Ja, das mit der Sternstunde ist eine Übertreibung, aber nicht etwa inhaltlich sondern vielmehr zeitlich. Es waren nur zehn Minuten in denen sich Oliver Welke und FDP-Politiker Wolfgang Kubicki am Ende der dieswöchigen "heute-show" einen Schlagabtausch geliefert haben, wie man ihn selten im deutschen Fernsehen erlebt hat. Es war die Krönung einer ohnehin guten Ausgabe der ZDF-Politsatire. Dabei sollte Kubicki - bekannt für klare Worte und markige Sprüche - doch eigentlich am Sonntagabend Stefan Raabs "Absolute Mehrheit" auf die Sprünge helfen. "Aber wenn ich schon mal in Köln bin", mag sich der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Landtag von Schleswig-Holstein gedacht haben und schaute am Freitag im Studio gleich nebenan bei der "heute-show" vorbei. Er war nicht der erste Politiker der kam, aber er ist zweifelsohne der mit dem denkwürdigsten Auftritt.

 

 

An direkten Fragen von Oliver Welke mangelte es nicht. "Wie geht das: Erfolg, obwohl man in der FDP ist?", "Was hat die FDP Ihnen bloß getan?", "Was macht der Putsch gegen Rösler? Gibt's schon einen Termin?" oder "Sie haben Philipp Rösler zum Parteivorsitzenden gewählt. Tut es Ihnen leid?" sind nur ein paar Beispiele. Auch zum Betreuungsgeld hatte Welke eine Frage: "Schämt man sich da ein bisschen?" So scharf wie geschossen wurde, so gekonnt parierte Kubicki - und das nicht nur auf Kosten des eigenen Bundesvorsitzenden. Zur Lage der Partei etwa analysierte er durchaus treffend: "Entweder treffen wir nicht mehr den Nerv der Leute oder die Leute sind von uns genervt." Und auf den SPD-Kanzlerkandidaten angesprochen, kommentiert Kubicki süffisant: "Steinbrück hat in den letzten Wochen gezeigt, dass sich Leistung in Deutschland lohnt."

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Hängen bleiben wird aber in der Tat in erster Linie eine Aussage zum Bundesvorsitzenden seiner eigenen Partei, Philipp Rösler. Ob er ihn noch einmal wählen würde im nächsten Jahr, wollte Oliver Welke wissen und musste angesichts der folgenden, sehr deutlichen Antwort dann auch laut lachen: "Wenn er kandidiert und ansonsten niemand kandidiert…", sagte Kubicki und ließ das einfach mal so stehen. So mag er sich, so kennt man den FDP-Politiker. Oliver Welke war in dieser "heute-show" wiederum mehr als nur der Host einer Satire-Sendung, wie man ihn kennt. Einen dankbaren Gast zu haben ist eben nur die halbe Miete. Ihn zu so zur Höchstform anzustacheln und nicht locker zu lassen, macht es erst so sehenswert. Eine große Leistung von Welke.

Sie macht es gleichzeitig schwierig für Stefan Raab und sein Team. Sie machen zwar keine Satire-Show, aber haben wie die "heute-show" ein jüngeres Publikum im Blick als die üblichen Polittalks. Und die reden jetzt erstmal über die vielleicht beste "heute-show" seit Monaten. Das Feedback, egal ob bei Facebook oder Twitter, ist so überwältigend positiv, wie es das im tendenziell ja eher kritischen Netz sonst nur selten zu beobachten gibt. Einer der Kommentare bringt es auf den Punkt: "Lässt Welke Raab schon vor dem Start alt aussehen?" Zumindest hat einer von Raabs Premierengästen am Freitag schon mal sein Pulver verschossen. Glücklich wird man da bei Brainpool nicht sein. Ob Raab die eigenen Erwartungen ebenso wie des Publikums und der natürlich in Vielzahl schon in den Startlöchern stehenden Kritikern erfüllen wird, klärt sich erst am späten Sonntagabend.

Doch eine Erkenntnis dieses noch so jungen Wochenendes in Bezug auf Politik im Fernsehen steht jetzt schon fest: Mag man auch bei der "heute-show" damit kokettieren, den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis für Fernsehjournalismus eigentlich zu Unrecht erhalten zu haben, weil man doch prinzipiell, also nach Lehrbuch, gar keinen Journalismus mache, so war das zehnminütige Gespräch zwischen einem Satire-Show-Moderator und einem Landespolitiker mit höheren Ambitionen weitaus erkenntnisreicher als viele ARD-Talkshow-Runden. Da wird die auch von manchem Medienjournalisten veröffentlichte Kritik an der Vergabe des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis zum Bumerang: Satire war in diesem Fall jedenfalls ergiebiger als mancher klassische, journalistische Versuch im Polittalk zu Erkenntnissen zu kommen. Da perfektioniert beispielsweise Günther Jauch zuletzt leider das Scheitern.

Die "heute-show" empfiehlt sich mit der Sendung vom Freitagabend wiederum in so vielerlei Hinsicht. Als clevere Promotion-Plattform für Politiker, wenn sie denn mit kritischen und bissigen Fragen umgehen können. Als über Witze und Sprüche hinaus relevante Sendung für das Tagesgespräch im politischen Berlin. Und als Beispiel für Durchhaltevermögen, denn Gäste wie Wolfgang Kubicki - und andere vor ihm - kommen nur, weil sie in der Show eine gewisse Relevanz sehen und die kann man nicht erzwingen. Dafür braucht es einen langen Atem und wenn sich auch sonst noch nichts inhaltlich über "Absolute Mehrheit" sagen lässt, dann aber doch dies: Diesen Atem brauchen auch Stefan Raab und ProSieben, denn es wäre wünschenswert für das Fernsehen wie auch das Politikinteresse beim jüngeren Publikum mit so vielen neuen, überraschenden Perspektiven auf die Politik ins Wahljahr 2013 zu gehen, wie nur möglich.

Politik darf ja auch Spaß machen - und überraschen. Ebenso wie politische Sendungen. Irgendwie ist es in dem Zusammenhang auch bezeichnend, dass sonst jeder ARD-Polittalk von mindestens fünf Online-Medien in einer "Nachtkritik" ritualisiert nacherzählt wird - doch diese "heute-show" nicht. Wer also noch dachte, diese "Nachtkritiken" würden geschrieben, weil man sie für relevant hält, wurde am Freitagabend eines Besseren belehrt: Sie werden geschrieben, weil sie halt geschrieben werden und so eingeplant sind. Eine so gute "heute-show" hatte aber offenbar niemand eingeplant. Deswegen liest man dazu noch nichts. Möglicherweise wird sich das in Zukunft ändern.