Caro (gespielt von Schwester Caro) auch noch anklopft um vorübergehend einzuziehen - mit XXL-"Landarztpraxis"-Pappaufsteller. Und dann kommt auch noch eine Schwangerschaft ins Spiel…
Ja, es kann einem schwindlig werden, wenn man die Meta-Ebenen rund um diese Produktion sortieren will. Die Fakten aber sind klar: Die Produktion kommt vom Brainpool-Label Good Humor. Neben Annette Frier ist Stephan Denzer Produzent. Regie führt Felix Stienz, der sich in Folge vier ganz famos austoben durfte, und für die fantastischen Bücher verantwortlich zeichnet Sonja Schönemann. Denn auch wenn ein Überthema die Serie antreibt - sind es die Dialoge und manch One-Liner, die sie tragen.
Wenn die Serien-Tochter Jola (Maria Matschke Engel) etwa voller Begeisterung im Blumenstrauß einer Produktionsfirma Botox-Gutscheine für die Mutter entdeckt und an sich reißen will: "Wer früher spritzt, erregt später keinen Verdacht." Immer wieder sind die Dialoge gleichermaßen pointiert zugespitzt aber erschreckend real. Ein Besuch von Serien-Frier bei "TV Total" hätte so stattfinden können (wenn man davon absieht, dass Pufpaffs Studio nicht im Ossendorfer Coloneum steht).
Ist die Serie nun also "Pastewka" auf weiblich? Mit zahlreichen Cameo-Auftritten der deutschen TV-Branche könnte man das denken und doch würde es zu kurz greifen, weil es die Genese der Serie und ihre Kernbotschaft außen vor lassen würde, die Annette Frier und vielen Beteiligten sehr am Herzen liegt, wie nicht zuletzt bei der großen und umjubelten Premiere in Köln deutlich wurde.
Kompromisslos Frier - egal ob fiktional oder real. Ein Befreiungsschlag in persönlicher und fiktionaler Form, erzählt als moderne Familienserie, die zwar Herz aber keinen Kitsch besitzt. "Slice of life" ist ein neuer Modebegriff für Serien aus dem Alltag, eine Kategorie in der "Frier und Fünfzig" ein lautes Ausrufezeichen ist. Nach dem Serien-Hype der vergangenen Jahre mit High Concept, kommt die Realität auf den Bildschirm zurück.
In diesem Fall eine, die so selten erzählt wurde. ARD und ZDF haben sich in Coming-of-Age-Serien zuletzt regelrecht überschlagen, doch Frauen in den 50ern? Sind dann doch recht oft nur die Leiche am Strand. Wie amüsant, dass sich die Öffentlich-Rechtlichen über die Mediatheken nun an die ganz Jungen ranmachen und das Privatfernsehen, die Älteren entdeckt. Ein bisschen hält diese Serie der Branche auch einen Spiegel vor.
Aber braucht es das denn nun unbedingt? Eine Wechseljahre-Serie? Muss man das denn jetzt so an die große Glocke hängen? Eine Frage, die man als queerer Mensch auch schon oft gehört hat. Doch auf dem Weg zur Normalität braucht man Sichtbarkeit und Gehör - für das eine wie das andere Thema. Und Annette Frier samt Cast & Crew tragen hier maßgeblich dazu bei. Das ist wichtig, aber allem voran sehr lustig.
Möge "Frier und Fünfzig" ein Anfang sein. Für mehr "Slices of Life" aus modernen Lebensrealitäten. Familienserien haben eine große Tradition im deutschen Fernsehen, gehören neben all den Krimis gerne mal entstaubt und neu interpretiert. Die Sehnsucht nach realem Drama - es ist groß nach Jahren von High Concept-Miniserien. Wie schön daher, dass schon an den Büchern der zweiten Staffel geschrieben wird.
"Frier und Fünfzig - Am Ende meiner Tage" steht bei Joyn kostenfrei zum Streamen bereit. Sat.1 zeigt die Serie ab dem 24. November um 22:20 Uhr in Doppelfolgen
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