Wenn wir uns irgendwann einmal an das Fernsehjahr 2013 erinnern werden, dann wird es vielleicht als das Fernsehjahr in Erinnerung sein, in dem nette Fernsehunterhaltung eine kleine Renaissance gefeiert hat. Unterhaltung abseits von Überreizung, von Effekten und zugespitzter Dramatisierung. Bei RTL ist „Das Supertalent“ guckbarer geworden, im Ersten kassiert „Das ist spitze“ Lob und gute Quote und selbst ein Gameshow-Klassiker wie „Familienduell“ findet zur besten Sendezeit sein Publikum. In diese Reihe der netten Fernsehunterhaltung passt auch „The Taste“. Die Sat.1-Show, die am Mittwoch mit einer XXL-Ausgabe von drei Stunden Länge ihre Premiere feierte, war einfach mal schönes Fernsehen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.



Die Idee zur TV-Show stammt von der US-Produktionsfirma Kinetic, einer Tochter des ProSiebenSat.1-Produktionsarms Red Arrow, und wurde in den Staaten erfolgreich für ABC umgesetzt - die zweite Staffel ist dort bereits abgedreht. In Belgien, Niederlande und Litauen sind ebenfalls schon lokale Versionen umgesetzt. Bevor das Format nächste Woche auch in China auf Sendung geht, ging am Mittwochabend aber erst einmal die von Redseven Entertainment für Deutschland umgesetzte Fassung on air - und will so gar nicht in die Schublade der Kochshows passen. Die Sendung lebt vom Wettbewerb der Köche um die Gunst der vier Mentoren, weniger vom exzessiven Abfilmen der Zubereitung ihrer Speisen. „The Taste“ ist die Kochshow für Menschen, die keine Kochshows mögen. Es geht mehr ums Essen als ums Kochen.

Das Prinzip der Show ist schnell erklärt: Die Kandidaten haben 60 Minuten Zeit, ihr Essen für den Wettbewerb zu kochen - und es in Form nur eines einzigen Löffels für jeden Juroren anzurichten. Diesen kosten dann Tim Mälzer, Frank Rosin, Lea Linster und Alexander Herrmann blind - ohne den Kandidaten zu kennen. Bevor es dazu kommt, müssen sie sich festlegen: Wer will den Koch oder die Köchin im Team haben? An dieser Stelle wandelt „The Taste“ zweifelsohne auf Spuren von „The Voice“ - mit einem entscheidenden Unterschied: Selten war die Mischung aus Kollegialität und Konkurrenz in einer Castingshow-Jury so unterhaltsam wie bei „The Taste“, weil es ein Element gibt, das „The Voice“ nicht bieten kann: Das für den Zuschauer verfolgbare Rätseln der Mentoren, was das wohl für ein Kandidat sein möge.

Und auch die Kandidaten hören diese Beurteilungen der Jury bevor sie aufeinandertreffen. Das Resultat: Nachvollziehbare Emotionen. Ohnehin ist „The Taste“ sehr nachvollziehbares, echtes Fernsehen. Kleine Momentaufnahmen und lustige Pannen sind nicht rausgeschnitten sondern sichtbar. Wenn die Kandidatin vor lauter Hektik vor die Kamera rennt, zum Beispiel. Das alles geschieht in einem nicht gerade bescheidenen Studio-Set, das sogar die Ursprungsversion in den USA übertrumpft. Aber „The Taste“ ist nur halb Show. Der Rest ist Dokusoap, die die  Kandidaten vorstellt - eine Sache, die nicht immer aufgeht, aber hier funktioniert. Einzig die Entscheidung, die erste Ausgabe gleich drei Stunden lang laufen zu lassen, sorgt für die ein oder andere Wiederholung des immer gleichen Ablaufs zu viel. Zwei Stunden wären schon mehr als genug gewesen.

Dass die Jury so angenehm unterschiedlich besetzt ist, trägt die Show über weite Teile. Während beim Musikcasting der Zuschauer sich selbst einen Eindruck vom Können der Kandidaten machen kann, ist das beim Geschmack schwierig. Umso wichtiger ist das Aufbauen von Sympathie oder Antipathie gegenüber den einzelnen Köchen. Bei dieser Einordnung helfen zunächst die Einspieler und dann die Aussagen der höchst unterschiedlichen Juroren bzw. Mentoren. Das sympathisch rotzige Understatement von Tim Mälzer, der manchmal schrullige Charme von Lea Linster, die akademische Analyse von Alexander Herrmann und der Klartext-Rosin mit Sätzen wie „Das ist auf die Fresse gewürzt“ erfüllen in der Show tatsächlich die Erwartungen, die ein erster Mood-Trailer schon bei der ersten Präsentation der Show im Sommer weckte.

Und wo bei „The Voice“ noch nach der ersten Castingrunde die Besonderheit des Formats verloren ging, zieht „The Taste“ das Prinzip bis zum Finale durch: Auch in den kommenden Wochen werden die Juroren bzw. Mentoren, allerdings etwas anders als in der Premierenshow, blind verköstigt - mit dem zusätzlichen Witz, dass sie nie wissen, wessen Löffel sie gerade vor sich haben. So kann ein Juror auch ohne es zu ahnen seinen eigenen Schützling aus dem Rennen kicken. Hier ist „The Taste“ bei dem, was das Format im Kern ausmacht, sogar stringenter als „The Voice“. Doch erst einmal gilt abzuwarten, wie viele Zuschauer sich überhaupt auf das Format eingelassen haben.

„The Taste“ ist jedenfalls eine groß inszenierte, mit drei Stunden jedoch etwas zu lange Unterhaltung, die als Kochshow nur unzureichend beschrieben ist. Dass das Format funktioniert, hat es u.a. in den USA schon bewiesen. Ob die deutsche Umsetzung auch den deutschen Zuschauer-Geschmack trifft - und das an einem für Sat.1 schwierigen Abend, der noch dazu in den kommenden Wochen von Champions League-Spielen geprägt ist, steht auf einem anderen Blatt. Nach dem Designer-Casting  „Fashion Hero“ drüben bei ProSieben ist auch „The Taste“ ein Wagnis - jedoch ein weitaus stimmigeres. Das muss ja nicht allen gefallen - bei 15 Prozent der Zuschauer wäre Sat.1 ja schon glücklich.